TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/22 90/06/0067

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Veröffentlicht am 22.09.1993
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82006 Bauordnung Steiermark;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litc impl;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §4;
BauO Stmk 1968 §53 Abs2;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1;
BauO Stmk 1968 Abschn1;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der Gemeinde T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Stmk LReg vom 3. April 1990, Zl. 03-12 Scha 57-90/1, betreffend Behebung eines Baubewilligungsbescheides (mP: 1. P in L; 2. M in L; 3. J in L, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W; 4. H in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Bürgermeister der Gemeinde T hat mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 P und M die Baubewilligung für den Wiederaufbau sowie die teilweise Neugestaltung des durch einen Sturmschaden teilweise zerstörten Wirtschaftsgebäudes auf den Grundstücken Nr. k/m-l/n, KG. L, erteilt. Die Einwendungen der Nachbarn J und H, daß der Baubewilligung keine Widmung zugrunde liege, sowie daß die Abstandsvorschriften nicht eingehalten würden, wurden zurückgewiesen.

2. Die gegen diesen Bescheid von den Nachbarn J und H erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde T vom 23. Mai 1989 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Wiedererrichtung des zerstörten Gebäudes auf den schon bestehenden Grundmauern erfolgte, sodaß eine Widmung nicht erforderlich sei; die Widmung sei auf Grund des weit zurückliegenden Erbauungsdatums des Altbestandes als vorhanden anzusehen; die Wiedererrichtung des Wirtschaftsgebäudes stelle keinen Holzbau im Sinne des § 53 der Steiermärkischen Bauordnung dar, sodaß auch die Abstandsvorschriften eingehalten worden seien; es kämen überdies auch die Ausnahmebestimmungen des § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung zum Tragen.

3. Gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 23. Mai 1989 erhoben J und H Vorstellung. Auf Grund dieser Vorstellung hat die Steiermärkische Landesregierung (belangte Behörde) mit Bescheid vom 3. April 1990 den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde T vom 23. Mai 1989 wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 57 Abs. 1 lit. a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 14/1989, welche gemäß deren Art. II auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden sei, bedürften Neubauten oder Bauten, bei denen nach Abtragung oder Zerstörung eines bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden, einer Bewilligung der Baubehörde. Nach der Aktenlage ergebe sich im Gegenstand, daß es sich bei diesem Stallgebäude um einen solchen Bau handle, bei welchem nach Zerstörung des seinerzeit bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden sollen bzw. wurden. Dies ergebe sich insbesondere aus den Planunterlagen, hier im wesentlichen aus dem Plan "Grundrißuntergeschoß", wo in der planlichen Darstellung der Abbruch sowie die neu zu errichtenden baulichen Anlagen von dem seinerzeitigen Bestand farblich abgehoben worden seien, während in den weiteren Plänen betreffend Obergeschoß und Dachstuhl offensichtlich von einer Neuerrichtung auszugehen sei; die Berufungsbehörde führe schließlich selbst im angefochtenen Bescheid aus, daß die nunmehrige Wiedererrichtung des zerstörten Gebäudes auf den schon bestehenden Grundmauern erfolge. Es sei daher im Sinne der erwähnten Gesetzesbestimmung bei dieser baulichen Anlage insgesamt von einem Bau auszugehen, welcher dem im § 57 Abs. 1 lit. a Steiermärkische Bauordnung verwendeten Begriff "Neubau" zu unterstellen sei. Bei einem Neubau sei jedoch zu prüfen, ob dem § 4 Steiermärkische Bauordnung, welcher die gesetzlichen Abstände regle, entsprochen werde; dies unabhängig vom Abstand des seinerzeitigen Gebäudes von der Nachbargrundgrenze, mag dieser auch durch den seinerzeitig bestehenden Konsens gedeckt gewesen sein; dieser sei jedoch mit der Zerstörung des seinerzeitigen Stallgebäudes untergegangen; somit sei hinsichtlich der Wiedererrichtung bzw. Errichtung dieses Neubaues von neuem zu prüfen, welche Abstände nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates bestehenden Rechtslage einzuhalten seien. Nach § 4 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung müßten Gebäude entweder unmittelbar aneinandergebaut werden oder müßten voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Da im Gegenstand von einer offenen Bebauungsweise auszugehen sei, und sohin die Errichtung der Gebäudefront unmittelbar an der Nachbargrundgrenze ohnehin nicht in Betracht komme, müsse die Gebäudefront des gegenständlichen Wirtschaftsgebäudes von der Nachbargrundgrenze mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschoße vermehrt um zwei ergebe. Nach den Planunterlagen sei das gegenständliche Stallgebäude als zweigeschoßig zu beurteilen, wodurch sich ein von der Nachbargrundgrenze einzuhaltender Abstand von 4 m ergebe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (und nunmehr auch nach dem § 61 Abs. 2 lit. d Steiermärkische Bauordnung) besitze der Nachbar auf die Einhaltung der gesetzlichen Abstände einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch. Dies bedeute ein Mitspracherecht des Nachbarn im Bauverfahren; es erwiesen sich daher die auf die Einhaltung der gesetzlichen Abstände gerichteten Einwendungen der Vorstellungswerber in formaler und in inhaltlicher Hinsicht als zulässig und hätten demnach von der Baubehörde I. Instanz nicht zurückgewiesen werden dürfen.

