TE Vfgh Erkenntnis 1991/3/7 B1111/90

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Veröffentlicht am 07.03.1991
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
RAO §2
RL-BA 1977 §33

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §2 Abs1 RAO sowie gegen §33 RL-BA 1977; Gleichheitsverletzung infolge gleichheitswidriger Gesetzesauslegung durch die Nichtanrechnung der Verwendung als Rechtsanwaltsanwärter aufgrund einer zusätzlichen halbtägigen Beschäftigung als Universitätsassistent

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1989 beantragte der Beschwerdeführer, der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien möge feststellen, daß die Anrechnung seiner praktischen Verwendung als Rechtsanwaltsanwärter gemäß §2 Abs1 letzter Satz RAO idF des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes 1985, BGBl. 556, trotz seiner (zusätzlichen) halbtägigen Beschäftigung als Assistent möglich bleibe. Er begründete diesen Antrag damit, daß er seit 1. Dezember 1985 halbtägig als "Assistent" am Institut für Handels- und Wertpapierrecht der Universität Wien beschäftigt sei. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 sei das Dienstverhältnis über seinen Antrag auf die Dauer eines Jahres karenziert worden, und am 3. Oktober 1988 sei er als Rechtsanwaltsanwärter in eine Kanzlei (Anwaltssozietät) eingetreten.

Da das Karenzjahr am 30. September 1989 geendet habe, sei er seit (Montag) dem 2. Oktober 1989 wieder als - halbbeschäftigter - (Vertrags)assistent tätig. Er habe keinen Lehrauftrag und unterliege in diesem Dienstverhältnis keiner Anwesenheitspflicht während bestimmter Stunden; seinen Pflichten komme er in seiner "Freizeit" außerhalb der Kanzleistunden in der Rechtsanwaltskanzlei nach. Er stehe der Anwaltskanzlei während der Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden weiterhin zur Verfügung, und sein bisher bezahltes Gehalt werde ungeschmälert fortbezahlt. Die Zustimmung der Rechtsanwälte, bei denen er beschäftigt sei, zu seiner universitären Tätigkeit liege vor.

2. Mit Bescheid vom 14. November 1989, GZ 5/03/89/38395, hat die Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien den genannten Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen und ausgesprochen, seine praktische Verwendung als Rechtsanwaltsanwärter sei für die Dauer seiner Tätigkeit als halbbeschäftigter Assistent an der Universität Wien nicht anrechenbar.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien. In seiner Begründung ergänzte er auch sein Tatsachenvorbringen und belegte dieses durch Bestätigungen des ihn ausbildenden Rechtsanwaltes und des Universitätsprofessors, dem er zugeteilt ist. Er führte dabei ua. aus, seine Tätigkeit als halbbeschäftigter (20 Wochenstunden) Vertragsassistent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht umfasse im wesentlichen die Vorbereitung und Verbesserung von Klausurarbeiten, die Betreuung von Dissertanten, die Vorbereitung von und die Mitarbeit an Rechtsgutachten, die Hilfestellung in Schiedsgerichtsfällen und die eigene rechtswissenschaftliche Fortbildung. Dafür arbeite er von Montag bis Donnerstag von 18 bis 20 Uhr, am Freitag in der Regel ab 14 Uhr und die restlichen sechs bis sieben Stunden am Wochenende.

Bestätigt wurde seitens des ausbildenden Rechtsanwaltes, daß der Beschwerdeführer seine Leistungen von 40 Arbeitsstunden pro Woche in der Rechtsanwaltskanzlei während der üblichen Kanzleizeiten erbringe.

Dieser Vorstellung wurde mit Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Dezember 1989, GZ 3839/89, keine Folge gegeben.

4. Auch der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 11. Juni 1990, Zl. Bkv 1/90-10, keine Folge gegeben.

5. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, der Erwerbsfreiheit, der Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

6. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Da alle Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

A. Die belangte Behörde hat, indem sie die Berufung des Beschwerdeführers (gegen den ebenfalls abweislichen Vorstellungsbescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien) abwies, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (vgl. zB VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977 ua.), mit welchem ausgesprochen wurde, die praktische Verwendung des Beschwerdeführers als Rechtsanwaltsanwärter sei für die Dauer seiner Tätigkeit als halbbeschäftigter Vertragsassistent nicht anrechenbar.

Diese Entscheidung ist in folgendem rechtlichen Zusammenhang zu sehen:

Gemäß §1 Abs1 litd RAO ist ua. ein Erfordernis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft "die praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer". §2 Abs1 leg.cit. idF des ArtII Z2 des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes, BGBl. 556/1985, lautet:

"§2. (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird."

