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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den auf Grund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 24. April 1992, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Sondernotstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem Akteninhalt stellte die Beschwerdeführerin am 21. Jänner 1991 unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars beim Arbeitsamt Versicherungsdienste den Antrag auf Gewährung einer Sondernotstandshilfe. Nach Vorlage einer Bestätigung des Amtes für Jugend und Familie VI. und VII. Bezirk vom 31. Jänner 1991, wonach eine Aufnahme des am 20. Jänner 1990 geborenen Kindes der Beschwerdeführerin in einem öffentlichen Kindergarten oder Kindertagesheim frühestens ab September 1991 möglich ist, und eine Erklärung der Beschwerdeführerin, daß darüber hinaus zur Zeit keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, wurde die Sondernotstandshilfe vom 21. Jänner 1991 bis 31. August 1991 zuerkannt. Die Beschwerdeführerin erhielt die Mitteilung über den Leistungsanspruch vom 25. Februar 1991, worin die Leistung wie folgt bezeichnet war:
"Anfallstag 21 01 1991, Leistungsart SONDERNOTSTANDSH. Anspruch in öS 231,50/TGL, voraus. Ende 01 09 1991." Der zweite Satz des davorstehenden Textes lautete: "Das angegebene voraussichtliche Ende gilt vorbehaltlich einer vorherigen Abmeldung oder des Wegfalles der Anspruchsvoraussetzungen."
Am 29. Oktober 1991 stellte die Beschwerdeführerin wiederum unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars den Antrag auf Sondernotstandshilfe. Auf Grund dieses Antrages wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf "Notstandshilfe" ab 29. Oktober 1991 bis voraussichtlich 27. Juli 1992 anerkannt. Bis zur niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin am 25. November 1991 beim Arbeitsamt Versicherungsdienste erfolgte die Vorlage der Bestätigung des Amtes für Jugend und Familie XXI. Bezirk vom 25. Oktober 1991, wonach für das Kind der Beschwerdeführerin eine Aufnahme in einen öffentlichen Kindergarten oder Kindertagesheim frühestens ab "9/1992" möglich ist. Gleichzeitig legte die Beschwerdeführerin eine (nicht unterfertigte) Erklärung vor, wonach sie darüber hinaus keine Unterbringungsmöglichkeit hat.
Am 5. Februar 1992 langte beim Arbeitsamt Versicherungsdienste ein Schreiben ohne Datum der Beschwerdeführerin mit folgendem Inhalt ein:
"Betrifft: Sondernotstandshilfe.
Sehr geehrte Damen und Herren
Das Arbeitsamt Versicherungsdienste hat mir in der Mitteilung vom 25.2.1991 bekanntgegeben, daß ich ab 21.1.1991 Anspruch auf die Sondernotstandshilfe ab 21.1.1991 von täglich S 231,50 habe. Da bei Vorliegen der Voraussetzungen die Sondernotstandshilfe bis zum 3. Geburtstag des Kindes gebührt, rechnete ich mit keiner Befristung der Leistung. Erst als ich keine Leistung mehr erhielt, sprach ich beim Arbeitsamt vor und mußte auf Anordnung des Arbeitsamtes einen neuerlichen Antrag auf Sondernotstandshilfe stellen.
Da keine der Anspruchsvoraussetzungen weggefallen ist, ersuche ich um Auszahlung der Leistung auch für die Zeit vom 2.9.1991 bis 28.10.1991 oder mir einen Bescheid darüber auszufolgen, warum mir für obigem Zeitraum keine Leistung gebührt."
