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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in Z, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 18. Dezember 1989, Zl. 512.390/02-I 5/89, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: K, Architekt in Z, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte beim Landeshauptmann für Tirol die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für eine Grundwasserwärmepumpe auf den Grundstücken Nr. 2527/1 und 2527/3 KG. Z. Über diesen Antrag beraumte die Behörde mit Kundmachung vom 17. Oktober 1988 eine mündliche Verhandlung für den 9. November 1988 an, zu der auch die mitbeteiligte Partei geladen wurde. Die mitbeteiligte Partei ist zur Verhandlung nicht erschienen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes für Tirol vom 2. Dezember 1988 wurde dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Grundwasserwärmepumpe nach Maßgabe des eingereichten Bauentwurfs mit Auflagen erteilt.
Gegen diesen, ihr am 24. Jänner 1989 zugestellten Bescheid brachte die mitbeteiligte Partei Berufung ein und begründete diese wie folgt:
"Da auf Grundlage der Ausführungen (Gutachten) des kulturbautechnischen Amtssachverständigen im Rahmen des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens - siehe die Begründung im Bescheid - ich nicht mit Sicherheit ausschließen kann, daß sich nicht doch durch den Bau und den Betrieb der bewilligungsgegenständlichen Anlage nachteilige Auswirkungen auf meine monovalente Beheizung meines Wohnhauses durch die Grundwasser WPA ergeben könnten, war von mir diese Berufung bei der bescheiderlassenden Behörde einzubringen."
Gleichzeitig beantragte der Berufungswerber die Einholung "entsprechender Sachverständigengutachten."
Mit Bescheid vom 18. Dezember 1989, der den Anforderungen des § 59 AVG zwar nicht in gebotener Weise gerecht wird, aber gerade nach einer Erledigung der Berufung entspricht, ergänzte die belangte Behörde den angefochtenen (Bewilligungs-) Bescheid u. a. durch nachstehende zusätzliche Bewilligungsbedingungen:
"23.) Es sind monatliche Temperaturmessungen der Wasserentnahme und Wasserrückgabe der Anlage H und der Wasserentnahme der Anlage K drei Jahre hindurch vorzunehmen.
...
28.) Eine Beeinträchtigung der WPA von K ist dann anzunehmen, wenn im Beobachtungszeitraum (drei Jahre) eine durchschnittliche Minderung des Wirkungsgrades (gemessen an der möglichen Wärmeausbeute) um 10 % vorliegt."
Hiezu führte die belangte Behörde begründend aus, auch nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens lasse sich die Grundwasserströmungsrichtung im Bereich der geplanten Wärmepumpeanlage nicht einwandfrei beurteilen. Eine Aussage darüber, ob und in welcher Form der Grundwasserkörper und damit auch die Anlage der mitbeteiligten Partei beeinflußt werde, sei daher nicht möglich. Aufgrund der Aktenlage könne jedoch eine Beeinträchtigung der genannten Anlage nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Eine genaue Erkundung der Grundwasserströmungsverhältnisse sei daher schon in einer früheren Stellungnahme als notwendig erachtet worden. Der kulturbautechnische Sachverständige habe zur Feststellung möglicher Beeinträchtigungen der Anlage der mitbeteiligten Partei ein Beweissicherungsprogramm vorgeschlagen, mit welchem sich sowohl der Beschwerdeführer als auch die mitbeteiligte Partei prinzipiell einverstanden erklärt hätten. Gegen diese Vorgangsweise bestünden fachlich und rechtlich an sich keine Bedenken, nur müßten die monatlichen Temperaturmessungen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren (anstelle ein Jahr im Vorschlag des Kulturbauamtes) durchgeführt werden. Der angefochtene Bescheid sei daher im Sinne jenes modifizierten Vorschlages des Tiroler Kulturbauamtes vom August 1989 zu ergänzen gewesen. Daß die Kosten der Messungen vom Bewilligungswerber zu tragen seien, verstehe sich wohl von selbst.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem aus § 10 WRG erfließenden Recht auf Erteilung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Grundwasserwärmepumpenanlage "unter Abstandnahme von nicht erforderlichen Nebenbedingungen" verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, die mitbeteiligte Partei sei zu der von der erstinstanzlichen Behörde am 9. November 1988 an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen gewesen; da diese anläßlich dieser Verhandlung Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Projekt nicht erhoben hätte, sei sie gemäß § 42 AVG als präkludiert anzusehen. Ohne die maßgebenden Überlegungen im bekämpften Bescheid darzulegen, habe die belangte Behörde ihre im § 58 AVG verankerte Begründungspflicht verletzt, weil sie anstelle der vom Sachverständigen vorgesehenen einjährigen Dauer der durchzuführenden Temperaturmessungen den Beobachtungszeitraum unbegründet mit drei Jahre festgesetzt habe. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer vor Bescheiderlassung Gelegenheit geben müssen, zu der in Aussicht genommenen abweichenden Bemessung der Dauer der Temperaturmessungen Stellung zu nehmen. Durch diese Unterlassung habe die belangte Behörde gemäß § 37 AVG gegen das einen fundamentalen Grundsatz des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bildende Recht auf Parteiengehör verstoßen. Wäre dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, hätte er nachweisen können, daß es zur Beurteilung allfälliger Auswirkungen seiner Grundwasserwärmepumpenanlage auf die von der mitbeteiligten Partei betriebene genüge, wenn die monatlichen Temperaturmessungen der beiden Anlagen nur auf die Dauer eines Jahres durchgeführt werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG) bedarf der Grundeigentümer zur Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht. Gemäß Abs. 2 leg. cit ist in allen anderen Fällen zur Erschließung oder Benützung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich. Ist ein Gesuch um Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht gemäß § 106 WRG sofort abzuweisen, so ist das Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit des Bescheides durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (§§ 40 bis 44 AVG) - von hier nicht maßgebenden Ausnahmen abgesehen - fortzusetzen (§ 107 Abs. 1 WRG).
