Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §97 Abs1 Z1 StGB (Fristenlösung) wegen entschiedener SacheSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Dr. J K führt in seiner nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschriebenen Eingabe an den Verfassungsgerichtshof aus, §97 Abs1 Z1 Strafgesetzbuch, BGBl. 60/1974 (StGB), sei verfassungswidrig. Das zu dieser Gesetzesstelle in einem Gesetzesprüfungsverfahren ergangene Erkenntnis VfSlg. 7400/1974 als falsch bezeichnend, regt er an, der Verfassungsgerichtshof möge "aus eigenem aktiv werden und das Verfahren zu einer neuen und richtigen Entscheidung einleiten." Sollte das nicht möglich sein, so stelle er den Antrag, "§97 Abs1 Z1 StGB für verfassungswidrig zu erklären und demgemäß die Entscheidung vom 11. Oktober 1974, G8/74 (= VfSlg. 7400/1974), aufzuheben."
2.1. Weder Art140 B-VG noch eine andere Vorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, ohne einen darauf zielenden Antrag ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, sofern er nicht ein Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hat. Er kann daher schon aus diesem Grund nicht von sich aus in dem vom Einschreiter angeregten Sinn tätig werden.
2.2.1. Der Antrag, §97 Abs1 Z1 StGB für verfassungswidrig zu erklären, ist der Sache nach auf Art140 B-VG gestützt. Zunächst ist zu prüfen, ob und inwieweit die Rechtskraft des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7400/1974 der Fällung einer Sachentscheidung entgegensteht:
Mit diesem Erkenntnis wurde dem Antrag der Salzburger Landesregierung, §97 Abs1 Z1 StGB wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben, keine Folge gegeben.
2.2.2. Die - hier in Frage kommenden - Bedenken der Salzburger Landesregierung umschrieb der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 7400/1974 wie folgt:
"§97 Abs1 Z1 StGB sei verfassungswidrig, weil er als einfachgesetzliche Regelung den Noch-Ungeborenen bis zum Lebensalter von vollendeten drei Monaten unsachlich schlechter stelle, indem er ihn des Schutzes des §96 StGB entkleide.
Die Salzburger Landesregierung führt auch aus, daß Zeugung und Tod den Anfangs- und den Endpunkt einer biologisch geschlossenen Einheit bildeten, deren Wesen sich immer gleich bleibe."
Dazu führte der Verfassungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis aus:
"Die Schwangerschaft besteht darin, daß sich im Mutterleib menschliches Leben entwickelt. Für die Beurteilung der getroffenen Regelung des Schwangerschaftsabbruches unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes ist es nicht maßgebend, daß während der ganzen Dauer der Schwangerschaft sowohl das Leben der Mutter als auch das werdende menschliche Leben gleichbleibendes Leben darstellen, sondern es ist die naturgegebene biologische Einheit der 'Frucht im Mutterleib' danach zu beurteilen, ob sie während der Dauer der Schwangerschaft ein Gleiches bildet.
Da das werdende menschliche Leben im Zustand der 'Frucht im Mutterleib' eine Entwicklung durchmacht, die von der eines Lebens außerhalb des Mutterleibes unter natürlichen Bedingungen unfähigen befruchteten Eizelle bis zu dem außerhalb des Mutterleibes lebensfähigen Menschen reicht, sind diese verschiedenen Entwicklungsphasen der biologischen Einheit 'Frucht im Mutterleib' nicht notwendig ein Gleiches im Sinne des verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitssatzes."
2.2.3. Der Antragsteller wiederholt die oben wiedergegebenen Bedenken der Salzburger Landesregierung und bezieht sich auf die ebenfalls wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes dazu. Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß über die Bedenken des Antragstellers bereits im Erkenntnis VfSlg. 7400/1974 abgesprochen wurde:
Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur einmal befunden werden kann und eine solche Entscheidung für die gleichen Bedenken (nach allen Seiten hin) Rechtskraft schafft (VfSlg. 5872/1968, 10.311/1984, 10.841/1986; vgl. zur gleichen Frage hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung VfSlg. 6296/1970, 6391/1971). Es ist nämlich - wie der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 5872/1968 darlegte - die Annahme nicht vorstellbar, der Verfassungsgesetzgeber hätte es als zulässig angesehen, daß ein Antrag gemäß Art140 B-VG, über den der Verfassungsgerichtshof schon einmal entschieden hat, von einem anderen Antragsteller mit gleicher Begründung wiederholt werden dürfte.
Der Individualantrag mußte darum wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen werden, ohne daß noch zu prüfen blieb, ob die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und d VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Fristenlösung, Rechtskraft, res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G224.1990Dokumentnummer
JFT_10089696_90G00224_00