Das Arbeitsamt Versicherungsdienste 1200 Wien stellte mit Bescheid vom 12. Februar 1992 auf Grund dieser Eingabe fest, daß der Beschwerdeführerin Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 und gemäß § 59 in Verbindung mit § 46 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, in der geltenden Fassung ab 29. Oktober 1991 gebühre. Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin den Antrag auf Notstandshilfe am 29. Oktober 1991 beim Arbeitsamt geltend gemacht habe.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bezeichnete die Beschwerdeführerin diese Begründung des Bescheides als absolut falsch, sie habe weder am 29. Oktober 1991 noch sonst irgendwann Notstandshilfe beantragt. Vielmehr habe sie die Sondernotstandshilfe, die ihr auch mit der Mitteilung vom 25. Februar 1991 ab dem 21. Jänner 1991 zuerkannt worden sei, beantragt. Da gemäß § 39 bei Vorliegen der Voraussetzung die Sondernotstandshilfe bis zum 3. Geburtstag gebühre, habe sie mit keiner Befristung der Leistung gerechnet und sei eine solche in keiner Weise begründet. Erst als sie kein Geld mehr erhalten habe, habe sie von der Einstellung der Leistung erfahren. Bei der Vorsprache beim Arbeitsamt habe sie auf Anordnung des Arbeitsamtes einen neuerlichen Antrag stellen müssen. Sie habe wieder die Sondernotstandshilfe beantragt und das Arbeitsamt habe ihr bei dieser Vorsprache einen Vordruck für das Jugendamt mitgegeben. Sie habe dann auch die Bestätigung des Jugendamtes, daß eine Unterbringungsmöglichkeit für ihren Sohn frühestens ab September 1992 möglich werde, gebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. In der Begründung wurden die anzuwendenden Gesetzesstellen zitiert sowie der Inhalt des Bescheides des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 12. Februar 1992, sowie der Berufung und der anläßlich des Berufungsverfahrens stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin wiedergegeben. Weiters vertrat die belangte Behörde die Meinung, daß die in der Mitteilung vom 25. Februar 1991 mit 1. September 1991 erfolgte Befristung zu Recht erfolgt sei, weil nach der bei der Antragstellung vorgelegten Bestätigung eine Unterbringungsmöglichkeit voraussichtlich ab September 1991 bestanden habe. Den Nichterhalt des Kindergartenplatzes ab September 1991 habe die Beschwerdeführerin erst anläßlich ihrer neuerlichen Antragstellung vom 29. Oktober 1991 bekanntgegeben. Da die Beschwerdeführerin den Fortbezug der Sondernotstandshilfe erst am 29. Oktober 1991 geltend gemacht habe, könne der Fortbezug erst ab diesem Tag zuerkannt werden. Die Sondernotstandshilfe werde bis 31. August 1992 befristet, weil laut vorliegender Bestätigung voraussichtlich ab September 1992 eine Unterbringungsmöglichkeit für ihren Sohn bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die belangte Behörde zu verpflichten, ihr auch für den Zeitraum vom 2. September bis 28. Oktober 1991 Sondernotstandshilfe zu gewähren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, daß auch die belangte Behörde über den Anspruch auf Notstandshilfe abgesprochen habe, obwohl "Notstandshilfe" allen Behörden bewußt gewesen sei, daß es um die Gewährung von Sondernotstandshilfe gehe.
Damit kann die Beschwerdeführerin jedoch keine Rechtsverletzung aufzeigen. Die Überschrift des IV. Abschnittes des Art. II des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lautet zwar auf Sondernotstandshilfe für alleinstehende Mütter, der die Voraussetzungen dafür regelnde § 39 leg.cit. spricht ausdrücklich davon, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen alleinstehenden Müttern Notstandshilfe zu gewähren ist. Diese lediglich in der Überschrift des Abschnittes als Sondernotstandshilfe bezeichnete Leistung unterscheidet sich weder hinsichtlich der Höhe noch hinsichtlich des Beginnes, wie bereits ausgeführt wurde, von der Notstandshilfe.
Weiters rügt die Beschwerdeführerin, daß mit keinem Wort der Zeitraum vom 2. September bis 28. Oktober 1991 erwähnt worden sei.
Die belangte Behörde verneinte einen Anspruch der Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum, weil sie davon ausging, daß der Beschwerdeführerin auf Grund ihres zweiten Antrages ein solcher Anspruch nicht zustehe. Sowohl beim Anspruch auf Notstandshilfe als auch auf Sondernotstandshilfe handelt es sich um einen zeitraumbezogenen Anspruch. Unter Heranziehung des § 39 Abs. 3 in Verbindung mit § 35 AlVG (in der im gegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) hatte die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Sondernotstandshilfe, wenn während des Zeitraumes von 39 Wochen ab Antragstellung die Voraussetzungen nach § 39 Abs. 1 AlVG gegeben waren, ohne daß hiefür ein neuerlicher Antrag gestellt werden mußte. Die belangte Behörde übersah offenbar, daß der Beschwerdeführerin bereits auf Grund ihres Antrages vom 21. Jänner 1991 der Anspruch auf Sondernotstandshilfe jedenfalls bei gleichbleibenden Anspruchsvoraussetzungen für die Dauer von 39 Wochen ab Antragstellung zustand und dieser Zeitraum jedenfalls über den 2. September 1991 hinausreichte. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf bescheidmäßige Erledigung vom 5. Februar 1992 bezog sich auch mit keinem Wort auf ihren Antrag vom 29. Oktober 1991, sondern auf den Zeitraum vom 2. September 1991 bis 28. Oktober 1991, sodaß die Behörde von Amts wegen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für diesen Zeitraum insgesamt zu prüfen hatte und sich nicht auf den Ausspruch zurückziehen durfte, daß für diesen Zeitraum auf Grund des Antrages vom 29. Oktober 1991 kein Anspruch zustand.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080130.X00Im RIS seit
18.10.2001