TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/16 92/01/1074

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Veröffentlicht am 16.09.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der G, und ihrer minderjährigen Kinder, E, I und G, alle in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1992, Zl. 4.326.263/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1992 wurde die Berufung der Beschwerdeführer, einer jugoslawischen Staatsangehörigen ungarischer Nationalität, und ihrer minderjährigen Kinder, die sich vom 26. Oktober 1991 bis zu ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 1. November 1991 in Ungarn aufgehalten hatten, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. November 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern kein Asyl gewährt, weil sie der Auffassung war, daß der Ausschließungsgrund des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei. Nach dieser Bestimmung wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei Verfolgungssicherheit insbesondere dann anzunehmen, wenn der Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Ein bewußtes Zusammenwirken zwischen der Person des Asylwerbers und den Behörden des Drittstaates sei nicht notwendig. Es werde ausschließlich darauf abgestellt, wie die Situation des Asylwerbers im Drittland gestaltet gewesen sei. Sei die Rechtsordnung dieses Staates dergestalt, daß sie einen entsprechenden Schutz gewähre, sei darüber hinaus die Staatspraxis dieses Landes so, daß sie dieser Rechtsordnung entspreche und sei zum letzten auch eine Möglichkeit vorhanden, sich dieses Schutzes entweder durch entsprechende Anträge oder aber durch Kontaktnahme mit einem Vertreter des Flüchtlingshochkommissariates bedienen zu können, - und bei Ungarn, das Mitglied der Genfer Konvention sei, sei davon auszugehen - so sei Verfolgungssicherheit in vollem Umfang gegeben. Konkret bedeute dies, daß es nicht darauf ankomme, ob der Asylwerber in einem Drittland Kontakt mit den Behörden gehabt habe, ob der Aufenthalt den Behörden bekannt gewesen, von ihnen geduldet oder gebilligt worden sei. Die Sicherheit im Drittstaat könne auch ohne jeglichen Kontakt zu dessen Behörden gegeben sein, wenn dem Fremden etwa im Falle eines "Angriffs durch die Behörden" dieses Landes entsprechende ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stünden, eine Abschiebung in den Verfolgerstaat zu verhindern.

Mit dieser Auffassung befindet sich die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur. Für die Annahme einer Verfolgungssicherheit genügt es, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256). Dafür, daß diese Voraussetzungen bei den Beschwerdeführern nicht vorgelegen seien, besteht kein Anhaltspunkt. Sie haben nichts vorgebracht, was darauf hindeutet sie wären gehindert gewesen, in Ungarn länger zu bleiben und dort um Asyl anzusuchen.

Nicht erforderlich ist - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde -, daß die Frage der Flüchtlingseigenschaft oder die Frage der Asylgewährung in Ungarn "in irgendeiner Form behördlich" behandelt wurde. Vielmehr bedarf es für die Annahme der Verfolgungssicherheit - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - nicht einmal des Umstandes, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256).

Zum Vorbringen der Beschwerde, aus dem "Grundsatz des fairen Verfahrens" sei abzuleiten, daß dem angefochtenen Bescheid nicht bloß eine Rechtsmittelbelehrung, sondern eine Ausfertigung des gesamten Bescheides in ungarischer Sprache anzuschließen gewesen wäre, ist auf § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hinzuweisen. Demnach sind Bescheiden, die einem der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen Asylwerber zuzustellen sind, eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in die Muttersprache des Asylwerbers oder eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache anzuschließen. Selbst ein der belangten Behörde unterlaufener Verstoß gegen diese Bestimmung könnte allerdings - da es sich dabei lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/1054) - weder die Rechtswirksamkeit eines ohne die Beigabe der Übersetzung zugestellten Bescheides, noch dessen Rechtmäßigkeit berühren.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag der Beschwerdeführerin und ihrer mj. Kinder vom 26. August 1993, Zl. AW 93/01/0571, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011074.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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