TE Vfgh Beschluss 1991/3/4 B1086/90

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Veröffentlicht am 04.03.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages nach Versäumung eines Mängelbehebungsauftrages; Verwechslung eines verfassungsgerichtlichen und eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch einen "juristischen Laien" keine entschuldbare Fehlleistung

Spruch

Der Antrag der Einschreiterin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist gemäß §85 ZPO iVm §35 VerfGG wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Eingabe vom 23. August 1990 beantragte die Einschreiterin die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Juli 1990, Zlen. MA 62-III/230/90/Str und III/331/90/Str.

Mit Schreiben vom 24. September 1990 forderte der Verfassungsgerichtshof die Einschreiterin gemäß §82 Abs4 VerfGG iVm §§84 und 85 ZPO, §35 VerfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, innerhalb von zwei Wochen den Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides anzugeben, weil dies in der Eingabe vom 23. August 1990 unterblieben war. Dieses Schreiben wurde der Einschreiterin laut Übernahmsbestätigung am 26. September 1990 zugestellt. Die Einschreiterin kam dem Mängelbehebungsauftrag jedoch innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, sodaß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Beschluß vom 27. November 1990, B1086/90-4, wegen nichtbehobenen Mangels formeller Erfordernisse als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes wurde der Einschreiterin am 4. Februar 1991 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit dem am 7. Februar 1991 zur Post gegebenen, von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachten Schriftsatz beantragt die Einschreiterin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der Frist laut Mängelbehebungsauftrag vom 24.9.1990". Der Wiedereinsetzungsantrag wurde wie folgt begründet:

"Zu Zahl 90/10/0153 läuft beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren, in welchem die Beschwerdeführerin ebenfalls wegen eines gleichartigen Vorfalles (Ruhestörung im Zusammenhang mit ihren Kindern) eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung eingebracht hat.

In diesem Verfahren hat sie ebenfalls Verfahrenshilfe beantragt und wurde diese auch bewilligt. In diesem Verfahren vor dem VwGH wurde dem Vertreter der Beschwerdeführerin, ebenfalls RA Dr. M P, am 27.9.1990 eine Verfügung zugestellt, in welcher die Aufforderung erging, den Tag bekanntzugeben, an dem der angefochtene Bescheid zugestellt wurde.

Im genannten Verfahren vor dem VwGH wurde noch am selben Tag, also am 27.9.1990 vom Vertreter der Bf. dem VwGH eine entsprechende Mitteilung gemacht, womit die Verfügung des VwGH als erledigt anzusehen war.

Nachdem die Bf. im gegenständlichen Verfahren vor dem VfGH die Aufforderung mit nahezu demselben Inhalt am 26.9.1990 erhalten hatte, teilte sie dies ihrem Vertreter telefonisch mit. Es ist nicht mehr genau rekonstruierbar, ob sie dabei von einem Schreiben des Verfassungsgerichtshofes oder von einem Schreiben des Verwaltungsgerichtshofes gesprochen hat (genaue Unterschiede sind ihr als juristischer Laie nicht einmal bekannt), dies hat aber jedenfalls zu einem Mißverständnis zwischen ihr und ihrem Vertreter geführt. Er hat ihr nämlich mitgeteilt, daß er die entsprechende Mitteilung bereits an den Verwaltungsgerichtshof gesandt hat, die Sache also bereits als erledigt anzusehen sei. Daß vom Verfassungsgerichtshof eine fast gleichlautende Aufforderung wie vom Verwaltungsgerichtshof abgesandt wurde, war dem Vertreter der Beschwerdeführerin nicht bekannt. Ansonsten wäre selbstverständlich innerhalb der gesetzten Frist das Datum der Zustellung angegeben worden."

2. Da der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes der Einschreiterin am 4. Februar 1991 zugestellt und der Wiedereinsetzungsantrag am 7. Februar 1991 zur Post gegeben wurde, ist der Antrag gemäß §148 Abs2 ZPO iVm §35 VerfGG rechtzeitig eingebracht worden; er ist aber nicht begründet.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10.880/1986, 11.537/1987).

Im vorliegenden Fall war der Einschreiterin bekannt bzw. mußte ihr dies sein, daß zwei Verfahren, nämlich sowohl ein verfassungsgerichtliches Verfahren, das sie selbst mit dem Ziele der Bewilligung der Verfahrenshilfe führte, als auch ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, in dem bereits eine Beschwerde eingebracht worden war, anhängig waren. Die Verfahren waren somit deutlich voneinander unterscheidbar, wobei sich die Beschwerdeführerin selbst direkt nur mehr mit dem verfassungsgerichtlichen Verfahren auseinanderzusetzen hatte, in dem eine Zustellung an einen nichtbevollmächtigten Rechtsvertreter, auch wenn er als Verfahrenshelfer gewünscht wird, nicht in Betracht kommt. Obwohl ihr Rechtsvertreter nach ihren eigenen Angaben in einem Telefongespräch mitteilte, daß eine entsprechende Mitteilung (zur Erfüllung der verwaltungsgerichtlichen Verfügung vom 6. September 1990, Zl. 90/10/0153-2) bereits an den Verwaltungsgerichtshof gesandt worden sei, hätte ihr bereits aus der Diktion ("Verwaltungsgerichtshof") auffallen müssen, daß es sich dabei um ein anderes Verfahren handelt. Angesichts dieser Ausführungen, die nicht darauf abstellen, ob einem "juristischen Laien" die "genauen Unterschiede" zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof bekannt sind, kann nun nicht mehr davon gesprochen werden, daß der Einschreiterin ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war.

3. Dies konnte gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1086.1990

Dokumentnummer

JFT_10089696_90B01086_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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