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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
GGG 1984 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der D AG in W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G, W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 21. Juli 1992, Zl. Jv 1142-33/92, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Gegen die Beschwerdeführerin waren zu den Zlen. xxx/91 und zzz/91 des Handelsgerichtes Wien zwei Klagen anhängig, wobei die Urteilsbegehren der beiden Kläger übereinstimmend wie folgt lauteten:
"1) Die beklagte Partei ist schuldig,
a) Berichterstattungen darüber zu unterlassen, daß die klagende Partei zusehends mehr mit dem Millionen-Großraub am Innsbrucker Flughafen in Verbindung gebracht wird sowie
b) Die Verwendung von Bildnissen der klagenden Partei im Zusammenhang mit ihrer aktuellen Berichterstattung über die klagende Partei zu unterlassen.
2) Der klagenden Partei wird die Befugnis erteilt, den Urteilsspruch binnen 4 Wochen nach Rechtskraft des Urteiles in der Tageszeitung T sowie auch in der X Tageszeitung auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen.
3) Der klagenden Partei die Prozeßkosten zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Die Kläger hatten ihr Interesse an den Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren in jedem der beiden Verfahren je mit S 400.000,-- bewertet, sodaß die Streitwerte der beiden Verfahren je S 800.000,--, zusammen S 1,600.000,-- betrugen.
Schon mit der Klagserhebung hatten die Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang begehrt.
Die beiden Verfahren wurden in der Folge mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24. September 1991 gemäß § 187 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, führend war der Akt xxx/91 (vgl. dort ON 9).
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26. Mai 1992 schlossen die Parteien einen Vergleich folgenden Inhaltes (vgl. ON 17 im führenden Akt):
"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, unwahre Berichterstattungen darüber zu unterlassen, daß die klagenden Parteien zusehends mehr mit dem Millionen-Großraub Innsbrucker Flughafen in Verbindung gebracht werden und im Zusammenhang mit derartigen Berichten Bildnisse der Kläger zu veröffentlichen.
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei zu Handen des KV die mit S 118.440,-- (darin enthalten S 19.740,-- Ust) vereinbarten Prozeßkosten binnen 14 Tagen nach Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches bei Exekution zu ersetzen.
Dieser Vergleich wird nur rechtswirksam, wenn er nicht von der beklagten Partei mit Schriftsatz bis zum 2.6.1992 (Einlangen bei Gericht) widerrufen wird."
In derselben Tagsatzung wurde den Klägern die Verfahrenshilfe im vollen Umfang bewilligt.
Am 4. Juni 1992 stellte das Handelsgericht Wien fest, daß der Vergleich vom 26. Mai 1992 Rechtswirksamkeit erlangt hatte.
Mit Zahlungsauftrag vom 4. Juni 1992 schrieb der Kostenbeamte der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von je S 800.000,-- zweimal S 10.200,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr von S 50,--, insgesamt also S 20.450,-- an Gerichtsgebühren vor.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag keine Folge, wobei sie der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, im Vergleich die Pauschalgebühr nicht übernommen zu haben, entgegenhielt, daß es darauf nicht ankomme. Entscheidend sei vielmehr, daß sich die beklagte Partei im Vergleich zur Übernahme der Prozeßkosten der klagenden Parteien verpflichtet hätte.
Dagegen richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf richtige Anwendung der §§ 20 GGG und 70 ZPO verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 20 Abs. 1 GGG lautet:
"In den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10) ist der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben."
Diese Bestimmung ist im wesentlichen dem § 20 Abs. 1 GJGebGes 1962 nachgebildet (vgl. die Materialien 366 der Beilagen NR XVI GP 32). Auch dort war unter anderem normiert, daß der gebührenpflichtige Gegner zum Ersatz der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, nur verpflichtet ist, "... soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Bedeutung dieser Bestimmung bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Jänner 1968, Zl. 1298/67 (unter Berufung auf sein Erkenntnis vom 8. Mai 1957, Zlen. 1695, 1696/56, Slg. N.F. Nr. 1646/F) klargestellt, daß sie insbesondere wegen der erforderlichen Harmonie mit § 43 Abs. 1 ZPO so zu verstehen ist, daß die Gebührenpflicht den Gegner der gebührenbefreiten Partei in jenem Verhältnis trifft, in dem der Prozeßkostenersatz von den Prozeßparteien vergleichsweise geregelt wurde. Da im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin schon in ihrem Berichtigungsantrag ausdrücklich behauptete, nicht die gesamten Kosten ihres Prozeßgegners durch Punkt 2 des Vergleiches vom 26. Mai 1992 übernommen zu haben, sondern nur einen "vereinbarten" Betrag, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, unter Berücksichtigung der ursprünglich erhobenen Klagebegehren und deren Bewertung sowie des Verfahrensaufwandes Feststellungen dahin zu treffen, in welchen Verhältnis die Beschwerdeführerin durch die Übernahme einer Prozeßkostenzahlungspflicht von S 118.440,-- die den gebührenbefreiten Prozeßparteien erwachsenen Kosten übernommen hat. Nur in jenem Verhältnis (arg. "soweit") ist die Beschwerdeführerin dann gemäß § 20 Abs. 1 GGG zahlungspflichtig. Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 20 Abs. 1 letzter Satz GGG wäre erst dann Raum, wenn Feststellungen über das Verhältnis der vergleichsweisen Kostenübernahme nicht getroffen werden könnten.
Indem die belangte Behörde diese Feststellungen in Verkennung der Bedeutung des Wortes "soweit" in § 20 Abs. 1 GGG unterlassen hat (sekundärer Verfahrensmangel), hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für überflüssigerweise vorgelegte Beilagen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992160137.X00Im RIS seit
24.10.2001