TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/20 93/10/0065

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Veröffentlicht am 20.09.1993
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 29. Jänner 1993, Zl. 14-H-9273, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: X in D), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Juli 1992 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der belangten Behörde die Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von 1538,60 m2 aus der Waldparzelle 1144/3, KG. K, zum Zwecke der Erweiterung des Clubgeländes des Ruderclubs "Y".

Die belangte Behörde führte am 30. September 1992 eine mit einem Ortsaugenschein verbundene mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlungsschrift ist festgehalten, die Rodungsfläche (Erweiterungsfläche des Clubgeländes) solle als Mehrzweckplatz zur Lagerung von Booten sowie zu anderen sportlichen Belangen dienen. Durch den zunehmenden Sporttourismus auf der Donau, welcher sich durch die Staustufe Freudenau noch verstärken werde, komme es besonders im Sommer zu zahlreichen Besuchen in- und ausländischer Ruderer, Paddler und Zillenfahrer, welche um die Gastfreundschaft des Clubs ansuchten und ihre Sportgeräte versorgen müßten und auch nächtigten. Der Waldentwicklungsplan weise für die gegenständliche Waldfläche mittlere Wertigkeit der Schutzfunktion und höchste Wertigkeit der Wohlfahrts- und Erholungsfunktion aus.

Der Amtssachverständige für Raumplanung führte aus, im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde D sei der gesamte gegenständliche Bereich - auch das bereits bestehende Clubareal - als Grünland-Forst gewidmet. Aus raumordnungsfachlicher Sicht komme der Donaulandschaft und dem Auwaldbestand eine hohe Wertigkeit zu. Im regionalen Raumordnungsprogramm Wien-Umland sei der gegenständliche Bereich als erhaltenswerter Landschaftsteil festgelegt. Im Waldentwicklungsplan sei diesen Waldflächen die höchste Stufe der Erholungswirkung zugeordnet. Aus raumordnungsfachlicher Sicht könne eine Verwendung von Waldflächen für andere Zwecke nicht befürwortet werden. Ein öffentliches Interesse für eine Rodung aus Gründen des Siedlungswesens könne aus der im Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzungsart und aus den angeführten Gründen nicht bestätigt werden.

Der forsttechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten aus, eine Gefährdung der angrenzenden Waldbestände durch die geplanten Maßnahmen sei auf Grund der Lage der Rodefläche nicht zu erwarten. Aus dem Waldentwicklungsplan sei zu entnehmen, daß der Wald im gegenständlichen Bereich mehrere wichtige Funktionen, insbesondere Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktion zu erfüllen habe. Aus fachlicher Sicht sei ein höheres Interesse als jenes der Walderhaltung nicht erkennbar.

In der Folge richtete die belangte Behörde an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eine Anfrage, ob der Rudersport in Österreich eine derartige Stellung einnehme, daß von öffentlichem Interesse an der Förderung dieser Sportart im weitesten Sinn gesprochen werden könne.

Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung übermittelte der belangten Behörde eine Stellungnahme des Niederösterreichischen Ruderverbandes, in der es heißt, der Ruderclub "Y" sei Mitglied des Wiener und nicht des Niederösterreichischen Ruderverbandes, sodaß sich der Niederösterreichische Ruderverband in dieser Angelegenheit als nicht zuständig erklären müsse. Nichtsdestoweniger stünde der Niederösterreichische Ruderverband jedem Vorhaben, das der Förderung des Rudersports dienlich sei, positiv gegenüber.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1993 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Rodungsbewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. In der Begründung wird nach Wiedergabe des Befundes des forsttechnischen Amtssachverständigen ausgeführt, der Amtssachverständige für Raumplanung habe zwar in seinem Gutachten darauf hingewiesen, daß im derzeit rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde D der gesamte gegenständliche Bereich - auch das bereits seit langem bestehende Clubareal - als Grünland-Forst gewidmet sei und daraus den Schluß gezogen, daß somit ein öffentliches Interesse für eine Rodung aus Gründen des Siedlungswesens nicht bestätigt werden könne, wobei dem entgegengehalten werden müsse, daß die Stadtgemeinde D das bestehende Club- und Bootshaus im Jahre 1975 baubehördlich bewilligt habe und somit bisher die erforderliche Richtigstellung des Flächenwidmungsplanes nicht durchgeführt worden sei. Auf Grund des Verhandlungsergebnisses sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, daß die Rodung unter Einhaltung der im Spruch beschriebenen Auflaben bewilligt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes 1975 (im folgenden ForstG) gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der irrtümlichen Annahme eines öffentlichen Interesses am Rodungsvorhaben bzw. in einer mangelhaften Interessenabwägung.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Nach § 17 Abs. 2 leg. cit. kann unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind nach § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

Bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 hat nach § 17 Abs. 4 leg. cit. die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistetende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Im Beschwerdefall haben die Amtssachverständigen - gestützt auf den Waldentwicklungsplan (§ 9 ForstG) und den Flächenwidmungsplan - dargetan, daß an der Erhaltung des Auwaldes im Bereich der zur Rodung beantragten Fläche ein hohes öffentliches Interesse besteht. Mit dem Argument der durch den Waldentwicklungsplan dokumentierten wesentlichen Bedeutung des Waldes im Rodungsbereich in bezug auf bestimmte Waldfunktionen hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Was den Ausweis der Rodungsfläche im Flächenwidmungsplan als Grünland-Forst anlangt, hat die belangte Behörde - wie die beschwerdeführende Partei zutreffend ausführt - aus dem Umstand, daß das bestehende Club- und Bootshaus, welches gar nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, bereits im Jahre 1975 baubehördlich bewilligt wurde, den unzutreffenden Schluß gezogen, daß der derzeit gültigen Flächenwidmung für die gegenständliche Grundfläche im Rahmen der Entscheidungsfindung keine wesentliche Bedeutung zukomme. Die belangte Behörde hat nicht dargelegt, worin das öffentliche Interesse an der Verwendung der Rodungsfläche für die beantragte Maßnahme besteht.

Insbesondere hat auch die von der belangten Behörde an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung gerichtete Anfrage nichts ergeben, was auf ein öffentliches Interesse an der Sportausübung hindeuten würde. Inwiefern ein öffentliches Interesse am Siedlungswesen vorliegen soll, bleibt überhaupt unerfindlich.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100065.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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