Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ArbIG 1974 §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. März 1993, Zl. VwSen-220123/14/Kl/Rd, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen (mitbeteiligte Partei: R in N, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2. Dezember 1991 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer bestimmten Kommanditgesellschaft wegen der Verwaltungsübertretung nach "§ 3 Abs.1 u. 2 i.V.m. § 4 Abs.10 i.Z.m. § 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969 i.d.g.F." bestraft, weil die Gesellschaft an einem näher bezeichneten Ort am 6. Juni 1991 eine namentlich angeführte Arbeitnehmerin mit Büroarbeiten beschäftigt habe, "obwohl Frauen in der Nacht, das ist ein Zeitraum von elf aufeinander folgenden Stunden, der die Zeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr einschließt, im Falle einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4 Abs.10, BGBl. Nr. 237/1969 i. d.g.F. vor 05.00 Uhr, nicht beschäftigt werden dürfen."
Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt (§ 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51 und 45 Abs. 1 Z. 1 VStG). Nach der Begründung sei für die betreffende Filiale der angeführten Kommanditgesellschaft mit Bescheid des Arbeitsinspektorates der Arbeitsbeginn für Frauen bereits ab 5.00 Uhr zugelassen worden. Zum Tatzeitpunkt sei die genannte Arbeitnehmerin unbestrittenermaßen bereits ab 4.00 Uhr morgens beschäftigt gewesen. Die erbrachte Arbeitsstunde sei "als Ausgleich für ein an einem vorausgegangenen Tag erfolgtes früheres Weggehen eingebracht" worden. Der Mitbeteiligte habe jedoch gemäß § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft gemacht, daß er eine geeignete Person, nämlich den Filialleiter, mit der Einhaltung der Arbeitszeitregelungen betraut und diese Person auch mit der nötigen Anordnungs- und Entscheidungsgewalt ausgestattet habe, weiters, daß auch er - der Mitbeteiligte - selbst regelmäßig und unangemeldet Kontrollen dieses Bevollmächtigten durchgeführt habe, anläßlich deren er immer wieder auf die Einhaltung insbesondere auch der Arbeitszeitregelungen gedrungen habe. Der Mitbeteiligte selbst habe die Filiale kontrolliert und durch Kontaktnahme mit den Arbeitnehmern auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen. Es sei daher von einem mangelnden Verschulden des Mitbeteiligten auszugehen. Im übrigen habe auch noch nachgewiesen werden können, daß die Arbeitnehmerin durch die Übertretung der gesetzlichen Bestimmung in bezug auf den Arbeitsbeginn keinen wirtschaftlichen Vorteil oder Anreiz gehabt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten erwogen hat:
Strittig ist im Beschwerdefall, ob es dem Mitbeteiligten im Verwaltungsstrafverfahren gelungen ist, im Grunde des § 5 Abs. 1 VStG zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems darzutun. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0178) muß von einem derartigen System mit gutem Grund erwartet werden können, daß es die tatsächliche Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherstellt. Hiefür reicht die Erteilung von Weisungen und die bloße Feststellung ihrer Nichtbeachtung nicht aus; es ist vielmehr auch glaubhaft zu machen, daß - bereits vor der jeweiligen Verwaltungsübertretung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 91/19/0010) - geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durchzusetzen. Dazu gehört es etwa auch, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, daß sie keinen Anreiz zur Übertretung der Arbeitszeitvorschriften bieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 91/19/0073).
Diesen Anforderungen genügte das vom Mitbeteiligten im Verwaltungsstrafverfahren dargelegte Kontrollsystem nicht. Der Mitbeteiligte vertrat in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 6. September 1991 die Auffassung, daß er keine andere Möglichkeit habe, "als mittels Anweisungen den vorzeitigen Arbeitsbeginn zu verhindern". In der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis brachte er vor, daß der Filialbetrieb um 2.30 Uhr "aufgesperrt" werde. Die Arbeitnehmerin, die persönlich daran interessiert gewesen sei, den Arbeitsbeginn auf 4.00 Uhr vorzuverlegen, habe "durch die Anordnung und den ausdrücklichen Auftrag ... nicht davon abgehalten werden (können), die Arbeit um 4.00 Uhr zu beginnen." Eine Verhinderung der Arbeit durch sie vor 5.00 Uhr hätte "nur durch körperliche Ausweisung aus dem Betrieb" erfolgen können.
Bei dieser Sachlage kann vom Bestehen eines wirksamen, die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften sichernden Systems im Sinne der obigen Ausführungen nicht gesprochen werden, geht doch aus dem Vorbringen des Mitbeteiligten hervor, daß - außer der von der Arbeitnehmerin angeblich nicht befolgten Anweisungen - keine Maßnahmen zur Durchsetzung der Einhaltung der Arbeitsvorschriften getroffen worden waren. Der Arbeitnehmerin hätte - sachverhaltsbezogen - insbesondere nicht die offensichtlich für ihren Entschluß zum vorzeitigen Arbeitsbeginn maßgebende Möglichkeit geboten werden dürfen, "die erbrachte Arbeitsstunde als Ausgleich für ein an einem vorausgegangenen Tag erfolgtes früheres Weggehen einzubringen". Ferner wären für den Fall der Nichtbefolgung der erteilten Weisungen konkret disziplinäre Maßnahmen vorzusehen gewesen, deren Androhung allenfalls allein schon genügt hätte, um die Arbeitnehmerin von der Verwirklichung ihres Entschlusses abzuhalten.
Die belangte Behörde verkannte somit die Rechtslage, wenn sie von der Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens durch den Mitbeteiligten ausging. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180253.X00Im RIS seit
23.03.2001