Nach §21b leg.cit. - ebenfalls idF des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes, BGBl. 556/1985 - hat der Rechtsanwalt für eine umfassende Ausbildung des Rechtsanwaltsanwärters entsprechend dem Berufsbild des Rechtsanwalts Sorge zu tragen und ihn dementsprechend hauptberuflich zu verwenden.

Die - eine Verordnung darstellenden (vgl. VfSlg. 9470/1982 sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1990, B665/89) - "Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977)" (kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1977 und im Anwaltsblatt 1977, 476 ff.; im folgenden:

RL-BA 1977) ordnen in §33 an, daß die praktische Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters gemäß §2 RAO mit der hauptberuflichen Ausübung einer anderen Tätigkeit unvereinbar ist; eine nebenberufliche Tätigkeit bedarf der Zustimmung des Rechtsanwaltes.

B. Zu den in der Beschwerde vorgetragenen Normbedenken:

1. Die Beschwerde behauptet zunächst, in dem diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren seien verfassungswidrige gesetzliche Bestimmungen und gesetzwidrige Verordnungsregelungen angewendet worden; diese Auffassung wird näher begründet, und es wird angeregt, der Verfassungsgerichtshof möge hinsichtlich der als präjudiziell erachteten Wortfolge "ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt" in §2 Abs1 RAO bzw. "wenn die Nebenbeschäftigung nach Art oder Umfang den Zweck der praktischen Verwendung des Rechtsanwaltsanwärters gemäß §2 der Rechtsanwaltsordnung zu beeinträchtigen geeignet erscheint" in ArtXII der RL-BA 1977 ein Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 bzw. Art140 B-VG einleiten.

2.1. ArtXII der RL-BA 1977 lautet:

"Die Rechtsanwaltskammern können die Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung des Rechtsanwaltsanwärters an ihre Zustimmung binden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die Nebenbeschäftigung nach Art oder Umfang den Zweck der praktischen Verwendung des Rechtsanwaltsanwärters gemäß §2 der Rechtsanwaltsordnung zu beeinträchtigen geeignet erscheint."

Diese Bestimmung ist aber in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht präjudiziell.

Der Beschwerdeführer hat nämlich, wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung unter I.1. ergibt, nicht den Antrag gestellt, die Rechtsanwaltskammer möge seiner Nebenbeschäftigung die Zustimmung erteilen, vielmehr ersuchte er, die Rechtsanwaltskammer möge feststellen, daß die Anrechnung der praktischen Verwendung als Rechtsanwaltsanwärter gemäß §2 Abs1 letzter Satz RAO trotz seiner "Nebenbeschäftigung" möglich bleibe. Die Behörde erster Instanz hatte ebenso wie die belangte Behörde allein über dieses Begehren zu entscheiden und hat auch nur über dieses entschieden. Ebensowenig wie die belangte Behörde hat auch der Verfassungsgerichtshof ArtXII der RL-BA 1977 anzuwenden. Eine amtswegige Prüfung der genannten Verordnungsbestimmung ist dem Verfassungsgerichtshof folglich aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens verwehrt.

2.2. Hingegen hatte die belangte Behörde - gleich wie die Vorinstanzen - den letzten Satz des §2 Abs1 RAO ebenso anzuwenden wie §33 der RL-BA 1977 und hat diese Bestimmungen auch tatsächlich angewendet; sie sind demgemäß in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren präjudiziell.

2.2.1. Gegen die genannte Wortfolge im letzten Satz des §2 Abs1 RAO bringt die Beschwerde vor, sie verstoße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung. Der Vorwurf des Widerspruchs zum Legalitätsgebot des Art18 B-VG richtet sich nur gegen ArtXII RA-BL 1977; da diese Bestimmung aber nicht präjudiziell ist (vgl. II. B.2.1.), ist darauf nicht näher einzugehen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden vor allem deshalb, weil diese Regelung allein darauf abstelle, ob die hauptberufliche Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters bei einem Rechtsanwalt durch eine andere berufliche Tätigkeit beeinträchtigt werde. Da nach dieser Gesetzesbestimmung die hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt durch eine nichtberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigt werden könne und eine "nichtberufliche Haupttätigkeit ... mit der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt nicht unvereinbar" sei, liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vor, weil es nicht darauf ankommen könne, ob eine Beeinträchtigung beruflich erfolge oder nicht.

Auch werde unzulässig zwischen der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt und der Tätigkeit bei der Finanzprokuratur differenziert. Zwar sei die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt gleichgestellt, diese Gleichstellung gelte aber nicht für neben der Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ausgeübte andere berufliche Tätigkeiten.

Hinzu trete die ebenfalls als gleichheitswidrig erachtete Ungleichbehandlung von Rechtsanwaltsanwärtern und Rechtsanwälten, da hinsichtlich der letzteren keine gleichartigen Beschränkungen wie bei den Rechtsanwaltsanwärtern bestünden.