Hinzu komme - dies ergebe sich aus den Planunterlagen und aus der Beschreibung -, daß die Außenwände des gegenständlichen Stallgebäudes großteils in Holzriegelbauweise ausgeführt seien, weshalb im Rahmen des Verfahrens von einem bautechnischen Sachverständigen geprüft hätte werden müssen - dies sei nicht geschehen -, ob es sich bei der gegenständlichen gemischten Holzbauwerkskonstruktion um einen Holzbau im Sinne des § 53 Abs. 2 handle; bejahendenfalls müßte sogar eine Entfernung von mindestens 5 m von der Nachbargrundgrenze eingehalten werden. Der erstinstanzliche Bescheid spreche zwar von massiver Bauweise und Holzbauweise, ohne daß jedoch begründend dargelegt wäre, ob dieses Objekt dem § 53 zu unterziehen sei oder nicht. Auch die im angefochtenen Bescheid aufgestellte kategorische Behauptung, die Wiedererrichtung dieses Gebäudes stelle keinen Holzbau dar, vermöge eine schlüssige Begründung nach Ansicht der Vorstellungsbehörde nicht zu ersetzen. Sollte trotz der vorhandenen gemischten Holz-Mauerwerkskonstruktion nicht von einem Holzbau im Sinne des § 53 Steiermärkische Bauordnung gesprochen werden können, so bliebe es jedenfalls bei dem einzuhaltenden Abstand von 4 m. Auch könne von der belangten Behörde nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 2 hingewiesen werden, da es sich im Gegenstand evidentermaßen nicht um einen kleineren, ebenerdigen Bau im Sinne dieser Gesetzesbestimmung handle, sondern um einen Neubau, dessen Dimensionierung die Festlegung geringerer Abstände im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. zuließe. Einen weiteren subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch besitze der Nachbar hinsichtlich der Bestimmung über das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung. Im erstinstanzlichen Bescheid werde auf das Ergebnis einer durchgeführten Widmungsverhandlung hingewiesen. Abgesehen davon, daß die Tatsache einer durchgeführten Widmungsverhandlung dem vorgelegten Gemeindeakt nicht zu entnehmen sei, ergebe sich auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides des Gemeinderates, daß eine Widmungsbewilligung für die gegenständlichen Baumaßnahmen offenbar nicht erteilt worden sei. Wenn es auch richtig sei, daß, wie die belangte Behörde zutreffenderweise ausführe, durch die bestehenden Gebäude die zugehörigen Bauflächen (im Sinne der durch das Bauwerk bedeckten Wohnfläche) als gewidmet zu betrachten seien, dies zufolge des Nichtvorliegens eines Bau- oder eines Widmungsbewilligungsbescheides auf Grund des weit zurückliegenden Erbauungsdatums, so übersehe die Berufungsbehörde in der angefochtenen Entscheidung, daß eine Widmungsbewilligung im Gegenstand schon deshalb erforderlich gewesen wäre, weil die dem "konsentierten Altbestand" zugrunde liegende Widmung, die sich lediglich auf die vom Bauwerk bedeckte Grundfläche bezogen habe, nicht auch jene Grundstücksflächen miterfasse, auf welchen Zubaumaßnahmen durchgeführt worden seien, also jene Zubauten, die über die seinerzeitige Objektgröße hinausgingen. Auf diese Grundflächen könne jedenfalls die Rechtsfigur des "konsentierten Altbestandes" nicht angewendet werden, sodaß hiefür jedenfalls schon nach dem Grundsatz des § 2 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung, wonach vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung eine Baubewilligung nicht erteilt werden dürfe, eine Widmungsbewilligung erforderlich gewesen wäre. Abgesehen davon sei jedoch durch die Zerstörung des seinerzeitig bestehenden Objektes der Konsens untergegangen und sei daher, wie mehrfach ausgeführt, bei diesem Objekt von einem Neubau auszugehen. Für einen Neubau sei jedoch gemäß dem § 2 Steiermärkische Bauordnung eine Widmungsbewilligung erforderlich. Diese liege im Gegenstand nicht vor, sondern es sei lediglich eine Baubewilligung erteilt worden, sodaß auch aus diesem Grund Rechte der Vorstellungswerber verletzt worden seien. Im übrigen werde bemerkt, daß von der Ausnahmebestimmung des § 57 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung nur dann Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn sämtliche darin angeführten Tatbestandselemente verwirklicht seien. Da im Gegenstand insgesamt von einem Neubau auszugehen sei, scheitere die Anwendung des § 57 Abs. 2 leg.cit. schon an der Tatsache, daß es sich bei diesem Objekt um keinen kleineren und ebenerdigen Bau von untergeordneter Bedeutung handle, wobei die Anwendung dieser Gesetzesstelle nur dann in Betracht komme, sofern die Nachbarschaft nicht beeinträchtigt werde. Es erübrige sich, auf die Anwendungsmöglichkeit des § 57 Abs. 2 leg.cit. hinsichtlich der vorgenommenen Zubauten einzugehen, da einerseits diese Zubauten, die über die seinerzeitige Objektgröße hinausgingen, in der Qualifikation dieses Baues als Neubau aufgingen und abgesehen davon, auch bei derartig geringfügigen Zu- und Umbauten, würde man sie isoliert betrachten, auch die Tatsache der Nichtbeeinträchtigung der Nachbarschaft außer Zweifel stehen müßte, was eben im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei, da schon bei einer "möglichen" Beeinträchtigung der Nachbarschaft, wie sie durch die Erhebung von darauf sich beziehenden Einwendungen dokumentiert werde, eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht nicht mehr in Betracht komme.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem ihr im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches eingeräumten Recht verletzt, gemäß § 40 Abs. 4 Gemeindeordnung 1967 die Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches, insbesondere der örtlichen Baupolizei in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Gemäß § 94 Abs. 6 Gemeindeordnung 1967 sei die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden. Der Begründung des aufsichtsbehördlichen Aufhebungsbescheides komme somit eine rechtsbindende Wirkung zu, sodaß die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des in Beschwerde gezogenen Bescheides vor allem in dessen Begründung erblickt werde.

