TE Vfgh Beschluss 1991/3/4 B1085/90

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Veröffentlicht am 04.03.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs2
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; verfehlte Annahme des Datums der bekämpften Hausdurchsuchung kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

I. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist gemäß §82 Abs1 VerfGG zur Erhebung einer Beschwerde gegen die am 24. Juli 1990 vorgenommene Hausdurchsuchung durch Beamte des Gendarmeriepostens Stadl-Paura wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird, soweit sie die Hausdurchsuchung vom 24. Juli 1990 betrifft, zurückgewiesen.

III. Die Entscheidung über die Beschwerde wird, soweit sich diese gegen eine Hausdurchsuchung am 3. August 1990 richtet, gesondert ergehen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Beschwerde vom 6. September 1990 beantragte die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Feststellung, daß sie "durch die ohne richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl bzw. ohne Vorweisung einer Bescheinigung im Sinne des §141 Abs3 StPO vorgenommene Hausdurchsuchung am 31.7.1990 für die Zeit von ca. 18 Uhr bis 18.30 Uhr (und am 4.8.1990 von ca. 18 Uhr bis 18.15 Uhr) durch Gendarmeriebeamte des GPK Stadl-Paura im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Hausrechtes (Artikel 9 StGG und §2 Hausrechtsgesetz) verletzt worden" sei. Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung in der Gegenschrift der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 16. Oktober 1990, Z Sich-460/1990/J, nach der am 24. Juli 1990 Beamte des Gendarmeriepostens Stadl-Paura aus eigener Macht in der Wohnung der Beschwerdeführerin eine Hausdurchsuchung durchgeführt hätten, stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 13. November 1990 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter gleichzeitiger Vorlage einer verbesserten Beschwerde, in der ua. das Datum der ersten Hausdurchsuchung auf den 24. Juli 1990 ausgebessert wurde.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde wie folgt begründet:

"Obwohl ich bei Einbringung der Beschwerde aufgrund meiner damaligen Erinnerung der festen Überzeugung war, daß die am 31.07.1990 beschriebene Hausdurchsuchung tatsächlich an diesem Tag stattfand kann ich dies über Vorhalt in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht mehr aufrecht erhalten. Dies insbesondere auch deshalb, da nunmehr mit Sicherheit anzunehmen ist, daß am 24.07.1990 aufgrund des vorliegenden Gendarmerieberichtes eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat. Schließlich war der 24.07. ebenso wie der von mir angegebene 31.07. jeweils ein Dienstag. Ich bin mir daher über Vorhalt der Gegenschrift nunmehr sicher, daß die von mir bekämpfte Hausdurchsuchung nicht am 31.07. sondern vielmehr bereits am 24.07.1990 stattgefunden hat. Zur Fehlbezeichnung kam es derart, daß ich bis zum Zeitpunkt vor Zustellung der Gegenschrift 100 %-ig sicher war, daß die Hausdurchsuchung erst am 31.07.1990 stattgefunden hat. Dies, obwohl mich bereits mein Rechtsfreund vor Einbringung der Beschwerde mehrmals befragt hat, ob die von mir angeführten Daten auch tatsächlich richtig sind. Ich habe mich zum damaligen Zeitpunkt bemüht die richtigen Daten bekanntzugeben und habe ich dies auch nach bestem Wissen und Gewissen getan.

Es handelt sich sohin um ein unabwendbares sowie unvorhersehbares Ereignis, da die Überzeugung, die von mir dargestellte Hausdurchsuchung hätte sich erst am 31.07.1990 und nicht schon am 24.07.1990 zugetragen fest in meinem Bewußtsein verankert war. Es war mir daher bis zum Vorhalt in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht möglich den Irrtum zu erkennen."

2. Da die Gegenschrift der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters am 30. Oktober 1990 zugestellt und der Wiedereinsetzungsantrag am 13. November 1990 zur Post gegeben wurde, ist der Antrag gemäß §148 Abs2 ZPO, §35 VerfGG rechtzeitig eingebracht worden; er ist aber nicht begründet.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10.880/1986, 11.537/1987).

Der Beschwerdeführerin ist mit der verfehlten Annahme des Datums der Hausdurchsuchung an sich schon nicht bloß leichte Fahrlässigkeit unterlaufen. Hinzu kommt, daß die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben von ihrem Rechtsvertreter zur Richtigkeit des von ihr angegebenen Datums der Verhaftung mehrmals befragt wurde; ihr mußte folglich dessen Bedeutung für ein verfassungsgerichtliches Beschwerdeverfahren ganz besonders bewußt sein. Sie hat sich aber sowohl hinsichtlich der ersten Hausdurchsuchung um eine Woche geirrt als auch hinsichtlich der zweiten Hausdurchsuchung das ursprüngliche Beschwerdevorbringen um einen Tag auf den 3. August 1990 korrigiert, nachdem in der Sachverhaltsdarstellung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land darauf verwiesen wurde, daß am 3. August 1990 ein Beamter des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich eine Hausdurchsuchung in der Wohnung der Beschwerdeführerin durchgeführt hätte. Die beiden vorgenommenen Korrekturen zeigen, daß sich die Beschwerdeführerin ursprünglich nicht sorgfältig genug mit den für die Verfristung bedeutsamen Daten auseinandergesetzt hat, um eine leichte Fahrlässigkeit in dem oben genannten Sinn annehmen zu können. Dabei ist auch zu beachten, daß zwischen den in Beschwerde gezogenen Ereignissen und dem(n) Gespräch(en) mit ihrem Rechtsvertreter allein schon aufgrund der sechswöchigen Beschwerdefrist nicht soviel Zeit vergehen kann, daß eine genauere Rekonstruktion der Geschehnisabläufe, wie es gemäß §82 Abs2 VerfGG verlangt wird, unmöglich wäre. Es liegt sohin nicht nur ein minderer Grad des Versehens vor, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen war.

3. Aus den unter Pkt. 2 angeführten Gründen erweist sich die am 7. September 1990 zur Post gegebene Beschwerde, soweit sie die Hausdurchsuchung vom 24. Juli 1990 betrifft, als verspätet; sie ist daher in diesem Umfang zurückzuweisen.

4. Soweit sich die Beschwerde gegen die am 3. August 1990 erfolgte Hausdurchsuchung wendet, wird die Entscheidung gesondert ergehen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1085.1990

Dokumentnummer

JFT_10089696_90B01085_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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