Schließlich verstoße die Regelung auch gegen das Exzeßverbot, weil nicht "auf die Art der anderen beruflichen Tätigkeit, durch die die hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt beeinträchtigt wird", Bedacht genommen werde, insbesondere etwa, ob diese "andere berufliche Tätigkeit" für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft allenfalls dienlich sei oder nicht.

Der Verstoß der präjudiziellen Gesetzesvorschrift gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung liegt nach Meinung der Beschwerde darin, daß der gesetzlich vorgesehene Eingriff weder durch das öffentliche Interesse geboten noch sachlich gerechtfertigt noch verhältnismäßig (weder geeignet noch adäquat) sei; dazu wird ausgeführt:

"Es besteht ein vehementes öffentliches Interesse daran, daß der Rechtsanwaltsanwärter möglichst gut und umfassend ausgebildet wird und juristische Probleme von allen möglichen Seiten kennenlernt (Schutz des Klienten). Dieses Ziel wird erreicht, wenn der Rechtsanwaltsanwärter hauptberuflich während der üblichen Kanzleizeiten bei einem Rechtsanwalt in Verwendung steht. Diesem öffentlichen Interesse wird jedoch in einem besonderen Maße entsprochen, wenn der Rechtsanwaltsanwärter zusätzlich zu seiner hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt eine nebenberufliche Tätigkeit ausübt, die ebenfalls der Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist.

...

Die Inadäquanz dieser Rechtsfolge wird insbesondere dann besonders augenfällig, wenn man berücksichtigt, daß nach dem Wortlaut der in Beschwer gezogenen Bestimmung eine Beeinträchtigung der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt durch jede andere berufliche Tätigkeit möglich ist, ohne daß näher bestimmt ist, welche andere berufliche Tätigkeit jedenfalls als Beeinträchtigung, und welche erst bei Vorliegen bestimmter Ausübungsmodalitäten als Beeinträchtigung gewertet wird. Der gewünschte Effekt könnte nämlich durch ein höheres Maß an Rechtssicherheit und damit durch erheblich gelindere Mittel erreicht werden, indem jene berufliche Tätigkeiten, die jedenfalls als Beeinträchtigung angesehen werden, und jene, welche erst bei Vorliegen bestimmter Ausübungsmodalitäten beeinträchtigen, aufgelistet bzw. näher determiniert werden."

Zu dem durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung wird schließlich in der Beschwerde vorgetragen, die präjudiziellen Regelungen führten in ihrer überschießenden Fassung dazu, daß die Ausübung jeder anderen beruflichen Tätigkeit neben der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt praktisch unmöglich sei. Eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes erfolge auch dann, "wenn die Regelungen über Antrittsvoraussetzungen für einen Beruf sachlich undifferenziert und willkürlich jede andere berufliche Tätigkeit verbieten."

2.2.2. Die vorgetragenen Normbedenken sind insgesamt nicht gerechtfertigt.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß er gegen §2 Abs1 RAO und gegen §33 der RL-BA 1977 keine Bedenken hegt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1990, B665/89); er sieht sich auch aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt, von dieser seiner Rechtsansicht abzugehen und ein Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.

Daß aus der Sicht des §2 Abs1 RAO nur berufliche, nicht jedoch auch nichtberufliche Tätigkeiten als für die Anrechnung der Zeit der praktischen Verwendung schädlich gewertet werden, verstößt schon deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz, weil es sich dabei ganz offensichtlich um Unterschiedliches handelt. Bei diesen Unterschieden im Tatsächlichen kann in der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung von vorneherein eine verfassungsrechtlich verpönte Ungleichbehandlung nicht in Betracht kommen. Dies erhellt ua. auch daraus, daß es ohne jeden Zweifel einen gravierenden Unterschied ausmacht, ob sich jemand der Erholung und Entspannung hingibt oder eine berufliche Tätigkeit ausübt, die typischerweise mit Anstrengung und Streß verbunden ist. Auch die leichtere Handhabbarkeit einer Regelung vermag eine unterschiedliche Regelung zu rechtfertigen (vgl. VfSlg. 7873/1976, 9645/1983, 10.455/1985).

Verfehlt ist auch das Beschwerdevorbringen, die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur unterliege keiner vergleichbaren Beschränkung wie jene der Rechtsanwaltsanwärter bei einem Rechtsanwalt. Der Gesetzgeber kann nämlich davon ausgehen, daß dort typischerweise eine hauptberufliche Beschäftigung vorliegt und in deren Rahmen eine entsprechend gediegene Ausbildung gewährleistet erscheint. Auch unterliegen jene Personen, die bei der Finanzprokuratur Dienst versehen, als Bundesbedienstete eigenen, mit den hier bekämpften durchaus vergleichbaren Bestimmungen (vgl. §56 BDG 1979 betreffend Nebenbeschäftigung - gilt auch für in Ausbildung begriffene Bedienstete; §8 iVm. §34 Abs2 lite des Vertragsbedienstetengesetzes 1948).

