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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Y in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 19. Jänner 1993, Zl. 11-F/92, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, vom 15. Dezember 1992 auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
In der Begründung wurde ausgeführt, mit Eingabe vom 15. Dezember 1992 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt. Sie habe dieses Ansuchen im wesentlichen damit begründet, daß ihr "dieses" zumindest für die Dauer des Asylverfahrens zustehe. Nachdem sie (die Beschwerdeführerin) sich nach Umgehung der Grenzkontrolle (illegale Einreise am 30. September 1992 beim "Grenzübergang unbekannt") im Bundesgebiet aufhalte, sei der Sichtvermerk gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG zu versagen. Bei der Entscheidung habe die Behörde auf ihre (der Beschwerdeführerin) persönlichen Verhältnisse und auf die öffentlichen Interessen Bedacht genommen, insbesondere auf die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit, und sei dabei zum Schluß gekommen, daß kein Grund gemäß § 10 Abs. 3 Z. 1 FrG (Erteilung eines Sichtvermerkes aus humanitären Gründen) oder § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG (Erteilung eines Sichtvermerkes aufgrund der Vorlage einer Verpflichtungserklärung im Zusammenhang mit dem § 10 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 FrG) vorliege, um trotz eines Sichtvermerksversagungsgrundes einen Sichtvermerk zu erteilen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verbunden mit einem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Zlen. B 338/93-8, B 445/93-7, die Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist. Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG zu versagen, wenn sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß sie gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz aus dem Verfolgerstaat komme, weil sie in den Ländern auf dem Weg von der Türkei nach Österreich weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, einen Asylantrag zu stellen. § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 sei in dem Sinne zu verstehen, daß diese Person nicht nur nicht zu bestrafen sei, sondern auch keine anderen Rechtsnachteile aus diesem Grund erleiden dürfe, insbesondere nicht als "die Grenzkontrolle umgangen habend" zu betrachten sei. Infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung seien keine Feststellungen getroffen worden, ob auf sie die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Asylgesetz zutreffen und daher ihre Einreise nicht als illegal zu betrachten sei. Aus dem Bescheid oder sonstigem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, daß sie nach irgendwelchen Bestimmungen des Grenzkontrollgesetzes oder sonstigen einschlägigen Gesetzen bestraft worden sei, oder sonst die Grenzkontrolle umgangen hätte. Es könne ihr kein Verstoß gegen das Grenzkontrollgesetz vorgehalten werden, da die Umschreibung "illegale Einreise bei Grenzübergang Unbekannt" keinesfalls als ausreichend im Sinn des § 44 a Z. 1 VStG angesehen werden könne. Liege aber kein Verstoß gegen diese Gesetzesbestimmung vor, könne sich der Bescheid nicht auf das Faktum "illegale Umgehung der Grenzkontrolle" stützen.
Der Beschwerdeführerin ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde entsprechend der im Gegenstand anzuwendenden Vorschriften nicht gehalten war, bei ihrer Entscheidung den Umstand zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin einen Asylantrag gestellt hat (vgl. das Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0187).
§ 10 Abs. 1 Z. 7 FrG stellt ausdrücklich auf die Tatsache der Umgehung der Grenzkontrolle ab, eine Bestrafung nach den Bestimmungen des Grenzkontrollgesetzes wird nicht gefordert. Ob daher die Beschwerdeführerin nach diesem Gesetz bestraft wurde oder bestraft werden kann, ist für die Versagung des Sichtvermerkes nicht relevant. Auf dem Boden der Feststellungen im Bescheid erfolgte daher die Versagung des Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG zu Recht. Dies entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch dann, wenn sie bereits vor Inkraftreten des Fremdengesetzes den erwähnten Versagungstatbestand gesetzt hat, da die belangte Behörde mangels anderslautender Übergangsbestimmungen diese Vorschrift bei Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwenden hatte (vgl. Erkenntnis vom 3. März 1993, Zl. 93/18/0096).
Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, die Begründung, daß kein Grund gemäß § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG vorliege, obwohl sie sehr wohl in ihrem Antrag eine Verpflichtungserklärung und weitere Urkunden vorgelegt habe, sei nicht nachvollziehbar, ist sie darauf hinzuweisen, daß § 10 Abs. 3 FrG seinem eindeutigen Wortlaut zufolge bei Vorliegen anderer als der dort angeführten Versagungsgründe - wie bei dem hier gegebenen Versagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG - nicht zur Anwendung gelangt (vgl. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zlen. 93/18/0131 - 0133).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß die Behörde nicht darlege, worauf sich die Feststellung gründe, sie sei illegal eingereist. Wenn ihr Gelegenheit zum Parteiengehör gegeben worden wäre, hätte sie die Möglichkeit gehabt, sämtliche Gründe, die sie auch im Asylverfahren dargelegt habe, vorzubringen, was die Tatbildmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG verneint hätte, weil sie hätte widerlegen können, die Grenzkontrolle umgangen zu haben.
Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich indes, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung ohnehin die Ergebnisse des Asylverfahrens zugrunde legte. In dem vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof unmittelbar übermittelten Akt betreffend das Asylverfahren findet sich dazu die mit der Beschwerdeführerin am 6. Oktober 1992 aufgenommene Niederschrift, die folgende insoweit maßgebliche Aussage enthält:
"Am 29.9.1992, um 17.00 Uhr fuhren wir im halbvollen Bus in dem sich neben normalen Reisenden auch weitere fünf Flüchtlinge befanden. Bei den Fahrgästen handelte es sich um türkische Gastarbeiter und normale Touristen. Wir fuhren durch Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn nach Österreich. An sämtlichen Grenzübergängen, begaben wir uns in ein Versteck im Laderaum des Buses. Dieses war mit Brettern vom übrigen Laderaum abgetrennt und so nicht einsehbar. Nach dem Passieren der Grenzen, verließen wir jedesmal unser Versteck und begaben uns in den Fahrgastraum. Wann wir die einzelnen Grenzen passierten, vermag ich nicht mehr anzugeben. Wir trafen am 30.9.1992 gegen 22.00 Uhr, unmittelbar nach der Überquerung der Grenze, an einem Ort namens "Naschbach" ein. Ich verließ dort den Reisebus."
Daraus folgt, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verfahrensrügen unberechtigt sind.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180354.X00Im RIS seit
11.07.2001