TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/28 93/11/0078

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Veröffentlicht am 28.09.1993
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §30 Abs1 idF 1988/455;
KDV 1967 §31a Abs2 idF 1987/362;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 lita;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in Z, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. März 1993, Zl. 11-39 Gu 9-1991, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer laut Anzeige des Gendarmeriepostens Knittelfeld vom 13. Februar 1991 bei insgesamt acht Übertretungen der StVO 1960 betreten; dabei handelte es sich um fünf Geschwindigkeitsüberschreitungen und je eine Übertretung nach § 7 Abs. 1 (Mißachtung des Rechtsfahrgebotes), nach § 26 Abs. 5 (Behinderung eines Einsatzfahrzeuges) und nach § 60 Abs. 3 (Nichtbeleuchtung des Fahrzeuges bei Dunkelheit). Der Beschwerdeführer verantwortete sich u.a. damit, daß er - mit Erfolg - versucht habe, sein Fahrzeug auf der schneeglatten Fahrbahn ins Schleudern zu bringen. Er habe sich eine "Gaude" machen wollen.

Wegen dieses Vorfalls wurde ein Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers eingeleitet und der Amtsarzt der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Judenburg, um Erstellung eines Gutachtens betreffend die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B, C, F und G ersucht. Nach einer auf Grund eines Aufforderungsbescheides vom 25. März 1991 durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung vom 9. April 1991 erklärte der Amtsarzt, das Gutachten erst nach Vorlage eines "Internisten-Befundes" und eines "Gutachtens einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle" erstellen zu können. Nachdem der Beschwerdeführer einer formlosen Aufforderung zur Beibringung dieser Befunde nicht entsprochen hat, erging ein mit 19. September 1991 datierter Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert wurde, diese Befunde binnen sechs Wochen von der Zustellung des Bescheides an beizubringen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Am 18. Februar 1992 wurde der Beschwerdeführer über Auftrag der belangten Behörde vom Amtsarzt der Erstbehörde neuerlich untersucht. Der Amtsarzt bezog sich in seinem Bericht über diese Untersuchung vom 15. Juni 1992 () auf den Vorfall vom 9. Februar 1991 und führte aus, daß sich "aus einem derart rücksichtslosen und unverantwortlichen Verhalten im Straßenverkehr ... Zweifel an der Verkehrszuverlässigkeit und der Bereitschaft des Untersuchten, sein Fahrverhalten im Hinblick auf eine den Grundanforderungen des Straßenverkehrs, nämlich Sicherheit anzupassen" ergeben. Auch bei der amtsärztlichen Untersuchung habe der Beschwerdeführer "ein sehr uneinsichtiges Verhalten" gezeigt; er habe sich z.B. geweigert, "ein Anamneseblatt auszufüllen, mit dem Hinweis darauf, das habe er bereits anläßlich der letzten Untersuchung gemacht". Da sich aus dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers Zweifel an seiner Verkehrszuverlässigkeit ergeben, sei "aus aä. Sicht unbedingt eine verkehrspsycholog. Untersuchung erforderlich".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufforderungsbescheid abgewiesen und dieser Bescheid "mit der Maßgabe geändert, daß die von der Bezirkshauptmannschaft Judenburg geforderte Vorlage von 2 Untersuchungsbefunden binnen sechs Wochen, gerechnet vom Tage der Zustellung des Berufungsbescheides an, vorzulegen sind".

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ein neuerliches ärztliches Gutachten einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, u.a. zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderliche Befunde zu erbringen, keine Folge, so ist ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach dieser Bestimmung ist ein anhängiges Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung, was wiederum voraussetzt, daß begründete Bedenken in der Richtung bestehen, die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkerberechtigung würden nicht mehr gegeben sein (§ 75 Abs. 1 KFG 1967). Im gegenständlichen Zusammenhang kommen die Voraussetzungen der geistigen und körperlichen Eignung der betreffenden Person (sowie deren fachliche Befähigung) in Betracht. Der vermutete Mangel der Verkehrszuverlässigkeit kann hingegen nicht ein Grund für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides sein, weil diese Beurteilung keine Sachverständigenfrage berührt, sondern von der Behörde selbst als Rechtsfrage zu lösen ist.

Dies hat die belangte Behörde - zum Unterschied vom Amtsarzt der Erstbehörde und auch zum Unterschied vom Beschwerdeführer - richtig erkannt.

Der Amtsarzt hat aber nach seiner zweiten Untersuchung des Beschwerdeführers auch davon berichtet, daß Zweifel an der Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsangepaßtheit (§ 30 Abs. 1 letzter Satz und § 31a KDV 1967) bestünden. Er bezog sich dabei - neben dem Verhalten des Beschwerdeführers im Straßenverkehr am 9. Februar 1991 - auch auf das "uneinsichtige Verhalten" des Beschwerdeführers bei der Untersuchung, welches in der Weigerung des Beschwerdeführers gesehen wurde, ein Formblatt betreffend das Vorliegen bestimmter gesundheitlicher Beeinträchtigungen auszufüllen. Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist ein Kriterium der geistigen Eignung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0143). Zu ihrer Beurteilung kann ein verkehrspsychologischer Befund nützlich und erforderlich sein. Die Weigerung, ein Formblatt auszufüllen, weil dies der Beschwerdeführer bereits bei einer früheren Untersuchung gemacht habe, läßt aber keine Schlüsse auf die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu. Aus Abs. 2 des § 31a KDV 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 362/1987, der beispielhaft Umstände aufzählt, aus denen u.a. der Verdacht des Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung geschlossen werden kann, ergibt sich, daß davon keine Rede sein kann; die dort genannten Umstände (Verursachung von Verkehrsunfällen, Begehung von Verkehrsverstößen) gehen in eine völlig andere Richtung.

Das Verhalten des Beschwerdeführers im Straßenverkehr vom 9. Februar 1991 lag aber bei Erlassung des angefochtenen Bescheides schon über zwei Jahre zurück, ohne daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage abermals eine Verhaltensweise an den Tag gelegt hätte, die den Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu begründen vermochten. Die belangte Behörde hatte die Frage, ob begründete Bedenken in dieser Richtung in Ansehung des Beschwerdeführers bestehen, nach der Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zu beurteilen. Daß der Beschwerdeführer vor mehr als zwei Jahren ein Verhalten gesetzt hat, das damals Bedenken in dieser Richtung zu begründen geeignet war, sich aber in der Folgezeit nicht mehr auffällig verhalten hat, ist nach Verstreichen dieser Zeit keine geeignete Grundlage für gleichartige Bedenken mehr.

Was den geforderten "Internisten-Befund" anlangt, der seinem Inhalt nach lediglich zur Beurteilung der körperlichen Eignung des Beschwerdeführers herangezogen werden könnte, fehlt im vorgelegten Verwaltungsakt überhaupt jeder Anhaltspunkt dafür, diese Eignungsvoraussetzung sei beim Beschwerdeführer nicht mehr gegeben.

Der belangten Behörde lagen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides somit keine Umstände vor, die es gerechtfertigt hätten, vom Beschwerdeführer die Beibringung der beiden in Rede stehenden Befunde unter der Sanktion des zweiten Satzes des § 75 Abs. 2 KFG zu verlangen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110078.X00

Im RIS seit

09.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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