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist auch die Tätigkeit der Rechtsanwaltsanwärter mit jener der Rechtsanwälte in dem hier relevanten sachlichen Regelungsbereich des §2 Abs1 RAO nicht vergleichbar. Nur erstere, nicht jedoch Rechtsanwälte sind in Ausbildung begriffen.

Die übrigen Normbedenken gegen die präjudiziellen Rechtsvorschriften sind aber - offensichtlich - nur unter der Voraussetzung erhoben worden, daß sie jenen Inhalt haben, wie er ihnen von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zugrundegelegt wurde; da sie diesen von der Beschwerde zu Recht bekämpften Inhalt aber nicht haben - vgl. dazu sogleich unter C. - war darauf nicht einzugehen.

C. Zu den von der Beschwerde geltend gemachten Vollzugsfehlern:

1. Die belangte Behörde begründete ihre abweisliche Entscheidung wie folgt:

"§2 RAO idF des RAPG 1985 stellt fest, daß die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt nur anrechenbar ist, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Diese Rechtsvorschrift wird durch §33 RL-BA 1977 dahingehend ergänzend erläutert, daß die praktische Verwendung gemäß §2 RAO mit der hauptberuflichen Ausübung einer anderen Tätigkeit unvereinbar ist; eine nebenberufliche Tätigkeit bedarf der Zustimmung des Rechtsanwaltes. Des weiteren bestimmt Artikel XII RL-BA, daß die Rechtsanwaltskammern die Zulässigkeit einer Nebenbeschäftigung des Rechtsanwaltsanwärters an ihre Zustimmung binden können, wobei die Zustimmung nur dann versagt werden darf, wenn die Nebenbeschäftigung nach Art oder Umfang den Zweck der praktischen Verwendung des Rechtsanwaltsanwärters zu beeinträchtigen geeignet erscheint.

...

Anrechenbar ist eine praktische Verwendung also zunächst nur dann, wenn die Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt hauptberuflich ausgeübt wird. Der Berufungswerber hat vorgetragen und dies ... unter Beweis gestellt, daß er in der Kanzlei der Rechtsanwälte ... hauptberuflich, das heißt während 40 Stunden in der Woche tätig ist, und dort eine dem Berufsbild des Rechtsanwaltes entsprechende umfassende Ausbildung genießt. Seiner weiteren Argumentation, daß seine Tätigkeit als halbtags beschäftigter Vertragsassistent an der Universität Wien eine dem §2 RAO nicht zuwiderlaufende Nebenbeschäftigung darstellt, ist nicht zu folgen. Zunächst ist der Berufungswerber darauf zu verweisen, daß die Rechtsvorschrift des §2 RAO den Begriff "Nebentätigkeit" nicht kennt, sondern nur von einer anderen beruflichen Tätigkeit spricht, durch welche die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt beeinträchtigt wird. Diese Rechtsvorschrift kann nun auch unter Bedachtnahme auf §6 ABGB nur so verstanden und ausgelegt werden, daß eine Anrechnung nur dann zulässig ist, wenn eine hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter vorliegt, die in keiner Weise durch eine andere berufliche (Haupt-)Tätigkeit beeinträchtigt wird. Eine Tätigkeit als Universitätsassistent mit einem verpflichtenden Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden stellt nun keinesfalls eine untergeordnete andere berufliche Tätigkeit dar, sondern ist als eine solche Tätigkeit anzusehen, die sehr wohl die verpflichtende hauptberufliche Tätigkeit der praktischen Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters beeinträchtigt. Auch der Vergleich mit anderen Rechtsvorschriften zeigt, daß der Gesetzgeber ein Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden keinesfalls als Nebenbeschäftigung oder Nebentätigkeit ansieht, sondern als eine Haupttätigkeit.

