Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. März 1993, Zl. UVS-07/16/00146/93, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975 (weitere Partei: Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk, vom 11. März 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer namentlich angeführten GesmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 8. März 1990 bis 5. April 1990 das Produkt "Reduzym 3" in ihrem Betrieb in Wien, S-Gasse, auf Lager bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht habe, welches falsch bezeichnet gewesen sei, weil es - im Straferkenntnis näher angeführte - zur Irreführung geeignete und verbotene gesundheitsbezogene Angaben aufgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. c und § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) verletzt. Es wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt.
Der Beschwerdeführer berief.
Die belangte Behörde bestätigte mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Abänderung, daß der Beschwerdeführer die Übertretung als Geschäftsführer der GesmbH zu verantworten habe, daß das beanstandete Produkt "Verzehrprodukt Reduzym 3" heiße und daß § 74 Abs. 1 LMG auch in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. und § 9 Abs. 1 VStG verletzt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer bringt vor, das erstinstanzliche Straferkenntnis habe nicht dem § 44a Z. 1 VStG entsprochen. Es habe nicht erkennen lassen, welche den Bestimmungen des LMG unterliegende Produkte entgegen den gesetzlichen Vorschriften in Verkehr gebracht worden seien. Im Spruch des Straferkenntnisses sei lediglich "das Produkt" Reduzym 3 angeführt worden. Es sei aber nicht erkennbar gewesen, ob es sich bei dem "Produkt" um ein Lebensmittel, ein Verzehrprodukt, einen Zusatzstoff oder um ein sonstiges, dem LMG unterliegendes Produkt handle. Weiters habe der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Bestimmung des § 44a Z. 1 VStG deswegen nicht Rechnung getragen, weil die Worte "zur Vertretung nach außen Berufener" die Funktion des Beschwerdeführers in der GesmbH nicht erkennen ließen. Die belangte Behörde habe zwar im angefochtenen Bescheid die gebotene Konkretisierung vorgenommen, dies jedoch erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist. Das Produkt Reduzym 3 sei auch nie als "Verzehrprodukt Reduzym 3" in Verkehr gebracht worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 74 Abs. 1 LMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.
Nach § 8 lit. f LMG sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9 LMG) in Verkehr gebracht werden.
Nach § 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.
Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was gegen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beurteilung des in Rede stehenden Produktes als falsch bezeichnet sprechen würde. Er meint aber, es liege Verfolgungsverjährung vor.
Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.
Die Verfolgungsverjährungsfrist beträgt nach § 74 Abs. 6 LMG ein Jahr.
Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, daß sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1984, Slg. N. F. Nr. 11.525/A, u.a.).
Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hat dem Beschwerdeführer gegenüber eine mit 5. März 1991 datierte, am 6. März 1991 - also jedenfalls innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist - zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung erlassen, welche die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in derselben Weise umschrieb wie das nachfolgende Straferkenntnis. Diese Aufforderung stellt eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung dar, da sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Unter dem Gesichtspunkt einer tauglichen, die Verfolgungsverjährung ausschließenden Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG war es im Beschwerdefall nicht geboten, bereits in diesem Verfahrensstadium eine Festlegung dahin zu treffen, welcher der Kategorien des § 9 Abs. 1 LMG (Lebensmittel, Verzehrprodukt oder Zusatzstoff) das in Rede stehende Produkt Reduzym 3 zuzuordnen war, handelt es sich doch hiebei nicht um die Anführung eines die vorgeworfene Tat betreffenden Sachverhaltselementes, sondern um eine rechtliche Qualifikation (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0533, und die dort angeführte Vorjudikatur). Der Beschwerdeführer war durch diese Vorgangsweise auch nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Daß dieses Produkt - es handelt sich um Kaudrops, die aus Sojakleie, Ananas-, Papaya-, Mangokonzetrat, Fructose, Zitronensäure und Magnesiumstearat bestehen - jedenfalls einer der Kategorien des § 9 LMG zuzuordnen ist, ist eindeutig. Das Verbot der Falschbezeichnung gilt für Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in gleicher Weise, ohne daß das Gesetz zwischen den einzelnen Begriffen differenziert. Für die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers war es daher ohne Belang, ob das Produkt Reduzym 3 als Lebensmittel, Verzehrprodukt oder als Zusatzstoff eingestuft wurde. Es ist auch nicht erforderlich, daß in der Verfolgungshandlung das einem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten mit den Worten des gesetzlichen Tatbestandes umschrieben wird (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 888, unter Nr. 22 angeführte Judikatur).
Ob der Beschuldigte die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu verantworten hat, ist nicht Sachverhaltselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluß ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. N. F. Nr. 12.375/A, u.a.). Es ist daher ohne Einfluß auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung, wenn die erforderliche Konkretisierung der Befugnis des Beschwerdeführers zur Vertretung nach außen im Sinne des § 9 VStG erst im angefochtenen Bescheid vorgenommen wurde.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993100087.X00Im RIS seit
20.11.2000