Der angefochtene Bescheid enthalte drei Aufhebungsgründe:

a)

Verletzung der Abstandsbestimmungen

b)

Nichtfeststellung, ob ein Holzbau im Sinne des § 53 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 vorliegt

c)

Fehlen der Widmungsbewilligung.

Dazu wird weiter ausgeführt, daß es sich nicht um einen Neubau, sondern lediglich um einen Umbau handle, da aufgehendes Mauerwerk Verwendung finde, also nicht nur Grund- und Kellermauern, wie dies § 57 Abs. 1 lit. a der Steiermärkischen Bauordnung für die Qualifikation als Neubau verlange; die Abstandsregeln des § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 seien daher nicht anzuwenden. Es handle sich nicht um einen Holzbau im Sinne des § 53 der Steiermärkischen Bauordnung. Die Steiermärkische Bauordnung 1968 enthalte eine Umschreibung des Begriffes "Holzbau" nicht; es sei im Zusammenhang mit dem Altbestand der Erdgeschoßmauern insgesamt von einem reinen Holzbau aber nicht auszugehen, sodaß zu dieser Frage die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich sei. Es fehle keineswegs die Widmungsbewilligung. Das Grundstück sei im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch den Altbestand als gewidmet zu betrachten. Durch die teilweise Zerstörung des seinerzeit bestehenden Objektes sei der Konsens nicht untergegangen; für den Umbau, der demselben Verwendungszweck wie bisher diene, sei daher eine Widmungsbewilligung nicht erforderlich. Die lediglich geringfügigen Erweiterungen seien dem § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung zu unterstellen, sodaß auch hiefür eine Widmungsbewilligung nicht erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und dem Land Steiermark den Ersatz der Kosten aufzuerlegen.