§1 Angestelltengesetz regelt Dienstverhältnisse, wenn die vereinbarte oder tatsächlich geleistete Arbeitszeit bezogen auf den Monat mindestens 1/5 des 4,3fachen der wöchentlichen Normalarbeitszeit beträgt. Dies sind bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden 8 Stunden wöchentlich. Solche Dienstverhältnisse stellen daher keine untergeordnete Tätigkeit und keine bloße Nebentätigkeit dar, sondern gelten bereits als Haupttätigkeit. Beträgt die vereinbarte Arbeitszeit hiebei weniger als die Normalarbeitszeit (vorliegendenfalls 40 Stunden) ist von einer Teilzeitbeschäftigung zu sprechen. Auch die Bestimmungen der Gewerbeordnung qualifizieren Beschäftigungen, die die Hälfte der Normalarbeitszeit ausmachen, als hinreichende Beschäftigungszeit für gewerberechtliche Geschäftsführer, qualifizieren also solche Dienstverhältnisse als hauptberufliche Tätigkeit. Auch aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich sohin zwingend, daß ein Dienstverhältnis, das 20 Wochenstunden als Arbeitszeit vorschreibt bzw. erreicht, nicht als Nebenbeschäftigung zu qualifizieren ist, sondern als zweiter Hauptberuf. Auch unter Bedachtnahme auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes kann das Dienstverhältnis des Berufungswerbers zur Universität Wien nicht als 'Nebentätigkeit' bzw. 'Nebenbeschäftigung' angesehen werden. Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes gestatten eine maximale Mehrarbeitszeit pro Woche von 10 Überstunden (§9). Durch die vom Berufungswerber ausgeübte Tätigkeit bei der Universität Wien werden daher diese Vorschriften überschritten, so daß auch eine Beeinträchtigung, insbesondere der erforderlichen Ruhezeiten in der Hauptbeschäftigung als Rechtsanwaltsanwärter, vorliegt. Eine Tätigkeit, die ein Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden als Mindestarbeitszeit vorschreibt, ist sohin auch unter Bedachtnahme auf diverse Vorschriften des Arbeitsrechtes nun jedenfalls als abträgliche Nebentätigkeit im Sinne dieser Vorschriften zu qualifizieren (der hauptberuflich tätige Dienstnehmer hat nicht nur Anspruch sondern auch die Verpflichtung, die Erholungszeit zu konsumieren). Eine Tätigkeit, die einen hauptberuflich beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter verpflichtet, an jedem Wochentag nach einem vorangegangenen achtstündigen Arbeitstag zusätzlich von 18 bis 20 Uhr zu arbeiten, weiters an jedem Freitag ab 14 Uhr und zusätzlich 6 bis 7 Stunden an jedem Wochenende stellt sohin zweifelsfrei eine solche andere Tätigkeit dar, die die Ausübung der hauptberuflichen Tätigkeit (als Rechtsanwaltsanwärter) zu beeinträchtigen imstande ist und tatsächlich beeinträchtigt.

...

Außerdem darf nicht übersehen werden, daß in die Zeit der Tätigkeit des Berufungswerbers als Rechtsanwaltsanwärter auch seine Vorbereitung auf die beiden Teilprüfungen zur Rechtsanwaltsprüfung fällt. Im Hinblick auf seine Inanspruchnahme durch die ausgeübte Assistententätigkeit bis in die späten Abendstunden ist auch eine ausreichende und gewissenhafte Vorbereitung des Berufungswerbers auf diese beiden Teilprüfungen nicht gewährleistet. Der Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien ist daher zu Recht und rechtsmängelfrei ergangen.

..."

2. Die Beschwerde behauptet, durch diesen Bescheid werde in verfassungswidriger Weise in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz eingegriffen.

Begründet wird diese Auffassung im wesentlichen wie folgt:

"Daß ich meine Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter ... 'hauptberuflich' ausübe, kann nicht zweifelhaft sein: Ich arbeite bei ihm die gesetzliche Normalarbeitszeit von vierzig Stunden pro Woche, das heißt ich stehe ihm einerseits nicht nur in diesem Umfang, sondern auch während der üblichen Kanzleistunden ausschließlich zu seiner Verfügung!

Daß meine Verwendung als Rechtsanwaltsanwärter ... hauptberuflich ist, wird auch von der belangten Behörde nicht verneint!

...

Daß meine Tätigkeit als halbzeitbeschäftigter Assistent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht nicht hauptberuflich ausgeübt wurde, kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein: Ich arbeitete am Institut für Handels- und Wertpapierrecht wöchentlich 20 Wochenstunden, das ist die Hälfte der gesetzlichen Normalarbeitszeit, in der Zeit von Montag bis Donnerstag von 18.00 bis 20.00 Uhr, freitags in der Regel ab 14.00 Uhr und die restlichen sechs bis sieben Stunden am Wochenende.

Die belangte Behörde versucht hingegen, im bekämpften Bescheid in denkunmöglicher und willkürlicher Weise meine Halbzeitbeschäftigung am Institut für Handels- und Wertpapierrecht unter Heranziehung der Bestimmungen des §1 AngG, der GewO und des AngG als zweite 'Haupttätigkeit' oder als 'zweiten Hauptberuf' darzustellen. Damit will die belangte Behörde meine Halbzeitbeschäftigung am Institut für Handels- und Wertpapierrecht dem Anwendungsbereich des §33 der RL-BA 1977 unterstellen, wonach die praktische Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters gemäß §2 der Rechtsanwaltsordnung mit der hauptberuflichen Ausübung einer anderen Tätigkeit unvereinbar ist. Dies stellt eine gesetzlos ergangene Entscheidung dar und bildet Willkür.

