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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
ASVG §49 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der W GmbH in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Mai 1990, Zl. SV-1270/3-1990, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4010 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. Jänner 1990 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG für die in der dem Bescheid angeschlossenen Beitragsrechnung namentlich angeführten Versicherten und die dort näher bezeichneten Zeiträume (Jänner 1987 bis Oktober 1989) allgemeine Beiträge und Sonderbeiträge unter Berücksichtigung eines Rückverrechnungsbetrages in der Gesamthöhe von S 140.753,80 zu entrichten. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, daß anläßlich einer Beitragsprüfung festgestellt worden sei, daß (namentlich näher genannte) Versicherte während der in der angeschlossenen Beitragsrechnung angeführten Zeiträume nicht oder unrichtig bzw. mit einem zu geringen Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Nach Punkt 3 der Begründung habe die beschwerdeführende Partei den in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "D 62" bzw. "N 62" angeführten Kraftfahrern Reisekostenentschädigungen ÜBER den nach dem geltenden Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe (im folgenden: Kollektivvertrag) gebührenden Sätzen gewährt und diese zur Gänze beitragsfrei behandelt. Die laut Kollektivvertrag gebührenden Auslagenersätze seien von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ohne jede weitere Prüfung zur Kenntnis genommen worden. Von den die kollektivvertraglichen Sätze übersteigenden, nicht belegten Beträgen seien allgemeine Beiträge nachzuverrechnen gewesen.
Die beschwerdeführende Partei erhob Einspruch, in dem sie lediglich die in Punkt 3 der Bescheidbegründung angeführte Nachverrechnung aus den die kollektivvertraglichen Sätze übersteigenden Beträgen der im Beitragszeitraum 1989 gewährten Reisekostenvergütungen bekämpfte. Sie habe - wie in den vorangegangenen Jahren - auch im Beitragszeitraum 1989 Reisekostenvergütungen, insbesondere Tages- und Nächtigungsgelder, im Ausmaß des § 26 EStG als beitragsfreie Vergütungen ausbezahlt. Dies entspreche einer langjährig gepflogenen Vorgangsweise, von der die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ohne Eintritt einer gesetzlichen Änderung abgegangen sei. Diese Vorgangsweise verstoße gegen Treu und Glauben. Der Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen, die die einzelnen Arbeitnehmer auf ihren Dienstfahrten zu tätigen hätten, sei praktisch kaum zumutbar, weil diese sonst für jeden Verpflegsaufwand Belege nachweisen müßten. Nach den erläuternden Bemerkungen zum Kollektivvertrag sei bei Tages- und Nächtigungsgeldern im Ausland eine Beitragsfreiheit insoweit gegeben, als die aufgrund des Jahresverdienstes anzuwendende Gebührenstufe für Bundesbedienstete nicht überschritten werde. Daraus sei zu schließen, daß Reisekostenvergütungen im Ausmaß der Sätze gemäß § 26 EStG auch als beitragsfrei zu gelten hätten.
Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist legte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 2. April 1990 eine Ergänzung ihres Einspruches vor, in dem sie ersuchte, die für einen Dienstnehmer in der Zeit vom 1. Jänner 1987 bis 31. Oktober 1989 unter dem in der Beitragsnachverrechnung unter dem Begründungssymbol "D 12" bzw. "N 12" angeführten Beiträge ersatzlos aufzuheben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Die Ergänzung des Einspruches vom 2. April 1990 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung sei die Ergänzung des Einspruches nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden, weshalb sie als verspätet zurückzuweisen sei. Der Einspruch selbst richte sich ausdrücklich nur gegen die Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "D 62" bzw. "N 62", wobei beantragt worden sei, die sich aus Punkt 3 der Begründung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ergebende Beitragsnachzahlung für das Kalenderjahr 1989 ersatzlos aufzuheben. Nach einer Empfehlung des Hauptverbandes seien Aufwandersätze bis zu den Beträgen des § 26 EStG bis 31. Dezember 1988 ohne Nachweis als beitragsfrei anerkannt worden. Derartigen Empfehlungen fehle jedoch die normative Kraft, weshalb davon jederzeit abgegangen werden könne. Die nunmehrige Vorgangsweise der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, die Tages- und Nächtigungsgelder, die über den kollektivvertraglichen Sätzen bezahlt würden und nicht belegt werden könnten, der Beitragspflicht zu unterwerfen, sei durch den eindeutigen bis 31. Dezember 1989 geltenden Gesetzestext des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG gedeckt. Dies entspreche auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich lediglich bei Gewährung von Auslagenersätzen im Rahmen der kollektivvertraglichen Sätze eine Prüfung durch den Versicherungsträger erübrige, ob und inwieweit sie den tatsächlichen Aufwendungen entsprächen.
Gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 25. September 1990, B 875/90-4, abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In ihrer auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die beschwerdeführende Partei lediglich den Ausspruch der belangten Behörde, mit dem ihrem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt worden ist. Dabei wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Die mitbteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Partei hat dazu eine Stellungnahme abgegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 49 Abs. 1 ASVG bestimmt:
"§ 49. (1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält."
