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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 31. August 1992, Zl. 903.046/1-III 3/92, betreffend Einsichtnahme in Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der an den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes gerichteten Eingabe vom 11. Mai 1988 beantragte der Beschwerdeführer, ihm und seinen juristischen Mitarbeitern in sämtliche seit 1. Jänner 1986 ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes Einsicht zu gewähren sowie weiters, ihm "aus diesen Entscheidungen näher zu bezeichnende Vervielfältigungen zum Selbstkostenpreis zu überlassen". Unter Bezugnahme auf diese Eingabe "teilte" der Präsident des Obersten Gerichtshofes dem Beschwerdeführer mit schriftlicher Erledigung vom 18. Mai 1988 "mit", daß ihm "eine Einsichtnahme in nichtveröffentlichte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und die Herstellung von Ablichtungen davon mangels gesetzlicher Grundlage (vgl. §§ 15 Abs. 2, 23 Abs. 3 OGHG) nicht genehmigt werden kann".
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde vom Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 27. Juni 1988 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Erledigung vom 18. Mai 1988 die Bescheidqualität fehle. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1990, B 1438/88, wurde jedoch ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer durch den Bescheid vom 27. Juni 1988 wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden sei, und dieser Bescheid aufgehoben. Dies war darauf zurückzuführen, daß der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der Beschwerde gegen diesen Bescheid die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968 (OGHG), von Amts wegen geprüft und diese Gesetzesbestimmung mit Erkenntnis vom 28. Juni 1990, G 315/89, G 6790 (veröffentlicht in Slg. Nr. 12409) als verfassungswidrig aufgehoben hat. Der Bundesminister für Justiz gab daraufhin mit Bescheid vom 20. November 1990 der Berufung des Beschwerdeführers "gegen das als Bescheid zu wertende Schreiben des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes" vom 18. Mai 1988 nicht Folge und bestätigte "den angefochtenen Bescheid". Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1992, B 1368/90, wurde aber auch dieser Berufungsbescheid aufgehoben, weil der Beschwerdeführer durch ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei.
Dies hatte zur Folge, daß nunmehr mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 31. August 1992 der genannten Berufung des Beschwerdeführers gegen das (als Bescheid gewertete) Schreiben des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes vom 18. Mai 1988 Folge gegeben und dieser Bescheid aufgehoben wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 9. Dezember 1992, B 1562/92, abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hätten - über den erfolgten Bescheidausspruch hinaus - weitere Verfügungen bzw. Aussprüche im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu ergehen gehabt, zumal nach der derzeitigen Rechtslage (im Sinne der Gegenschrift gemeint: § 15a OGHG in der Fassung BGBl. Nr. 20/1991) die Einsichtnahme in die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und der Erhalt von Ausfertigungen derselben jedenfalls zulässig erschienen. Demgegenüber stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, daß seine in der Eingabe vom 11. Mai 1988 enthaltenen Anträge durch die belangte Behörde einer bescheidmäßigen Erledigung zuzuführen gewesen wären. Von seiner Warte aus wäre in der von der belangten Behörde gewählten Art ihrer Erledigung nicht primär - wie der Beschwerdeführer meint - ein Verstoß gegen § 59 Abs. 1 AVG sondern mangels Entscheidung in der Sache selbst vielmehr ein solcher gegen § 66 Abs. 4 leg. cit. gelegen gewesen. Der Beschwerdeführer hat hiebei - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkt - übersehen, daß im vorliegenden Beschwerdefall das AVG nicht anzuwenden ist, sind doch derartige Angelegenheiten im Art. II EGVG nicht angeführt und wurden eigene Verfahrensbestimmungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens nicht erlassen, was bedeutet, daß auch Absatz 4 dieses Artikels hinsichtlich des behördlichen Verfahrens der Bundesministerien nicht zum Tragen kommt. Es handelt sich demnach um ein Verwaltungsverfahren, für welches keine Verwaltungsvorschriften gelten, in welchem Fall nur hilfsweise die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung allgemein anzuwenden sind (vgl. dazu insbesondere das gleiche Anträge nach dem OGHG betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0280). Würde sich aber auf diesem Wege herausstellen, daß der Beschwerdeführer im Ergebnis damit im Recht ist, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Erledigung vom 18. Mai 1988 nicht gegeben waren und daher ein Abspruch über die dem Bescheid zugrundeliegenden Sachanträge des Beschwerdeführers zu tätigen gewesen wäre, so hätte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1984, Zl. 84/09/0088, und vom 18. Dezember 1986, Zl. 85/08/0044).
Auch wenn - ausgehend von der Bescheidqualität der erstinstanzlichen Erledigung vom 18. Mai 1988 und der Zulässigkeit der dagegen erhobenen Berufung, die deren Zurückweisung nicht ermöglicht hätte - allgemein die Auffassung vertreten werden könnte, daß eine Erledigung eines Rechtsmittels grundsätzlich nur in den Fällen, in denen (auch) eine Entscheidung in der Sache selbst ergeht, (im Sinne der oben dargestellten Rechtslage) den im AVG niedergelegten Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung entspricht, würde dies im vorliegenden Beschwerdefall wegen der Besonderheit des Falles nicht zutreffen. Das Verlangen des Beschwerdeführers auf Einsichtnahme in Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und "Überlassung von Vervielfältigungen" solcher Entscheidungen richtete sich an den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, dem es im Falle der Berechtigung dieses Verlangens alleine oblag, ihm zu entsprechen. Die belangte Behörde hatte als Berufungsbehörde lediglich zu beurteilen, ob die Einsichtnahme (und bejahendenfalls weiters die erst dadurch aktuell werdende Herstellung von Abschriften) zu Recht oder zu Unrecht verweigert wurde, und ihre Entscheidung hätte nie in der Gewährung der Einsicht (und der Herstellung von Abschriften) selbst bestehen können (vgl. hinsichtlich eines Auskunftsverlangens die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 88/14/0198, und vom 17. März 1992, Zl. 91/11/0162). Ein in Erledigung der Berufung zu erteilender ausdrücklicher Auftrag der Berufungsbehörde an die Erstbehörde, dem gestellten Verlangen nachzukommen, ist selbst auf dem Boden des AVG nicht vorgesehen. Solche Berufungsentscheidungen zugunsten des Rechtsmittelwerbers erschöpfen sich im Ausspruch, daß der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben wird, womit für die Erstbehörde bindend feststeht, daß das zugrundeliegende Verlangen zu Unrecht abgelehnt wurde, also im vorliegenden Beschwerdefall dem Beschwerdeführer die begehrte Einsicht (samt Herstellung von Abschriften) - ohne daß es hiefür einer weiteren Bescheiderlassung durch die Erstbehörde bedarf - zu gewähren ist. Damit wurde dem Verlangen des Beschwerdeführers zwar noch nicht tatsächlich entsprochen; dies wäre aber auch bei einer Berufungsentscheidung, wie sie der Beschwerdeführer fordert, ebenso wie wenn seine Anträge von der Erstbehörde überhaupt noch unerledigt geblieben wären, nicht der Fall.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Inhalt der BerufungsentscheidungAnwendungsbereich des AVG §66 Abs4Justizverwaltung Oberster Gerichtshof Akteneinsicht GerichtsbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010044.X00Im RIS seit
09.08.2001Zuletzt aktualisiert am
24.02.2011