Wäre die Ansicht der belangten Behörde richtig, so müßte die belangte Behörde auch eine Verwendung bei einem Rechtsanwalt bloß im gleichen Umfang (dh 20 Wochenstunden) und bei genau gleicher Zeiteinteilung (von Montag bis Donnerstag von 18.00 bis 20.00 Uhr, freitags in der Regel ab 14.00 Uhr und die restlichen sechs bis sieben Stunden am Wochenende) als hauptberuflich oder als Hauptberuf anerkennen. Weder der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien noch die belangte Behörde akzeptieren jedoch eine Verwendung bei einem Rechtsanwalt im Umfang von 20 Wochenstunden als hauptberuflich. Ebenso fehlt es nach Ansicht des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien und der belangten Behörde am Merkmal der Hauptberuflichkeit, wenn die Verwendung bei einem Rechtsanwalt im Umfang von 40 Wochenstunden außerhalb der kanzleiüblichen Zeiten erfolgt (Hinweis auf die Entscheidung des Plenums des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien vom 5.9.1989, GZ 05/01 89/1122).

Da die belangte Behörde als auch der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien eine hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt nur dann annehmen, wenn diese während der kanzleiüblichen Zeiten im Umfang von 40 Wochenstunden erfolgt, ist die Beurteilung meiner Tätigkeit als Assistent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht - in der Zeit von Montag bis Donnerstag von 18.00 bis 20.00 Uhr, freitags in der Regel ab 14.00 Uhr und die restlichen sechs bis sieben Stunden am Wochenende - als hauptberuflich eine leichtfertige und willkürliche Entscheidung. Die belangte Behörde mißt hier je nach Bedarf mit zwei unterschiedlichen Maßstäben!

Auch die Argumentation der belangten Behörde über Bestimmungen des §1 AngG, der GewO und des ArbeitszeitG vermag nicht zu überzeugen, weil sie zu einer denkunmöglichen Anwendung dieser Bestimmungen führt. Überdies unterstellt die belangte Behörde damit dem ArbeitszeitG fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt.

...

Fraglich kann offenbar nur sein, ob meine hauptberufliche Verwendung bei ... 'ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wurde'.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es sohin auf die GESAMTBELASTUNG des Beschwerdeführers nicht an, sondern lediglich darauf, ob durch meine andere Tätigkeit meine hauptberufliche Verwendung beim Rechtsanwalt ... beeinträchtigt wurde oder nicht.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Tätigkeit an einer Hochschule für sich betrachtet gemäß §2 Abs1 RAO eine ebenfalls anrechenbare Tätigkeit ist und zwar nach §2 Abs2 RAO im Umfang von 15 Monaten.

Wie ich schon eingangs aufgezeigt habe, lagen keine Beeinträchtigungen durch diese für sich ebenfalls anrechenbare Tätigkeit an der Universität Wien vor: Ich arbeitete ganz normale vierzig Wochenstunden in der Anwaltskanzlei während der üblichen Kanzleizeit und arbeitete im Universitätsinstitut nur Montag bis Donnerstag zwei Stunden am Abend, Freitag nachmittags und abends sechs Stunden und am Wochenende etwa sechs Stunden.

Wenn ich auch durch die Eigenart dieser Nebenbeschäftigung mein juristisches Wissen weiter verbessern und erweitern konnte, ist dies direkt und indirekt meiner Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärter doch mehr dienlich, als wenn ich in dieser Zeit irgendwelchen Freizeitvergnügungen nachgegangen wäre. Meine Ausbildung zum Rechtsanwaltsanwärter wäre heute nicht auf dem fortgeschrittenen Stand, wenn ich mich in der fraglichen Zeit außerhalb der Konzipiententätigkeit mit - für die belangte Behörde - ungefährlicheren Dingen als einer Tätigkeit am Institut für Handels- und Wertpapierrecht abgegeben hätte, wie beispielsweise Briefmarkensammeln oder Fußballspielen.

...

Dazu kommt, daß meine Nebenbeschäftigung als Assistent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht nicht nur nicht standeswidrig oder berufsfern war, sondern eine solche, die - für sich allein betrachtet - eine zeitliche Anrechnung mit sich brächte. Auch sie dient daher meiner juristischen Fortbildung und liegt im öffentlichen Interesse an einer gediegenen Ausbildung zum Rechtsanwalt.

Wenn ich daher diese theoretisch wertvolle Fortbildung an die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt angeknüpft habe, wenn ich also beides, Hauptberuf und Nebenberuf, ausgeübt habe, dies aber ohne den Hauptberuf als Konzipient beeinträchtigt zu haben, mußte mir dies nach dem klaren Sinn des Gesetzes erlaubt und eine uneingeschränkte Anrechnung der hauptberuflichen Verwendung auf die jedenfalls bei einem Anwalt zu absolvierende Praxiszeit von vier bzw. fünf Jahren möglich sein.

