Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Mai 1993, Zl. 5-212 Se 19/18-93, betreffend Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem als Ersatzbescheid für den mit hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0377, teilweise aufgehobenen Bescheid vom 14. Juli 1992 ergangenen angefochtenen Bescheid vom 11. Mai 1993 wurde die Beschwerdeführerin wegen der hinsichtlich mehrerer namentlich bezeichneter Lehrlinge begangenen Verwaltungsübertretungen nach den §§ 11 Abs. 1, 16, 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 und 19 Abs. 2 KJBG bestraft, und zwar nach dem zweiten Strafsatz des § 30 leg. cit. mit je S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je drei Wochen) pro Übertretung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit seinem oben genannten Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0377, hat der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Juli 1992 im beschwerdegegenständlichen Umfang deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil es die belangte Behörde einerseits verabsäumt hatte, die von der Beschwerdeführerin gegen die Richtigkeit der im Akt erliegenden Aufzeichnungen der Zeugin S vorgebrachten Behauptungen, sie seien "offensichtlich auf Anleitung des Arbeitsinspektors" nachträglich geschrieben worden, durch Aufnahme entsprechender, von der Beschwerdeführerin auch beantragter Beweise, etwa die neuerliche zeugenschaftliche Vernehmung des betreffenden Lehrlings sowie die Vernehmung des Arbeitsinspektors als Zeugen zu verifizieren oder zu entkräften. Andererseits habe sich die belangte Behörde auch zu Unrecht über den Antrag der Beschwerdeführerin hinweggesetzt, die Lehrlinge zum Beweis der Unrichtigkeit der in der Anzeige des Arbeitsinspektorates angegebenen Arbeitszeiten jeweils auch zu den Beschäftigungszeiten der anderen Lehrlinge als Zeugen zu vernehmen.
Im ergänzenden Verfahren hat die belangte Behörde zwar den betreffenden Arbeitsinspektor sowie zwei der betroffenen Lehrlinge als Zeugen vernommen, es aber wiederum unterlassen, einerseits zu klären, wann die (nunmehr hinsichtlich aller betroffenen Lehrlinge im Akt erliegenden) Arbeitsaufzeichnungen verfaßt wurden und andererseits die Lehrlinge auch zu den Beschäftigungszeiten der jeweils anderen Lehrlinge als Zeugen zu vernehmen. Im übrigen hat die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) der Beschwerdeführerin das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis brachte.
Zu Recht rügt schließlich die Beschwerdeführerin auch das Unterbleiben der Vernehmung der Zeugin V. Die belangte Behörde begründete diese Unterlassung mit verwaltungsökonomischen Gründen, weil diese Zeugin auf Grund der ihr zugekommenen Ladung telefonisch mitgeteilt habe, nunmehr in einer entlegenen Berghütte zu arbeiten. Die neuerliche Einvernahme habe sich nicht zuletzt auch deshalb erübrigt, weil die bisherigen Einvernahmen der übrigen Zeugen sich nicht wesentlich von früheren Einvernahmen unterschieden. In dieser Begründung liegt eine in den Verwaltungsverfahren verpönte antizipative Beweiswürdigung (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 311, abgedruckte hg. Judikatur).
Aus den dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere, zur Strafbemessung erstattete Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Beweiswürdigung antizipative vorweggenommeneEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020143.X00Im RIS seit
20.11.2000