§ 107 Abs. 2 WRG in der hier anzuwendenden Fassung vor der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252 hatte folgenden Wortlaut:
"Eine Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung versäumt hat, weil sie nicht persönlich verständigt worden war, kann selbst dann, wenn die Anberaumung der mündlichen Verhandlung öffentlich bekannt gemacht worden ist (§ 41 Abs. 2 AVG 1950), ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen. ..."
Die Parteistellung der mitbeteiligten Partei ist im vorliegenden Fall unbestritten und aufgrund des Akteninhaltes, wonach für sie im Wasserbuch ein Wasserrecht eingetragen ist, durch § 102 Abs. 1 lit. b WRG gedeckt.
Obwohl die mitbeteiligte Partei (von ihr in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid unbestritten)
- ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen war, war es ihr - wie sie in der Berufung ausführt - "wegen unvorhersehbarer Krankheit am 9. November 1988 weder möglich, persönlich an der Wasserrechtsverhandlung teilzunehmen, noch einen bevollmächtigten Vertreter zu entsenden. Auch die fristgerechte Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme war mir aus genanntem Grund nicht mehr möglich."
Während § 107 Abs. 2 WRG in der Fassung der Wasserrechtsgesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 252/1990 einer Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung ohne ihr Verschulden versäumt hat, die Möglichkeit einräumt, ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorzubringen, ermöglichte diese Gesetzesstelle in der hier anzuwendenden Fassung dies nur einer Partei, die eine mündliche Verhandlung deshalb versäumt hat, weil sie nicht persönlich verständigt worden war. Das Hindernis, Einwendungen erheben zu können, muß in der unterlassenen persönlichen Verständigung ihre Ursache gehabt haben. Eine Präklusion tritt jedoch ein, wenn Einwendungen ohne diese Ursache nicht erhoben wurden. Die Gründe, aus denen Einwendungen nicht erhoben wurden, sind rechtlich unerheblich (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, 88/07/0001). Es wäre Sache der mitbeteiligten Partei gewesen, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Ist bereits Präklusion eingetreten, dann können Einwendungen aufgrund eines allein vom präkludierten Antragsgegner erstatteten Vorbringens im Berufungsverfahren nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie gleichzeitig Umstände betreffen, welche auch von Amts wegen wahrzunehmen sind. Eine eingetretene Präklusion ist auch im Berufungsverfahren zu beachten. Die Präklusion beseitigt zwar nicht das Berufungsrecht, schränkt jedoch die Überprüfungsbefugnis der Berufungsbehörde insofern ein, als sie präkludierte Ansprüche nicht mehr aufgreifen darf. Da die mitbeteiligte Partei ihre Berufung ausschließlich damit begründet, sie könne nicht mit Sicherheit ausschließen, daß durch den Bau und den Betrieb der bewilligungsgegenständlichen Anlage nachteilige Auswirkungen auf die monovalente Heizung ihres Wohnhauses entstehen könnten (Geltendmachung der uneingeschränkten Ausübung ihres bestehenden Rechtes im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG), erhebt sie damit erstmals Einwendungen, welche von ihr bereits in der mündlichen Verhandlung hätten geltend gemacht werden müssen. Wegen eingetretener Präklusion hat sohin die mitbeteiligte Partei ihren Anspruch verloren und es wäre daher die Berufung von der belangten Behörde aus diesem Grunde abzuweisen gewesen (hg. Erkenntnis vom 26. April 1988 Zl. 84/07/0346). Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Artikel III Abs. 2
Schlagworte
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990070027.X00Im RIS seit
12.11.2001