...

Liegt die erste Voraussetzung (nach dem letzten Satz des §2 Abs1 RAO) für eine Anrechenbarkeit, nämlich die hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt vor - woran in meinem Fall kein Zweifel bestehen kann, weil ich in der kanzleiüblichen Zeit wöchentlich vierzig Stunden arbeite - dann kann diese hauptberufliche Verwendung unter Heranziehung aller Interpretationsmethoden niemals durch eine gemäß §2 Abs1 RAO ebenfalls anrechenbare Tätigkeit derart beeinträchtigt werden, daß dies die Nichtanrechnung der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt zur Folge hat:

a. Ist nämlich eine Tätigkeit ebenfalls anrechenbar, weil sie für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, dann kann diese Tätigkeit niemals aufgrund ihres Inhaltes die hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung durch den Inhalt der Nebentätigkeit als Assistent am Institut für Handels- und Wertpapierrecht wird auch von der belangten Behörde nicht angenommen, obwohl sie andererseits kein Wort darüber verliert, daß meine Beschäftigung für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft sehr dienlich ist.

b. Die belangte Behörde nimmt hingegen offenbar eine Beeinträchtigung aufgrund der zeitlichen Mehrbelastung an. Die belangte Behörde meint also, daß die - erst durch die ebenfalls anrechenbare Nebentätigkeit anfallende - Gesamtbelastung die hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt beeinträchtige. Auf den Gesamtumfang der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt und der ebenfalls anrechenbaren Tätigkeit, dh auf die Gesamtbelastung bei Vorliegen zweier anrechenbarer Tätigkeiten kann es aber nicht ankommen, solange nur die Verwendung bei einem Rechtsanwalt hauptberuflich erfolgt.

Denkt man nämlich den Gedanken der belangten Behörde zu Ende, so müßte auch die Anrechnung der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt entfallen, wenn diese die Normalarbeitszeit und die nach §9 ArbeitszeitG maximale Mehrarbeitszeit überschreitet. Liegt eine zu hohe und daher beeinträchtigende Mehrbelastung vor, dann kann es aber keinen Unterschied machen, ob diese Mehrbelastung in der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt allein oder durch eine für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ebenfalls dienliche (§2 Abs1 RAO) und damit anrechenbare Tätigkeit eintritt.

Überschreitungen bei der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt kommen nicht selten vor. Nach der belangten Behörde müßte auch in diesen Fällen die Anrechnung der hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt versagt bleiben. Dies wäre aber denkunmöglich, gesetzlos und willkürlich, weshalb auch über meinen Fall (hauptberufliche Verwendung bei einem Rechtsanwalt und daneben eine ebenfalls für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes dienliche und daher anrechenbare Tätigkeit am Institut für Handels- und Wertpapierrecht), nicht anders zu entscheiden gewesen wäre.

Daher ist auch der angefochtene Bescheid gesetzlos ergangen, weil bei Vorliegen einer hauptberuflichen Verwendung bei einem Rechtsanwalt eine Beeinträchtigung durch eine ebenfalls für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienliche und damit gemäß §2 Abs1 RAO anrechenbare Tätigkeit im Hinblick auf die genannten einschneidenden Rechtsfolgen nicht möglich ist."

3. Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich bislang mit keinem gleichartigen Fall wie dem vorliegenden zu befassen, in welchem die hauptberufliche Tätigkeit des Auszubildenden beim ausbildenden Rechtsanwalt unbestritten ist.

In dem mit dem Erkenntnis VfSlg. 7910/1976 erledigten Fall wollte ein Universitätsassistent in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen werden, was ihm seitens der Standesbehörde verwehrt wurde. Um solches geht es in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Gleiches gilt für den dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1989, B1207/88, zugrundeliegenden Sachverhalt; damals ging es um die hauptberufliche Beschäftigung einer Wirtschaftstreuhänder-Berufsanwärterin bei einem Wirtschaftstreuhänder, also um eine Tätigkeit, die im Grunde mit jener eines Rechtsanwaltsanwärters vergleichbar ist. Doch war die damalige Beschwerdeführerin - anders als der Beschwerdeführer hier - nur 26 Wochenstunden in einer Wirtschaftstreuhänderkanzlei, jedoch 40 Wochenstunden - und dies während der üblichen Arbeitszeiten - bei einem Bankinstitut beschäftigt. Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die damals angewendete Rechtsvorschrift ebenso wenig Bedenken wie gegen den bekämpften Bescheid, mit welchem mangels hauptberuflicher Tätigkeit bei einem Wirtschaftstreuhänder die Anerkennung derselben versagt worden war.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1990, B665/89, schließlich bezog sich auf einen Rechtsanwaltsanwärter, der zeitlich sehr begrenzt bei einem Rechtsanwalt tätig gewesen, gleichzeitig jedoch als Lehrer einer vollen wöchentlichen Lehrverpflichtung unterlegen war.

