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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des A in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 5. Jänner 1993, Zl. 1302-2/92, betreffend Haftung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 25. März 1992 wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der (inzwischen gelöschten) A Textilgesellschaft m.b.H. (im folgenden kurz: Gesellschaft) gemäß §§ 9, 80 ff BAO für Abgabenschuldigkeiten in einer Gesamthöhe von S 3,466.771,-- in Anspruch genommen, worin unstrittigermaßen ein Betrag von S 95.847,-- an Lohnsteuer enthalten war, für den das Finanzamt den 10. Jänner 1988 als Fälligkeitstag bezeichnet hatte.
In seiner gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, er hätte mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft die Handlungsfähigkeit verloren und könne daher für Abgaben, die nach Konkurseröffnung fällig geworden seien, nicht verantwortlich gemacht werden. Der Konkursantrag sei am 7. Jänner 1988 fertiggestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft zahlungsunfähig gewesen. Er habe die am 10. Jänner 1988 fälligen Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt als die übrigen Verbindlichkeiten und treffe ihn daher kein Verschulden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Juli 1992 schränkte das Finanzamt daraufhin die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers auf die zum 10. Jänner 1988 fällig gestellte Lohnsteuer von S 95.847,-- ein, worauf der Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrte.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und schränkte die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers auf S 64.032,-- ein. Sie stellte dazu fest, daß unter Berücksichtigung einer Konkursquote von 13,106 % in diesem Ausmaß ein Ausfall entstanden sei und daß es sich bei dem in Rede stehenden Lohnsteuerrückstand großteils um Abgaben gehandelt habe, die der Gesellschaft im Zusammenhang mit einer Lohnsteuerprüfung vom April 1988 für den Zeitraum 1. Jänner 1984 bis 30. November 1987 vorgeschrieben worden seien. Der Rest betreffe Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu diesen für die von der Gesellschaft ausbezahlten Löhne für den Lohnsteuerzeitraum November 1987. Hinsichtlich dieser zum 10. Jänner 1988 fällig gewordenen Beträge erachtete es auch die belangte Behörde für glaubhaft, daß es dem Beschwerdeführer wegen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht mehr möglich gewesen sei, sie zu entrichten. Hinsichtlich der vorher gelegenen Fälligkeitszeitpunkte betonte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, daß ihn an der Nichtentrichtung der Lohnsteuer kein Verschulden treffe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer formulierte den Beschwerdepunkt wie folgt: "Durch die Entscheidung in einer anderen Sache als die Abgabenbehörde erster Instanz wurde mir die Möglichkeit einer Rechtfertigung genommen (Entscheidung durch eine unzuständige Behörde und Verletzung des Parteiengehörs)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 9 Abs. 1 BAO bestimmt:
"Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. "
Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechtes zu enthalten, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte). Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 242 vorletzter Absatz referierte hg. Judikatur).
Was zunächst den Vorwurf anlangt, die belangte Behörde habe in einer anderen Sache entschieden als das Finanzamt und damit die Sache des Berufungsverfahrens ausgewechselt, ist darauf hinzuweisen, daß "Sache" des Berufungsverfahrens jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat (vgl. Stoll BAO-Handbuch 686 und die dort referierte hg. Judikatur). Im vorliegenden Fall betraf bereits der Haftungsbescheid des Finanzamtes (abgesehen von jetzt nicht mehr verfahrensgegenständlichen Abgaben) eine Lohnsteuerschuld von S 95.847,-- (für die das Finanzamt den 10. Jänner 1988 als Fälligkeitszeitpunkt angenommen hatte); auf diese Lohnsteuerschuld bezieht sich aber auch die jetzt angefochtene Berufungsentscheidung, wobei die belangte Behörde davon ausging, daß ein Großteil dieser Abgabenschuld auf Grund einer Lohnsteuerprüfung vom April 1988 für den Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 30. November 1987 vorgeschrieben worden sei. Davon, daß die belangte Behörd ihre Entscheidungsbefugnis betreffend eine Sache in Anspruch genommen hätte, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, kann daher keine Rede sein.
Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang weiters eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs dahin geltend, ihm sei der Umstand, es habe sich um Abgaben aus dem Jahr 1986 gehandelt, nicht vorgehalten worden, dies habe erstmals die Berufungsentscheidung behauptet. Obgleich dem Beschwerdeführer zuzugeben ist, daß es Sache der Berufungsbehörde gewesen wäre, ihm diese Umstände vorzuhalten (§§ 115 Abs. 2 und 279 BAO), vermag dieses Versäumnis der belangten Behörde der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde näher darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm seitens der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worde wäre (vgl. dazu z. B. die bei Dolp, aaO. 610 Abs. 5 und 6 referierte hg. Judikatur). Da die Beschwerdeschrift diesbezüglich nichts enthält, erweist sich der aufgezeigte Verfahrensmangel als nicht relevant. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993150052.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
10.01.2011