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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 8. April 1992, Zl. 56.031/20-17/92, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Rahmen der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer studiert seit dem Wintersemester 1990/91 an der Technischen Universität Wien die Studienrichtung Elektrotechnik. Am 9. Oktober 1991 beantragte er die Gewährung von Studienbeihilfe. Als Nachweis der sozialen Bedürftigkeit legte er Bestätigungen vor, daß sein Vater im Jahre 1990 eine Notstandshilfe im Gesamtausmaß von S 126.107,-- bezogen habe und auf Grund der Körperbehinderung einen jährlichen Steuerfreibetrag in der Höhe von S 11.724,-- in Anspruch nehmen könne.
Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 29. Oktober 1991 wurde dem Beschwerdeführer eine Studienbeihilfe von S 31.300,-- für das Studienjahr 1991/92 zuerkannt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 16. November 1991 Vorstellung an die Studienbeihilfenbehörde. Da der Senat der Studienbeihilfenbehörde über diese Vorstellung nicht entschied, brachte der Beschwerdeführer am 4. März 1992 bei der Behörde erster Instanz eine "Säumnisbeschwerde" ein, die von dieser als Devolutionsantrag gewertet und an die belangte Behörde weitergeleitet wurde, wo der Antrag am 25. März 1992 einlangte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß §§ 3, 4 und 5 des Studienförderungsgesetzes 1983 (StudFG), BGBl. Nr. 436, in der Fassung BGBl. Nr. 370/1991, in Verbindung mit § 73 AVG ab. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe einzelner der angewendeten Bestimmungen und des Verfahrensganges ausgeführt, der Beschwerdeführer bringe vor, daß bei der Berechnung der Studienbeihilfe zu Unrecht ein seinem Vater zustehender Freibetrag wegen außerordentlicher Belastungen nicht berücksichtigt worden sei, sodaß eine zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern von S 2.221,-- von der Höchststudienbeihilfe abgezogen worden sei. Dazu stellte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung fest, der Vater des Beschwerdeführers habe in dem maßgeblichen Zeitraum, der für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit herangezogen worden sei, ausschließlich Leistungen der Notstandshilfe erhalten, weshalb kein Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG 1988 vorgelegen sei, das die Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Freibetrages darstelle. Für das Einkommen im Sinne des Studienförderungsgesetzes sei lediglich der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 5 lit. a StudFG (Notstandshilfe) heranzuziehen. Außergewöhnliche Belastungen könnten für die Beurteilung des Einkommens im Sinne des Studienförderungsgesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als sie einen Niederschlag bei der Feststellung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 fänden. Da ein solches Einkommen beim Vater des Beschwerdeführers jedoch nicht vorgelegen und der Vater des Beschwerdeführers nicht steuerpflichtig gewesen sei, hätten die außergewöhnlichen Belastungen bei der Berechnung der Studienbeihilfe nicht berücksichtigt werden können. Die Berechnung der Studienbeihilfe sei in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1983 erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Höhe der Studienbeihilfe des Beschwerdeführers strittig, die im § 13 Abs. 1 des Studienförderungsgesetzes 1983 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 304/1989 wie folgt lautete:
"(1) Bei Festsetzung der Höhe der Studienbeihilfe ist bei unverheirateten Studierenden von einem jährlichen Grundbetrag von 33.500 S, bei verheirateten Studierenden und bei unverheirateten Studierenden, denen die Pflege und Erziehung mindestens eines Kindes zukommt, von einem jährlichen Grundbetrag von S 40.500,-- auszugehen."
Der gemäß Abs. 1 bis 3 zustehende Grundbetrag vermindert sich gemäß Abs. 6 lit. b leg. cit. durch die gemäß Abs. 7 zu errechnende zumutbare Unterhaltsleistung der leiblichen Eltern (Wahleltern), sofern sich der Studierende vor Aufnahme des Studiums nicht durch vier Jahre zur Gänze selbst erhalten hat. Nach Abs. 7 lit. a leg. cit. beträgt die zumutbare Unterhaltsleistung der leiblichen Eltern "für die ersten 47.000,-- S v.H."
§ 4 Abs. 1 leg. cit. bestimmt als Einkommen im Sinn dieses Bundesgesetzes das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988, zuzüglich der sich aus den §§ 5 und 6 StudFG ergebenden Hinzurechnungen.
Nach § 5 lit. a leg. cit. sind dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG unter anderen auch steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 hinzuzurechnen. Das sind nach lit. a der zuletzt genannten Bestimmung das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen auf Antrag ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn er unter anderem durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung außergewöhnliche Belastungen hat. Ein solcher Freibetrag für außergewöhnliche Belastungen ist bei Ermittlung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 in Abzug zu bringen.
Gemäß § 5 lit. b StudFG ist der Freibetrag nach § 35 EStG 1988 bei Ermittlung des für die Studienförderung maßgebenden Einkommens nicht hinzuzurechnen, da diese Bestimmung nicht in der dort enthaltenen (taxativen) Aufzählung von abzugsfähigen Beträgen nach dem EStG 1988 aufscheint.
Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum ausschließlich im Bezug der Notstandshilfe bestanden hat.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf § 13 Abs. 7 StudFG, der die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Unterhaltsleistung regle, deren Ermittlung im Abs. 9 leg. cit. festgelegt sei. Daraus sei zu erschließen, daß der Begriff der Unterhaltsleistung im StudFG nicht losgelöst vom Unterhaltsanspruch nach bürgerlichen Recht zu verstehen sei. Dies ergäbe sich aus der Möglichkeit, die tatsächlichen Unterhaltsleistungen eines Elternteiles zu berücksichtigen. Nach bürgerlichem Recht seien gesundheitlich bedingte Mehraufwendungen des Unterhaltsverpflichteten bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. Danach habe der Beschwerdeführer keinen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater, weil diesem nach seiner wirtschaftlichen Lage eine Alimentation des Beschwerdeführers nicht zugemutet werden könne, sodaß der Beschwerdeführer gegenüber seinen Eltern keinen Unterhaltsanspruch durchsetzen könnte. Deshalb sei es nicht zulässig einen Abzug vom "Grundbetrag" nach § 13 Abs. 1 StudFG vorzunehmen. Wenn ein steuerfreier Bezug an Notstandshilfe gemäß § 5 StudFG zum Einkommen hinzuzurechnen sei, dann müsse auch eine tatsächliche Verminderung des Einkommens durch außerordentliche Belastung Berücksichtigung finden, da die Zielsetzungen des Einkommensteuergesetzes einerseits und des Studienförderungsgesetzes andererseits verschiedene seien, weil letzteres auf die Bedürftigkeit abstelle, wobei vom tatsächlich real verfügbaren Einkommen auszugehen sei. Der dem Vater des Beschwerdeführers zuerkannte Steuerfreibetrag wegen außerordentlicher Belastung wäre daher in Abzug zu bringen gewesen.
Dieser Argumentation hält die belangte Behörde ihre aus dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen gewonnene Auslegung entgegen. Für ein Abweichen von diesen Berechnungsbestimmungen sehe das Studienförderungsgesetz 1983 nur im § 13 Abs. 7 lit. b den Fall vor, daß ein geringerer Unterhaltsanspruch durch gerichtlichen Zuspruch eines solchen oder durch Uneinbringlichkeit des Unterhalts trotz Exekutionsführung nachgewiesen werde. Die belangte Behörde halte es überdies für sachlich gerechtfertigt, lediglich von steuerpflichtigen Einkünften außergewöhnliche Belastungen abzuziehen und nicht auch von Einkünften, die nicht der Steuerpflicht unterliegen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde bei der Ermittlung des Einkommens im Sinne des § 4 Abs. 1 StudFG vom Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers ausgegangen, das ausschließlich aus der von ihm bezogenen Notstandshilfe bestanden hat. Zwar zählt die Notstandshilfe als steuerfreier Bezug gemäß § 3 Z. 4 EStG 1988 zu den "Hinzurechnungsbeträgen" nach § 5 lit. a StudFG; eine ausdrückliche Bestimmung, für den Fall, daß der Bezug der Notstandshilfe das alleinige Einkommen des Unterhaltspflichtigen darstellt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber geht, wie sich aus dem Wort "Hinzurechnungsbetrag" klar erkennen läßt, vom Normalfall aus, daß neben der Notstandshilfe steuerpflichtige Einkünfte vorliegen, welchen die Bezüge aus Notstandshilfe "hinzuzurechnen" sind. Fehlen aber - wie im Beschwerdefall - solche Einkünfte, die der Steuerpflicht unterliegen, so ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sachlich nicht gerechtfertigt, steuerliche Begünstigungen, die bei der Ermittlung der Studienbeihilfe auf Grund des Gesetzes sonst zum Tragen kommen, hier nicht zu berücksichtigen.
Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß der Vater des Beschwerdeführers einen Freibetrag für außergewöhnliche Belastungen im Ausmaß von S 11.724,-- laut Bestätigung des Finanzamtes bei Einkünften gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 in Anspruch nehmen konnte. Da das Studienförderungsgesetz bei der Ermittlung des Einkommens grundsätzlich auf diesen Einkommensbegriff des Steuerrechtes Bezug nimmt, wäre es gleichheitswidrig, diese nur einkommenssteuerrechtlich wirksame außergewöhnliche Belastung nur deshalb bei der Ermittlung der Studienbeihilfe nicht zu berücksichtigen, weil kein steuerpflichtiges Einkommen vorliegt. Verfassungskonforme Interpretation der hier anzuwendenden Normen gebietet daher auch im Falle des Fehlens steuerpflichtiger Einkünfte, die außergewöhnliche Belastung des Unterhaltspflichtigen im gleichen Ausmaß von der Bemessungsgrundlage gemäß § 13 Abs. 9 i. V.m. §§ 4 bis 6 StudFG in Abzug zu bringen. Eine Hinzurechnung der Beträge wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 35 EStG 1988 sieht § 5 StudFG nicht vor. Die Bemühungen des Gesetzgebers um eine als gerecht erscheinende Lösung (vgl. 402 BlgNR XIV. GP, 5) haben notwendigerweise zu immer differenzierteren und komplizierteren Regelungen geführt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts,
2. Auflage, S. 215). Trotzdem verbietet diese Absicht des Gesetzgebers des Studienförderungsgesetzes eine eng am Wortlaut der Normen orientierte Auslegung, die gegen den offenbaren Sinn des Gesetzes verstößt. Dies wäre aber dann der Fall, wenn besondere Belastungen nur bei steuerpflichtigen Einkünften Berücksichtigung finden könnten, nicht aber bei Einkommen, das - wie im Beschwerdefall - ausschließlich durch den Bezug der Notstandshilfe erzielt wurde.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992120135.X00Im RIS seit
17.01.2002