              5.              Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die drittmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift vorgelegt, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der hier anzuwendenden Fassung VOR der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 bedarf die Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen oder eine Widmungsänderung der Bewilligung der Baubehörde. Diese Bestimmung findet sich im I. Abschnitt mit dem Titel "Widmung zu Bauplätzen"; der Abschnitt umfaßt § 1 bis § 6a. Im Bereich der Widmung von Bauplätzen - d.h. also bei Anwendung des § 2 - ist also auch § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 über die Abstände anzuwenden. Bedeutsam für den Beschwerdefall ist weiters vor allem aber § 57 Steiermärkische Bauordnung 1968 über die Bewilligungspflicht. Im § 57 Abs. 1 lit. a, b und c leg.cit. sind die Regelungen darüber enthalten, was unter baubewilligungspflichtigen Neubauten, Zubauten bzw. Umbauten zu verstehen ist. Eine Definition dessen, was als Neubau im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a leg.cit. anzusehen ist, ist im Gesetz nicht enthalten; klargestellt ist aber, daß als Neubauten im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a leg. cit. auch Bauten zu verstehen sind, bei denen nach Abtragung oder Zerstörung eines bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden. Von der Baubewilligungspflicht im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft sind gemäß § 57 Abs. 2 leg.cit. aber "die Errichtung, der Umbau und der Abbruch kleinerer, ebenerdiger und unbewohnter Bauten von untergeordneter Bedeutung (§ 53 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 ..) ... sowie geringfügige Zu- und Umbauten bei landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden, sofern die Nachbarschaft nicht beeinträchtigt wird," ausgenommen. Im Beschwerdefall bedeutsam ist schließlich § 53 Steiermärkische Bauordnung 1968 über Holzbauten; § 53 Abs. 2 leg.cit. legt fest, daß Holzbauten grundsätzlich von anderen Bauten mindestens 10 m, von den Grenzen zu Nachbargrundstücken mindestens 5 m entfernt sein müssen.

2.1. Die (in der Beschwerde getrennt behandelte) Frage der allfälligen Verletzung der Abstandsbestimmungen und die Frage des Fehlens der Widmungsbewilligung kann rechtlich gesehen nicht getrennt werden. Schon die systematische Stellung des § 4 leg.cit. über die Abstandsbestimmungen belegt, daß wichtiger Teil des Widmungsverfahrens die Anwendung der Regelungen des § 4 leg.cit. über die Abstandsbestimmungen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. November 1971, Zl. 1857/70, aber klargestellt hat, ist der I. Abschnitt über die Widmung von Bauplätzen, vor allem aber § 4, sowohl auf Neubauten als auch auf Zu- und Umbauten (§ 57 Abs. 1 lit. a, b und c Steiermärkische Bauordnung 1968) anzuwenden. Unbestritten ist, daß es sich im Beschwerdefall jedenfalls um einen Umbau bzw. zum Teil um einen Zubau im Sinne des § 57 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 handelt; insoweit ist daher der Vorstellungsbehörde Recht zu geben, wenn sie die Auffassung vertritt, daß der Bescheid des Gemeinderates deshalb an Rechtswidrigkeit leidet, weil rechtswidrigerweise ein Widmungsverfahren (betreffend den Um- bzw. Zubau) nicht durchgeführt worden ist.

2.2. Die belangte Behörde ist aber nicht im Recht, wenn sie die Auffassung vertritt, daß es sich im Beschwerdefall allein deshalb um einen Neubau im Sinne des Gesetzes handelt, weil gemäß § 57 Abs. 1 lit. a leg.cit. nach Zerstörung des bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wieder verwendet werden. Sowohl aus den der Baubewilligung zugrunde liegenden Plänen als auch aus den im Akt befindlichen Aufnahmen läßt sich unschwer entnehmen, daß nicht nur Grund- und Kellermauern wieder verwendet wurden, sondern auch "aufgehendes Mauerwerk", wie dies die Gemeinde T in ihrer Beschwerde formuliert.

