TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/9 92/01/0852

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Veröffentlicht am 09.09.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §58 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 24. August 1992, Zl. 0/92-8556/6-1992, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. August 1992 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß dieser die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet, nicht erfülle. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer, der sich seit 1972 in Österreich aufhalte, insgesamt sechsmal wegen Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden sei. Bei diesen Verwaltungsübertretungen habe es sich insbesondere einmal um das Lenken eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand und einmal um Fahrerflucht gehandelt. Wenn auch die weiteren Bestrafungen auf Grund geringfügiger Übertretungen ausgesprochen worden seien, handle es sich bei Fahrerflucht und beim Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand um als schwerwiegend anzusehende Übertretungen, die eine Mißachtung von Normen darstellten, die zur Abwehr von Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit und für die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassen worden seien, und deren Begehung eine negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber den Normen widerspiegle, die zur Hintanhaltung von Gefahren für Leib und Leben vorgeschrieben seien. Das sich aus der Summe und der Schwere der gesetzten Übertretungen ergebende Charakterbild des Beschwerdeführers lasse den Schluß zu, daß er auch in Zukunft wesentliche, zur Wahrung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten werde.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer insbesondere dagegen, daß die belangte Behörde von einer Häufigkeit der Begehung von Verwaltungsübertretungen ausgegangen sei, während in Wahrheit lediglich zwei Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden seien. Auch sei in einem der beiden Verwaltungsstrafverfahren eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht festgestellt worden, sondern sei die Bestrafung wegen Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt - einer seiner Ansicht nach bloßen "Ordnungswidrigkeit" - erfolgt. Die belangte Behörde habe sein Gesamtverhalten, das insbesondere dadurch gekennzeichnet sei, daß er erstmals nach bereits zwölfjährigem Aufenthalt in Österreich straffällig geworden sei und sich seit der letzten Verwaltungsübertretung, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa sieben Jahre zurückgelegen sei, wohlverhalten habe, bei der Prüfung seiner Persönlichkeit nicht hinreichend berücksichtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu wiederholten Malen betont, daß Verstöße gegen die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Schutznormen dann ein Einbürgerungshindernis im Sinne des Mangels der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darstellen, wenn aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen erkennbar ist, daß der Einbürgerungswerber den zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassenen Gesetzen gegenüber negativ eingestellt ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/01/0430, und die dort angeführte Judikatur). Hiezu ist zunächst festzuhalten, daß nach Ausweis der in den Verwaltungsakten enthaltenen Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 16. Dezember 1991 der Beschwerdeführer wohl wegen sechs Verwaltungsübertretungen bestraft wurde, doch erfolgten diese Bestrafungen insgesamt durch lediglich zwei Straferkenntnisse (vom 23. Oktober 1984 und vom 18. Februar 1986). Offensichtlich handelte es sich - nähere Angaben stehen infolge laut Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung nach bereits erfolgter Vernichtung der Strafakten nicht zur Verfügung - jeweils um einen Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer durch sein Verhalten jeweils mehrere Straftatbestände erfüllt hatte. Somit ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer während seines im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits zwanzig Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich insgesamt zweimal Verhalten gesetzt hat, die zur Bestrafung wegen Übertretungen verwaltungsrechtlicher Vorschriften geführt haben. Daß bei diesem Sachverhalt entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht von einer Häufigkeit der Begehung von Verwaltungsübertretungen gesprochen werden kann, liegt auf der Hand.

Was die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen anbelangt, ist der belangten Behörde beizupflichten, daß es sich sowohl bei der Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt - die belangte Behörde hat in der Gegenschrift ausgeführt, daß eine Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht habe festgestellt werden können - wie auch bei Fahrerflucht um schwerwiegende Übertretungen von zur Hintanhaltung von Gefahren für Leib und Leben erlassenen Vorschriften handelt, sind doch diese sogenannten "Alkoholdelikte" als gleichwertig anzusehen. Allerdings sind im angefochtenen Bescheid keine über das Aufzeigen der Verwaltungsübertretungen hinausgehenden Feststellungen enthalten, die den Schluß zuließen, der Beschwerdeführer biete trotz seines zwanzigjährigen, bis auf die beiden angeführten Vorfälle gänzlich unbeanstandeten Aufenthaltes in Österreich und trotz der seit der letzten Straftat verstrichenen Zeit von über sieben Jahren keine Gewähr dafür, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Zu solchen durch Ermittlungen belegten Feststellungen wäre die belangte Behörde aber verhalten gewesen, weil es im Fall der Begehung von Verwaltungsübertretungen, die bereits fünf oder mehr Jahre zurückliegen, bei seitherigem Wohlverhalten eines Einbürgerungswerbers Aufgabe der Behörde ist, anzuführen, warum sie trotzdem zu dem Schluß gekommen ist, der Einbürgerungswerber werde im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auch in Zukunft wesentliche in dieser Gesetzesstelle angeführte Vorschriften mißachten (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 4. März 1987, Slg. 12.416/A).

Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz der für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerdeschrift entrichteten Stempelgebühren nicht zugesprochen werden kann.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010852.X00

Im RIS seit

25.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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