TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/23 93/10/0005

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Veröffentlicht am 23.09.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
70/05 Schulpflicht;

Norm

SchPflG 1985 §24;
VStG §6;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/10/0152

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden des HL in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten 1. (zu Zl. 93/10/0005) vom 17. Juni 1992, Zl. KUVS-193/9/1991 und 2. (zu Zl. 93/10/0152) vom 20. April 1993, Zl. KUVS-1365-1366/3/92, beide betreffend Übertretung des Schulpflichtgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 6.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Vater der mj. Schulpflichtigen

1. L (geb. 1978) und 2. M. L. (geb. 1977) unterlassen, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch der beiden Kinder zu sorgen, da beide Kinder in der Zeit vom 18. April bis 5. Juli 1991, und zwar im Monat April 1991 an insgesamt 11 Tagen 59 Unterrichtsstunden, im Monat Mai 1991 an 20 Tagen 101 Unterrichtsstunden, im Monat Juni 1991 an 24 Tagen 126 Unterrichtsstunden und im Monat Juli 1991 an 5 Tagen 23 Unterrichtsstunden den Unterricht an der Hauptschule F., Klasse 2 A, ungerechtfertigt versäumt hätten, obwohl mit Bescheid des Bezirksschulrates vom 15. April 1991 verfügt worden sei, daß die beiden genannten Kinder ab sofort ihre Schulpflicht im Sinne des § 5 des Schulpflichtgesetzes (Besuch einer allgemeinbildenden Pflichtschule - vorliegend Hauptschule F., Klasse 2 A) zu erfüllen hätten, da sowohl der Nachweis über den zureichenden Erfolg eines zur Kenntnis genommenen häuslichen Unterrichtes nicht erbracht worden sei als auch davon habe ausgegangen werden müssen, daß die geforderte Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes mit dem Pflichtschulunterricht nicht gegeben sei. Aus diesem Grunde sei auch die Zustimmung zum häuslichen Unterricht zurückgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe dadurch Übertretungen nach § 24 Abs. 4 iVm. § 24 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 76/1985 (SchPfG) begangen. Über ihn wurden zwei Strafen in Höhe von je

S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 7 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 16. Dezember 1992, B 1879/92-3, ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als Vater seiner Verpflichtung, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere den regelmäßigen Schulbesuch durch die Schülerinnen 1. L und 2. M L. zu sorgen, nicht nachgekommen, da die beiden Schülerinnen im Schuljahr 1991/92 im September an 19 Tagen

(93 Unterrichtsstunden), im Oktober an 25 Tagen

(131 Unterrichtsstunden), im November an 24 Tagen

(122 Unterrichtsstunden), im Dezember an 17 Tagen

(89 Unterrichtsstunden), im Jänner an 22 Tagen

(108 Unterrichtsstunden), im Februar an 19 Tagen

(102 Unterrichtsstunden), im März an 25 Tagen

(137 Unterrichtsstunden), im April an 17 Tagen

(94 Unterrichtsstunden), im Mai an 21 Tagen

(109 Unterrichtsstunden), im Juni an 22 Tagen

(132 Unterrichtsstunden) und im Juli an 9 Tagen

(43 Unterrichtsstunden) den Unterricht an der 1 B-Klasse der Hauptschule F. ungerechtfertigt versäumt hätten, obwohl die beiden Minderjährigen laut Bescheid des Bezirksschulrates vom 15. April 1991 sowie des Landesschulrates für Kärnten vom 26. Mai 1992 verpflichtet seien, ihrer Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG nachzukommen und nicht berechtigt seien, im Schuljahr 1991/92 am häuslichen Unterricht teilzunehmen. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 4 iVm. § 24 Abs. 1 SchPflG begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen zu je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 9 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer ebenfalls zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 23. Juni 1993, Zl. B 1084/93-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

III

Die belangte Behörde hat in beiden Fällen die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

IV

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat über sie erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in beiden Fällen im wesentlichen gleichlautend vor, er habe schon im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens vorgebracht, nicht die Eltern hinderten die Kinder am Schulbesuch, sondern die Kinder lehnten auf Grund ihrer eigenen religiösen und sittlichen Überzeugung die Pflichtschulen ab der 1. Hauptschulklasse aus ihrem tiefsten Inneren ab, weil sie an diesen Schulen auf Grund der vorhandenen Schulsexualerziehung und der vorhandenen sexuellen Freiheiten ihr eigenes sittliches und psychisches Wohl für gefährdet erachteten. Die belangte Behörde habe die Weigerung der beiden mj. Kinder L und M dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht, weil er nicht alle Anstrengungen unternommen habe, die Kinder zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. Nach Ansicht des Beschwerdeführers könne der Staat nicht in das Elternrecht eingreifen und den Vater verpflichten, gegen seine eigene moralische und sittliche Weltanschauung seine Kinder zu erziehen, sodaß diese geneigt seien, von sich aus die Schule zu besuchen. Aus dem angefochtenen Bescheid sei eindeutig zu erkennen, daß der Beschwerdeführer sich sehr bemüht habe, durch Hausunterricht der Schulpflicht zu entsprechen, doch sei ihm dies auf Grund der großen Anzahl der Kinder und mangelnden Platzes nicht vollständig gelungen. Der Beschwerdeführer werde durch die Entscheidungen der Schulbehörden in einen Gewissensnotstand versetzt, weil er die Kinder entgegen seinem persönlichen Glauben und und seinem Gewissen anhalten hätte müssen, die Schulsexualerziehung in den öffentlichen Pflichtschulen über seine Kinder ergehen zu lassen. Der Beschwerdeführer werde in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit und insbesondere auch im Elternrecht nach Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolles zur MRK verletzt.

Nach § 24 Abs. 1 SchPflG sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten.

Nach § 24 Abs. 4 leg. cit. stellt die Nichterfüllung der im Abs. 1 angeführten Pflichten eine Verwaltungsübertretung dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis 3.000,-- S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er werde durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie in seinem Elternrecht nach Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolles zur MRK verletzt, ist ihm zu erwidern, daß es sich hiebei um verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte handelt, über deren Verletzung zu erkennen nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der Verfassungsgerichtshof nach Artikel 144 Abs. 1 B-VG berufen ist.

Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe seine schulpflichtigen Töchter nicht am Schulbesuch gehindert, sondern diese hätten den Schulbesuch auf Grund eigener Anschauungen und Überzeugungen abgelehnt, geht am Tatbestand des § 24 Abs. 1 SchPflG vorbei, da dieser dem Erziehungsberechtigten nicht (nur) verbietet, Schulpflichtige am Unterrichtsbesuch zu hindern, sondern ihm vielmehr die Verpflichtung auferlegt, für die Erfüllung der Schulpflicht zu sorgen. Daß der Beschwerdeführer dies nicht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln getan hat, räumt er in der Beschwerde selbst ein. Er meint aber, er sei durch einen Notstand entschuldigt gewesen.

Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Als Merkmal des Notstandes hat eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen zu gelten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 736f angeführte Judikatur). Ein Notstand in diesem Sinn liegt aber im Beschwerdefall nicht vor. Auch andere Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgründe kommen nicht in Betracht.

Aus den dargelegten Erwägungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100005.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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