§ 49 Abs. 3 Z.1 ASVG in der im Beschwerdefall (ab Beginn des Beitragszeitraumes Jänner 1989) anzuwendenden Fassung der 46. ASVG-Novelle BGBl. Nr. 749/1988 hat folgenden Inhalt:
"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:
1. Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeiten an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen u.ä., wenn sie
a)
aufgrund gesetzlicher Vorschriften, von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)- ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
b)
aufgrund von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder
c)
aufgrund von Vereinbarungen, die bei Fehlen von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zwischen einem einzelnen Dienstgeber und allen Dienstnehmern oder Gruppen seiner Dienstnehmer abgeschlossen wurden und deren Höhe - unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 4 zweiter Satz - die Vergütungssätze in Kollektivverträgen für vergleichbare Betriebe nicht überschreitet,
gezahlt werden und nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, LGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen, wobei an die Stelle der im § 26 Z.4 lit. b des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge von S 240,-- bzw. S 300,-- die Beträge von S 340,-- bzw. S 400,-- treten;"
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage strittig, ob die von der beschwerdeführenden Partei im Jahre 1989 ihren Dienstnehmern ÜBER die kollektivvertraglichen Sätze hinaus gewährten Reisekostenentschädigungen (Tages- und Nächtigungsgelder) als beitragsfreie Vergütung im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG anzusehen sind.
Die beschwerdeführende Partei vertritt dabei im wesentlichen die Auffassung, daß "im Ausmaß gemäß § 26 EStG" Beitragsfreiheit bestünde. Da die über den Kollektivvertrag hinausgehenden Differenzbeträge allerdings nicht "aufgrund von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (§ 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz lit. b ASVG) gewährt worden sind, kommt es für die Beitragsfreiheit der strittigen Beträge nach dieser Gesetzesstelle nicht darauf an, ob sie der Einkommensteuer (Lohnsteuer)pflicht nach § 26 EStG 1988 unterlagen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1991, Zl.90/08/0225).
Die beschwerdeführende Partei bringt in diesem Zusammenhang auch vor, mit den im Betrieb tätigen Dienstnehmern bezüglich der Reisekostenentschädigung eine Vereinbarung im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c ASVG getroffen zu haben. Dabei übersieht sie jedoch, daß die Beitragsfreiheit nach der von ihr genannten Bestimmung im Beschwerdefall nicht zur Anwendung gelangen kann, weil das hiefür erforderliche negative Tatbestandsmerkmal, nämlich das "Fehlen von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung", im Hinblick auf den im maßgeblichen Zeitraum anzuwendenden Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe nicht vorlag (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, sowie ferner das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/08/0185).
Anders als die vom zweiten Satz des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG erfaßten Entgeltteile sind jene nach dem ersten Satz der genannten Bestimmung als Auslagenersätze gewidmete nur insoweit beitragsfrei, als mit ihnen TATSÄCHLICHE AUFWENDUNGEN der Dienstnehmer abgegolten wurden (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/08/0185). Für diese Auslegung spricht der insofern eindeutige Wortlaut des Gesetzes, wonach die für den Dienstgeber VERANLAßTEN bzw. TATSÄCHLICHEN Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden sollen. Entsprechende Belege, daß die geleisteten Reisekostenentschädigungen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überstiegen haben, sind von der beschwerdeführenden Partei allerdings nicht vorgelegt worden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die beschwerdeführende Partei schließlich vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides reiche nicht aus, die Berechtigung der geforderten Beitragsnachzahlungen dem Grunde und der Höhe nach nachzuvollziehen. Welche Entschädigungen tatsächlich von der beschwerdeführenden Partei ausbezahlt worden seien bzw. wie sich die einzelnen Nachzahlungsbeträge errechneten, sei weder der Begründung des Bescheides noch der diesem angeschlossenen Beitragsrechnung zu entnehmen. Ferner lägen keine Feststellungen zu der Frage vor, ob die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bis 31. Dezember 1988 geübte Praxis, von welcher im Jahre 1989 abgewichen worden sei, nicht auf einer Feststellung des Hauptverbandes im Sinne des § 49 Abs. 4 ASVG beruhe.
Mit diesem Vorbringen wird die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargelegt. Für den Gerichtshof ist nicht erkennbar, daß den von der Beschwerde behaupteten Begründungsmängeln Wesentlichkeit in dem Sinne zukommt, daß er die beschwerdeführende Partei an einer zweckmäßigen Verfolgung ihrer Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof hindert (vgl. dazu z. B. die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 600 wiedergegebene Rechtsprechung). Nach Lage der Verwaltungsakten wurden der beschwerdeführenden Partei die in der Beitragsnachrechnung enthaltenen Differenzen genauestens erklärt und von dieser vollinhaltlich anerkannt. Für das Vorhandensein einer Feststellung des Hauptverbandes im Sinne des § 49 Abs. 4 ASVG fehlt im Beschwerdefall jeder Anhaltspunkt.
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Entgelt Begriff Anspruchslohn Entgelt Begriff Entschädigung Vergütung KollektivvertragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990080199.X00Im RIS seit
20.11.2000