Die belangte Behörde bezieht sich zur Stützung ihrer Auffassung in der Gegenschrift auf die Oberösterreichische Rechtslage: § 41 Abs. 2 lit. c der OÖ Bauordnung verwende nämlich statt der Wortfolge "Grund- und Kellermauern" die Wortfolge "Fundamente oder Kellermauern". Daraus kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Vergleich aber nicht abgeleitet werden, daß der Begriff "Grundmauer" gemäß der Steiermärkischen Bauordnung 1968 auch "aufgehendes Mauerwerk" umfaßt, während der Begriff "Fundament" der OÖ Bauordnung "aufgehendes Mauerwerk" nicht mitumschließt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird mit den beiden Begriffen "Fundament" und "Grundmauer" der gleiche Sachverhalt bezeichnet. Es ist auch für die Steiermärkische Bauordnung 1968 davon auszugehen, daß ein Untergang des Konsenses und damit das Erfordernis einer neuen Widmungsbewilligung dann nicht anzunehmen ist, wenn neben Grund- und Kellermauern (bzw. Fundamenten und Kellermauern) auch raumbildendes Mauerwerk Verwendung findet. Weder den Verwaltungsakten noch auch den im Verwaltungsgerichtshofverfahren vorgelegten Photos läßt sich aber entnehmen, in welchem Umfang dies im Beschwerdefall zutrifft. Eine Klärung dieser Frage ist aber Voraussetzung für die rechtliche Beurteilung, ob ein Neubau oder lediglich ein Umbau im Sinne des Gesetzes vorliegt. Je nach dem ergeben sich dann auch unterschiedliche rechtliche Konsequenzen; liegt lediglich ein Umbau (bzw. Zubau) vor, ist dem Grunde nach der alte Baukonsens aufrechtgeblieben, sodaß z.B. dann auch in diesem Ausmaß die Abstandsbestimmungen gemäß § 4 leg.cit. im Widmungsverfahren gemäß § 2 leg.cit. grundsätzlich ohne Relevanz sind. In diesem Sinne ist also der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig.

2.3. Den im Verwaltungsakt enthaltenen Plänen läßt sich entnehmen, daß dem "Altbestand" jedenfalls eine (neue) Milchkammer angebaut werden soll und die Scheune vergrößert wird. Darauf bezieht sich offenbar das Beschwerdevorbringen, wenn es darauf verweist, daß neben dem Umbau auch geringfügige Erweiterungen Teil des Bauvorhabens sind, die gemäß § 57 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 einer Bewilligung nicht bedürfen.

Die Frage, ob es sich dabei um einen vom Bauvorhaben als Zubau trennbaren Teil bzw. um einen in diesem Sinn nicht der Bewilligungspflicht unterliegenden kleineren, ebenerdigen und unbewohnten Bau von untergeordneter Bedeutung im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 handelt, läßt sich auf Grund der Aktenlage nicht beantworten. Auch hier wird durch entsprechende Ermittlungen festzustellen sein, ob diese Voraussetzungen vorliegen; entsprechende Sachverhaltsfeststellungen fehlen aber auch im Hinblick auf die zweite Voraussetzung für das Fehlen der Bewilligungspflicht im Sinne des § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, nämlich darüber, ob die Nachbarschaft beeinträchtigt werden kann oder nicht. Auch in dieser Richtung ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig.

3. Strittig ist die Frage, ob es sich beim Bauvorhaben um einen "reinen Holzbau" handelt. Hier ist freilich die Beschwerdeführerin im Unrecht, wenn sie die Auffassung vertritt, daß nur bei "reinen" Holzbauten die Bestimmung des § 53 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 mit ihren speziellen Abstandsvorschriften zur Anwendung kommt. § 53 Abs. 3 leg.cit. geht offensichtlich davon aus, daß auch Bauten miterfaßt sind, die teilweise aus Holz bestehen ("Wohnhäuser, die nur teilweise aus Holz bestehen, dürfen insgesamt nicht mehr als drei Geschoße haben, wovon nur zwei aus Holz hergestellt werden dürfen"). Insoweit ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie die Auffassung vertritt, daß die Frage der Qualität eines Holzbaues durch ein Sachverständigengutachten zu klären gewesen wäre. Rechtlich gesehen wird man auch dann noch von einem Holzbau im Sinne des § 53 leg.cit. zu reden haben, wenn die Verwendung von Holz deutlich überwiegt, sind doch erst dann die besonderen Gefahren im Brandfall anzunehmen, deren Bewältigung gemäß § 53 leg.cit. in besonderer Weise dient.

4. Da die belangte Behörde von einer den Gemeinderat bindenden falschen Rechtsansicht über das Vorliegen eines Neubaues im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ausgegangen ist und im übrigen die Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens des Gemeinderates der Gemeinde T in wesentlichen Punkten nicht erkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990060067.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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