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95 TechnikNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des IngenieurkammerG und des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen mangels Legitimation; Verwaltungsverfahren bereits anhängig; Präjudizialität des Grundtatbestandes auch für den Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer AusnahmeSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Der Antragsteller begehrt mit seinen auf Art139 Abs1 letzter Satz und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Anträgen, §6 Abs1 Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenierkammer als gesetzwidrig und §29 Abs2 Ingenieurkammergesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
§6 Abs1 Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer vom 30. Juni 1970 in der Fassung des Beschlusses des Kammertages vom 5. Juni 1987 hat folgenden Wortlaut:
"(1) Soweit im Abs2 nichts anderes bestimmt ist, ist jeder Ziviltechniker zur vollen Teilnahme am Versorgungsfonds und zur Leistung von Beiträgen an diesen verpflichtet."
§29 Abs2 Ingenieurkammergesetz (IKG), BGBl. 71/1969 idF BGBl. 212/1987 lautet:
"(2) Die Ziviltechniker sind, sofern die Abs3, 4 und 7 nichts anderes bestimmen, zur vollen Teilnahme am Versorgungs- und Sterbekassenfonds verpflichtet."
2. Der Antragsteller bringt vor, er sei Ziviltechniker für Hochbau mit ruhender Befugnis. Mit Antrag vom 4. Dezember 1989 habe er zunächst beim Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer die Feststellung der Mitgliedschaft zum Sterbekassenfonds und zum Versorgungsfonds begehrt. Hinsichtlich des Sterbekassenfonds sei sein Antrag mit Bescheid vom 19. Jänner 1990 erledigt und seine dagegen erhobene Berufung an den Kammertag mit Bescheid vom 27. April 1990 abgewiesen worden. Das diesen Bescheid betreffende Beschwerdeverfahren ist beim Verfassungsgerichtshof zu B803/90 protokolliert.
Den Feststellungsantrag hinsichtlich des Versorgungsfonds habe das Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen zunächst mit gesondertem Bescheid vom 19. Jänner 1990 abgewiesen, und zwar mit der Begründung, daß die Befreiung von der Teilnahmepflicht am Versorgungsfonds wegfalle, sobald die Befugnis aufrecht gemeldet würde. Eine Entscheidung über die von ihm dagegen erhobene Berufung werde vom Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer mit Schreiben vom 21. Juni 1990 verweigert.
Dieses (vom Generalsekretariat der Bundes-Ingenieurkammer ergangene und von dessen Leiter gezeichnete) Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Dipl.Ing. M!
Ihre Beschwerde bezüglich der Einrichtungen der Wohlfahrtseinrichtungen, betreffend Sterbekassen- und Versorgungsfonds, wurde vollständig abgewiesen. Dies ist auch der Begründung zu entnehmen, in der lediglich die Abweisung des Kuratoriums der Wohlfahrtseinrichtungen bezüglich der Teilnahme am Sterbekassenfonds gesondert behandelt wurde, da inhaltlich dem Antrag auf Befreiung vom Versorgungsfonds bereits durch den Bescheid des Kuratoriums stattgegeben wurde.
Sollten Sie einen gesonderten Bescheid diesbezüglich wünschen, so könnte dieser nur enthalten, daß Ihre Beschwerde abgewiesen wurde, da das Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen dem Antrag bereits vollinhaltlich aufgrund der ruhenden Befugnis entsprochen hat.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Antragsteller bringt hiezu vor, die Bundes-Ingenieurkammer erachte eine Erledigung seiner Beschwerde nur für den Fall einer aufrechten Meldung der Befugnis für zulässig. Die Aufrechtmeldung wäre aber dem Antragsteller nicht zumutbar, weil der Antragsteller bei einem Nettoeinkommen (für das beispielsweise herausgegriffene Jahr 1987) von etwa 80.000 S Beiträge zu den Wohlfahrtseinrichtungen von knapp 50.000 S zu entrichten hätte. Es sei dem Antragsteller unzumutbar, zur Bekämpfung der Bestimmungen über die Verpflichtung zur Teilnahme am Versorgungsfonds im Falle einer aufrechten Befugnis seine Befugnis wieder aufrecht zu melden, um über die Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides die von ihm behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
3.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht grundsätzlich dann keine Legitimation zur Stellung eines Individualantrages nach Art139 Abs1 letzter Satz und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, wenn - wie hier - ein verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. VfSlg. 11.684/1988 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
b) Der Antragsteller verkennt den Inhalt des Schreibens des Generalsekretariates der Bundes-Ingenieurkammer vom 21. Juni 1990. Dieses enthält nach Form und Inhalt bloß eine Information über eine voraussichtliche Entscheidung der Berufungsinstanz, sofern der Antragsteller seine Berufung aufrecht erhält, wie aus der Formulierung eindeutig hervorgeht ("Sollten Sie einen gesonderten Bescheid diesbezüglich wünschen, ..."). Es stünde dem Antragsteller frei (und es könnte dieser dies auch mit dem Rechtsbehelf der Säumnisbeschwerde durchsetzen), auf einer Entscheidung der Berufungsinstanz zu bestehen.
Für diesen Bescheid wären (wie im übrigen auch für den vom Antragsteller zu B803/90 bekämpften Bescheid) die von ihm als verfassungswidrig bekämpften Normen auch präjudiziell, ohne daß er hiezu seine Befugnis wieder aufrecht melden müßte. Da der Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer gesetzlichen Ausnahme erginge, wäre für diese Entscheidung nicht nur die Bestimmung über die Ausnahme (also §29 Abs3 IKG und die entsprechenden Bestimmungen des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen), sondern auch der Grundtatbestand präjudiziell, von dem eine Ausnahme gemacht wird (also §29 Abs2 IKG und §6 Abs1 Statut der Wohlfahrtseinrichtungen). Ohne den Grundtatbestand ist nämlich der Ausnahmetatbestand nicht anwendbar (vgl. hiezu etwa VfSlg. 11.190/1986).
Im Wege der Anfechtung des bekämpften Berufungsbescheides bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts könnte der Antragsteller seine Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof herantragen, ohne daß außergewöhnliche Umstände vorlägen, die dessen ungeachtet seine Antragslegitimation begründeten. Der Verfassungsgerichtshof hält allerdings den Hinweis für zweckmäßig, daß er bisher die Behandlung von Bescheidbeschwerden, in denen gleiche Normbedenken wie vom Antragsteller geltend gemacht wurden, im Hinblick auf eine gegenteilige ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (insb. VfSlg. 9753/1983 mit Hinweis auf die Vorjudikatur) gemäß Art144 Abs2 B-VG abgelehnt hat.
4. Der Antrag war aus den genannten Gründen gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
Ziviltechniker, Wohlfahrtseinrichtungen Ziviltechniker, Ingenieurkammer, VfGH / Individualantrag, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:V473.1990Dokumentnummer
JFT_10089774_90V00473_00