Währenddem in den beiden zuletzt genannten Fällen die belangte Behörde in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hatte, der Zweck der Ausbildung sei mangels entsprechender Anwesenheit in der Kanzlei des Ausbildenden nicht erreicht worden, steht in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren - wie dargelegt - außer Streit, daß der Beschwerdeführer im Sinne des §2 Abs1 RAO hauptberuflich bei einem Rechtsanwalt verwendet wird und dementsprechend die gesetzlich vorgesehene Ausbildung gesichert ist.

3.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben II.B.) kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10.413/1985) nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

3.3. Ersteres ist dem angefochtenen Bescheid anzulasten. Seine Begründung erschöpft sich letztlich darin, zu behaupten, eine Tätigkeit als Vertragsassistent mit einem verpflichtenden Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden stelle keinesfalls eine untergeordnete andere berufliche Tätigkeit dar, sondern sie sei als eine solche Tätigkeit anzusehen, die sehr wohl die verpflichtende hauptberufliche Tätigkeit der praktischen Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters beeinträchtige.

Nun kommt es nach §2 Abs1 RAO aber nicht darauf an, ob die "andere berufliche Tätigkeit" untergeordnet ist oder nicht, sondern allein darauf, ob die hauptberufliche Tätigkeit ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Auch wird nicht näher dargetan, worin eine solche Beeinträchtigung im vorliegenden Fall zu erblicken ist. Vielmehr wird unter Heranziehung von Einzelregelungen aus Regelungssystemen, die für die vorliegende Rechtsfrage nicht beachtlich sind - nämlich des Angestelltengesetzes, der Gewerbeordnung und des Arbeitszeitgesetzes - und anderen Zielen als der Erreichung einer optimalen Ausbildung, nämlich dem Schutz der Arbeitnehmer (Arbeitszeitregelungen) dienen, in formalistisch überspitzter Weise nachzuweisen versucht, bei einer Tätigkeit als halbbeschäftigter Assistent liege eine hauptberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des §33 RA-BL 1977 vor. Diese Verordnungsbestimmung erhält aber ihren Sinngehalt aus §2 Abs1 letzter Satz RAO, welche Regelung auf eine allfällige Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit abstellt; mit arbeitszeitrechtlichen Schutzregelungen besteht aber kein sachlicher Zusammenhang.

Die Beschwerde hat nun schlüssig dargetan, daß es unerfindlich ist, wodurch die Tätigkeit eines Vertragsassistenten, wie sie der Beschwerdeführer schon im zugrundeliegenden Verfahren im Detail beschrieben und bescheinigt und wie sie die belangte Behörde auch ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat, die praktische, 40 Wochenstunden umfassende Verwendung des Beschwerdeführers beim Rechtsanwalt während der üblichen Kanzleistunden beeinträchtigen könnte. Auch trifft es zu, daß diese Assistententätigkeit gemäß §2 Abs1 RAO ihrerseits grundsätzlich einer Anrechnung zugänglich ist. Hinzu tritt, daß einem Universitätsassistenten eine angemessene Zeit zur Erbringung wissenschaftlicher Leistungen einzuräumen ist (§180 Abs3 Z1 BDG 1979 idF des BGBl. 148/1988) und daß zu seiner regelmäßigen Wochendienstzeit insbesondere der Zeitaufwand für selbständige wissenschaftliche Tätigkeit zählt (§181 Abs1 Z1 leg.cit.). Gleiches gilt bei entsprechender Qualifikation sinngemäß auch für Vertragsassistenten (§53 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 idF des BGBl. 148/1988). Demgemäß ist der Beschwerde darin zu folgen, daß diese vom Beschwerdeführer zusätzlich ausgeübte Tätigkeit seine praktische Verwendung beim Rechtsanwalt nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern dieser förderlich und der Erreichung eines optimalen Ausbildungsstandes dienlich ist.

Demgegenüber läuft der angefochtene Bescheid im Effekt darauf hinaus, den Beschwerdeführer in seinem über das gesetzlich gebotene Ausmaß der Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärter hinausgehenden Bestreben geradezu zu behindern.

Damit wird aber den angewendeten Rechtsvorschriften ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt, weil zu Unrecht eine den in der RAO vorgegebenen Zielen der Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter dienliche Tätigkeit mit einer diese Ziele beeinträchtigenden gleichgesetzt wird.

Der Beschwerdeführer ist somit in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer allenfalls auch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden ist.

D. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten sind S 2.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Rechtsanwälte Ausbildung, Hochschulassistenten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1111.1990

Dokumentnummer

JFT_10089693_90B01111_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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