TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/23 93/09/0388

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.1993
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

ASVG §4 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §16 Abs2;
BEinstG §4 Abs1 lita;
BEinstG §4 Abs2;
BEinstG §4 Abs3;
BEinstG §9 Abs1;
BEinstG §9;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der B KG in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Dezember 1992, Zl. MA 14 - BEG 94/92, betreffend Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für das Kalenderjahr 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die beschwerdeführende Partei betreibt ein Glas- und Gebäudereinigungsunternehmen. Sie beschäftigt nach ihren Angaben rund 400 Mitarbeiter, davon lediglich sieben Angestellte im Innendienst (Sekretariats- und Büroarbeit).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 1992 bestätigte der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Oktober 1992, mit dem der beschwerdeführenden Partei für das Jahr 1991 eine Ausgleichstaxe in der Höhe von S 183.600,-- vorgeschrieben worden war.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der sie im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung geltend machte, im Beschwerdefall sei davon auszugehen, daß eine Einstellungspflicht für Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer beschäftigten, gegeben sei (§ 1 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes = BEinstG). Rund zwei Drittel der Arbeitskräfte im Betrieb der beschwerdeführenden Partei seien lediglich teilzeitbeschäftigt, rund ein Drittel gehe einer Ganztagsbeschäftigung nach. § 1 Abs. 2 BEinstG (Ermächtigung, die Pflichtzahl durch Verordnung in beide Richtungen abzuändern) gebe keine objektiv und sachlich gerechtfertigten Kriterien vor. Der Gesetzgeber hätte Vorsorge treffen müssen, bei Festsetzung der Pflichtzahl einen gesonderten Berechnungsschlüssel zwischen ganztags- und teilzeitbeschäftigten Personen zu unterscheiden. Außerdem sei für eine sachlich gerechtfertigte Lösung maßgebend, inwieweit auf Grund der gegebenen Arbeitsmarktsituation für die jeweilige Branche überhaupt die Einstellung behinderter Personen im Sinne des § 2 BEinstG möglich sei.

Mit Beschluß vom 15. Juni 1993, B 362/93, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit folgender Begründung ab: Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Fragen der Invalideneinstellung und zur Zulässigkeit der Durchschnittsbetrachtung (VfSlg. 11034/1986, VfSlg. 8457/1978, 11048/1986, 11469/1987) lasse das Beschwerdevorbringen angesichts des unterschiedlichen Ausmaßes möglicher Teilzeitbeschäftigung und des Umstandes, daß die Häufigkeit der Teilzeitbeschäftigung weniger von der Art des Unternehmens als von der Disposition des Arbeitgebers abhänge, die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verfassungsgerichtshof trat jedoch antragsgemäß die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0274 = N.F. Nr. 12643/A (vgl. auch das Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0221) ausgesprochen hat, besteht die Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichstaxe nicht kraft Gesetzes; es bedarf vielmehr der behördlichen Vorschreibung, die jährlich im nachhinein zu erfolgen hat. Die Behörde hat im Vorschreibungsverfahren zu prüfen, ob im abgelaufenen Kalenderjahr ein Ausgleichstaxenanspruch entstanden ist und in welcher Höhe. Dies hat auf Grund der in diesem Zeitraum geltenden Rechtsvorschriften zu geschehen.

Im Beschwerdefall wurde der beschwerdeführenden Partei eine Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 1991 vorgeschrieben. Es ist daher die in diesem Zeitraum geltende Rechtslage maßgebend (Grundsatz der Zeitbezogenheit).

Nach § 1 Abs. 1 erster Satz BEinstG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) sind alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen.

§ 4 Abs. 1 BEinstG umschreibt abschließend die Dienstnehmer. Demnach sind Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes unter anderem Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (einschließlich Lehrlinge) (lit. a). Gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. sind für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber innerhalb eines Bundeslandes beschäftigt, zusammenzufassen. Beschäftigt ein Dienstgeber in mehreren Ländern Dienstnehmer und liegt die Zahl, der in einem Land Beschäftigten unter 25, so sind diese Dienstnehmer jeweils der Zahl der Dienstnehmer zuzuzählen, die am Sitz des Unternehmens beschäftigt werden.

