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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Präjudizialität eines Teils eines Flächenwidmungsplanes infolge planlicher Abgrenzbarkeit; hinreichende Determinierung der Widmungsart "Grünland - Grünzug"Spruch
Dem Antrag wird, soweit er das als "Grünland - Grünzug" gewidmete Gebiet betrifft, auf welchem sich die Liegenschaft Wienerstraße 456 befindet, nicht Folge gegeben.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt gemäß Art139 B-VG, "den Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Linz - Teil Mitte und Süd Nr. 1, beruhend auf dem Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 24. September 1987, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Linz Nr. 8 vom 25. April 1988, insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als darin die Widmung 'Grünland - Grünzug' festgesetzt worden ist."
Den Anlaß für diesen Antrag bildet ein beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges Beschwerdeverfahren betreffend die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Würstelstandes auf der Liegenschaft Wienerstraße 456, Gst. Nr. 525/3, KG Kleinmünchen. Das Bauansuchen wurde von der Behörde mit der Begründung abgewiesen, für den hier in Betracht kommenden Teil des Linzer Stadtgebietes sei die Widmung "Grünland - Grünzug" festgelegt.
Nach Hinweis auf den Inhalt des §18 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (OÖ ROG), LGBl. 18/1972, sowie auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art18 Abs1 B-VG begründet der Verwaltungsgerichtshof seinen Antrag wie folgt:
"Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht die in dem hiemit gemäß Art139 B-VG angefochtenen Flächenwidmungsplan vorgenommene Festsetzung 'Grünland - Grünzug' nicht der Forderung nach einer ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit. Während die sonst in der Aufzählung des §18 Abs4 OÖ ROG verwendeten Begriffe, wie Aufschüttungsgebiete usw., eindeutig erkennen lassen, welcher bestimmungsgemäßen Nutzung im Sinne des §18 Abs5 OÖ ROG sie dienen, fehlt es beim Ausdruck 'Grünland - Grünzug' an einer ausreichenden Bestimmtheit im aufgezeigten Sinne.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß die Absicht des Verordnungsgebers darin gelegen sein könnte, unter 'Grünland - Grünzug' eine besonders schützenswerte, zusammenhängende Grünfläche zu verstehen, die von jeglicher Bebauung freizuhalten sei, wie dies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck brachte; allein der Verordnungsgeber hat durch die Festlegung der Widmung 'Grünland - Grünzug' in der Legende zum Flächenwidmungsplan keine ausreichende Klarheit über den Inhalt dieser besonderen Widmung geschaffen. Gerade die Legende zum Flächenwidmungsplan zeigt, daß der Verordnungsgeber etwa hinsichtlich des Ausdruckes 'Altstadtschutzzone' oder bestehender Bauten im Grünland eine nähere Begriffsbestimmung vorgesehen hat, er sich demnach über die gegebene Problematik ganz allgemein im klaren war. Der Gerichtshof übersieht in diesem Zusammenhang auch nicht, daß die in die Legende aufgenommene Signatur für bestehende landwirtschaftliche Bauten in 'Grünzügen' möglicherweise darauf hindeutet, daß in solchen 'Grünzügen' ansonsten keine Bauführung zulässig sein soll, was allerdings einer ausdrücklichen Normierung bedurft hätte, da mangels einer eindeutigen Festlegung der zulässigen Nutzung dafür (erforderliche) Bauten nicht von vornherein ausgeschlossen sind."
Die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes im beantragten Ausmaß ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes deshalb erforderlich, weil die den Flächenwidmungsplan darstellenden Pläne jedenfalls in dem hier in Betracht kommenden Bereich einzelne Grundstücksnummern nicht erkennen ließen, sodaß eine Beschränkung des Antrages auf das Grundstück Nr. 525/3, KG Kleinmünchen, nicht in Betracht käme.
2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz beantragt in einer Äußerung die - kostenpflichtige - Abweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes.
Der Gemeinderat verweist zum Begriff "Grünzug" auf die der Stadtgemeinde Linz vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Raumordnung und Landesplanung, gemäß §15 Abs2 OÖ ROG bekanntgegebenen Ziele und Festlegungen der überörtlichen Raumordnung, wonach Grünzüge unverbaut als Gliederungselemente der Stadtlandschaft erhalten bleiben sollen. Darüberhinaus verweist der Gemeinderat auf die Legende zum hier in Rede stehenden Flächenwidmungsplan hinsichtlich bestehender landwirtschaftlicher Bauten in Grünzügen:
"Diese Signatur weist im Grünzug gelegene landwirtschaftliche Nutzungsflächen mit dem landwirtschaftlichen Anwesen als Mittelpunkt aus. Im Nahbereich des landwirtschaftlichen Anwesens sind Bauten und Anlagen im Sinne des §18 Abs5 OÖ ROG zulässig."
Auf Grund dieser Festlegung sei nach Ansicht des Gemeinderates für den Normadressaten eindeutig festgelegt, daß die Errichtung anderer als die oben angeführten Bauten und Anlagen in Grünzügen unzulässig sei. Es bestehe daher für den Normadressaten ausreichende Klarheit über den Inhalt der Widmung "Grünland - Grünzug".
3. Die Oberösterreichische Landesregierung beantragt in einer Äußerung die Zurückweisung, bzw. die Abweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Landesregierung wendet zunächst ein, der Antrag sei insoweit überschießend und damit unzulässig, als der angefochtene Flächenwidmungsplan mehrfach örtlich trennbare Bereiche mit der Widmung "Grünland - Grünzug" ausweise. Auch wenn das im Antrag bezeichnete Grundstück Nr. 525/3, KG Kleinmünchen, als solches im Plan nicht erkennbar sei, könne nach Ansicht der Landesregierung zumindest das Gebiet mit der Widmung "Grünland - Grünzug", in welchem das zitierte Grundstück gelegen sei, mit hinreichender Genauigkeit umschrieben werden. Es handle sich um den im sogenannten Siedlungsgebiet "Traunau" gelegenen "Grünland - Grünzug - Bereich", welcher - deutlich erkennbar im Flächenwidmungsplan - im Osten dort beginne, wo die Bundesstraße B1 (Wienerstraße) den Traunfluß überquert, und nördlich des Überflutungsgebietes der Traun im Westen bis zum Jaukerbach reiche.
Zu den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes meint die Landesregierung, der Ausdruck "Grünland - Grünzug" sei als terminus technicus begrifflich aus sich heraus durchaus verständlich als ein nur mit pflanzlichem Bewuchs bestehender Bereich, welcher dem Sinn der Widmung entsprechend zur Bebauung nicht zugelassen sei. Die bestimmungsgemäße Nutzung eines "Grünland - Grünzuges" bestehe in der Erhaltung einer Zone für den pflanzlichen Bewuchs am Rande oder innerhalb eines Siedlungsgebietes, welche auch Erholungswerte beinhalte.
Die Widmungsform "Grünland - Grünzug" sei wie andere Formen der Grünlandsonderwidmung für jedermann aus sich heraus verständlich und bedürfe zur bestimmungsgemäßen Nutzung keiner weiteren Erläuterung, weil ja gerade mit dieser Sonderwidmungsform innerhalb des städtischen Bereiches eine gänzliche Hintanhaltung der Bebauung erreicht werden solle. Es sei daher klar, daß die Errichtung von Bauten im "Grünland - Grünzug" ausgeschlossen sei. Im übrigen bemerkt die Landesregierung, daß der in der Verwaltungspraxis seit vielen Jahren verwendete Begriff des "Grünzuges" inhaltlich ausreichend bestimmt erscheine.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Es trifft zwar zu, daß der hier bekämpfte Flächenwidmungsplan Parzellennummern und genaue Grundstücksgrenzen nicht erkennen läßt. Auf dem hier in Betracht kommenden Plan ist aber der Verlauf der Wienerstraße (B 1) nicht nur eingezeichnet und die Wienerstraße (B 1) als solche bezeichnet, es sind vielmehr auch die jeweiligen Hausnummern auf dem Plan eingetragen. Es ist also die Liegenschaft Wienerstraße 456 auf dem Plan auffindbar und erkennbar und das - hier maßgebliche - Gebiet als jener "Grünland - Grünzug" gewidmete Bereich planlich abgrenzbar, auf welchem sich die Liegenschaft Wienerstraße 456 befindet (siehe hiezu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 11592/1987, VfGH 26.9.1988 V47/86 und 13.12.1990 V224/90).
Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist daher insoweit - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind - zulässig, im übrigen aber als unzulässig zurückzuweisen (vgl. hiezu die sich auf Flächenwidmungspläne beziehende, ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 8463/1978, 9361/1982 und VfGH 4.10.1988 V13/88).
2. In den Bestimmungen der Absätze 2 bis 4 des §18 OÖ ROG (s. insbesondere die bloß demonstrative Aufzählung möglicher Sonderwidmungen im Grünland in den Abs3 und 4) ist eine Ermächtigung zur Festlegung von solchen Sonderwidmungen im Grünland enthalten, welche dem Verordnungsgeber erforderlich erscheinen. Der Verwaltungsgerichtshof äußert auch keine Bedenken in die Richtung einer allenfalls mangelnden gesetzlichen Deckung für die Widmung "Grünland - Grünzug" im Sinne des zweiten Absatzes des Art18 B-VG. Der Verwaltungsgerichtshof meint vielmehr, der Ausdruck "Grünzug" entbehre der vom ersten Absatz des Art18 B-VG geforderten ausreichenden Bestimmtheit, insbesondere dahingehend, ob eine Bebauung überhaupt und welche Art der Bauführung bei dieser Widmungsart zulässig ist.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß gerade jene Überlegungen, die der Verwaltungsgerichtshof selbst in seinem Antrag in dem mit den Worten "Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht" beginnenden Absatz angestellt hat, zu einer Vereinbarkeit der Verwendung des Begriffes "Grünzug" mit dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG führen. Der dem Sprachgebrauch keineswegs unbekannte Begriff "Grünzug" (s. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1981, S. 328: "Grünfläche (einer Stadt) mit großer Längenausdehnung, Grüngürtel") bedeutet eine im verbauten Gebiet besonders schützenswerte, zusammenhängende Grünfläche größerer Längenausdehnung, welcher vor allem eine umweltschonende Funktion zukommt. Dies ist auch aus der Planzeichenverordnung für Flächenwidmungspläne, LGBl. für Oberösterreich Nr. 34/1974, erkennbar, in welcher (S. 43) die Signatur für Grünzug gemeinsam mit den Signaturen für Straßenbegleitgrün und für Trenngrün angeführt ist. Daraus ergibt sich aber auch die - vom Verwaltungsgerichtshof vor allem vermißte - Bestimmtheit der Norm hinsichtlich von Bauführungen: Da nach dem ersten Satz des §18 Abs5 OÖ ROG im Grünland nur solche Bauten und Anlagen errichtet werden dürfen, die einer bestimmungsgemäßen Nutzung dienen, ist im Bereich der Sonderwidmung "Grünland - Grünzug" (abgesehen von den im zweiten Satz des §18 Abs5 OÖ ROG angeführten Bauten und Anlagen) nur die Errichtung von Bauten und Anlagen zulässig, welche die Funktion der Grünfläche für die Schonung der Umwelt nicht beeinträchtigen.
Da somit die Widmungsart "Grünland - Grünzug" hinreichend determiniert ist, verletzt sie nicht die in Art18 Abs1 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 9121/1981, S. 424f und die dort angeführte Vorjudikatur).
3. Dem Antrag ist daher - soweit er zulässig ist - nicht Folge zu geben.
Die vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil im Verfahren nach Art139 B-VG ein Kostenersatz nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VerfGG).
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsumfang, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Widmungskategorien (Raumordnung), DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:V201.1990Dokumentnummer
JFT_10089699_90V00201_00