Nach § 4 Abs. 3 BEinstG sind für die Berechnung der Pflichtzahl von der gemäß Abs. 3 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer 10 v.H., wenn mehr als die Hälfte der Beschäftigten weibliche Dienstnehmer sind, 20 v.H. sowie die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG ist vom Landesinvalidenamt die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheid vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung einer Ausgleichstaxe verletzt. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht sie im wesentlichen geltend, die Behörde hätte bei Berechnung der Ausgleichstaxe berücksichtigen müssen, daß ein Großteil der in ihrem Betrieb tätigen Personen lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe. Das BEinstG differenziere zwar nicht zwischen Ganz- und Halbtagsbeschäftigten, schließe jedoch umgekehrt eine Berücksichtigung dieses Umstandes bei Berechnung der Ausgleichstaxe nicht aus. Außerdem hätte die belangte Behörde prüfen müssen, inwieweit der beschwerdeführenden Partei die Beschäftigung behinderter Personen im Sinne des § 2 leg. cit. überhaupt zumutbar und möglich sei. Wenngleich das BEinstG nicht ausdrücklich die Frage der Vermittlungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Vorschreibung einer Ausgleichstaxe regle, ergebe sich aus dem Charakter dieser Vorschreibung ein Bedarf zur ergänzenden Gesetzesauslegung im obigen Sinn.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Wie § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG zu entnehmen ist, stellt das Behinderteneinstellungsgesetz so wie das ASVG (vgl. § 4 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955), dem diese Bestimmung nachgebildet ist, auf das Vorliegen einer Beschäftigung im Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt ab. Daß durch eine Beschäftigung nur ein geringer Teil der einer Person zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch genommen wird, schließt die persönliche Abhängigkeit und damit die Dienstnehmereigenschaft nicht von vornherein aus (vgl. das zu § 4 Abs. 1 ASVG ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Zl. 81/08/0061, Slg. 11361/A).

Weder § 4 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes noch eine sonstige Bestimmung für die Berechnung der Pflichtzahl sieht eine Differenzierung zwischen voll- und teilzeitbeschäftigten Personen vor, sodaß das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei auf diesen Umstand bei der Berechnung der Ausgleichstaxe abzustellen, auf Grund der eindeutigen Gesetzeslage nicht zutreffe.

Dem entgegen war nach der Regelung im Stammgesetz (vgl. insbesondere § 4 Abs. 1 lit. e, BGBl. Nr. 22/1970) bei der Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen war, Dienstnehmer, die nur vorübergehend und nicht vollbeschäftigt waren, nicht einzurechnen. Diese Regelung wurde im Hinblick auf den mit der Administration verbundenen großen Verwaltungsaufwand mit der Novelle BGBl. Nr. 96/1975 derart vereinfacht, daß vor der Feststellung der Zahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, von der Gesamtzahl der Dienstnehmer ein bestimmter Prozentsatz in Abzug zu bringen ist. Die hiefür festgelegten Prozentsätze (vgl. § 4 Abs. 3 BEinstG i.d.g.F.) wurden nach statistischen Durchschnittswerten bestimmt. Ausgehend von der dem Wesen des Behinderteneinstellungsgesetzes entsprechenden grundsätzlichen pauschalen Betrachtungsweise sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Ansatzpunkt dafür, daß die der seinerzeitigen Festsetzung zugrundegelegten Werte in relevanter Weise nicht mehr den tatsächlich gegebenen Verhältnissen im allgemeinen entsprechen (so schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991, Zl. 91/09/0025).

Was den weiteren Einwand der beschwerdeführenden Partei betrifft, so sieht das BEinstG - wie sie zutreffend in ihrer Beschwerde ausgeführt hat - bei der Vorschreibung der Ausgleichstaxe nach § 9 Abs. 1 leg. cit. keine Bedachtnahme auf die Vermittlungsfähigkeit begünstigter Behinderter vor. Aus welchen Gründen es zur Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht gekommen ist, ist nach dem BEinstG für die Pflicht zur Leistung der Ausgleichstaxe ohne Bedeutung. Gegen eine solche Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. insbesondere VfSlg. 9705/1983 und VfSlg. 11034/1986). Es erweist sich daher auch der zweite Einwand der beschwerdeführenden Partei als unbegründet.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, konnte die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090388.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten