TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 93/01/0271

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der A, zuletzt in L, mit mj. I und mj. M, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1992, Zl. 4.327.351/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ" albanischer Nationalität, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. November 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 7. Dezember 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 19. Oktober 1991 angegeben, sie habe ihr Heimatland aus wirtschaftlichen und politischen Gründen verlassen. Ihr Gatte, der albanischer Abstammung sei, habe an einer Mittelschule unterrichtet; als er entlassen worden sei, habe sie gemeinsam mit ihm beschlossen, auszureisen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie sei von 1986 bis 1989 Lehrerin für Mathematik gewesen. Im Jahre 1989 sei sie entlassen worden, weil sie Theorien über Demokratie in der Schule verbreitet habe. Sie habe dann keine Arbeit mehr gefunden und sei, weil ihr Gatte ähnliche Probleme gehabt habe, ausgereist.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) zunächst deshalb verneint, weil die Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe allein nicht die Gewährung von Asyl rechtfertigen könne. Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung, derzufolge die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Minderheit bzw. ethnischen Gruppe für sich allein nicht ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft zu bejahen bzw. Asyl zu gewähren (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, S. 30, angeführte Judikatur).

Desgleichen ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe und die Arbeitslosigkeit ihres Gatten für ihre Ausreise nicht als geeignet angesehen hat, eine konkret gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention darzutun (vgl. die bei Steiner, aaO., S. 29, angeführte Judikatur).

Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde erstmals geltend macht, sie habe bei ihrer Vorsprache bei der Außenstelle der Bezirkshauptmannschaft Baden im Flüchtlingslager Traiskirchen am 16. Oktober 1991 Asyl aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität sowie der eigenen politischen Gesinnung beantragt, ist ihr entgegenzuhalten, daß es sich bei der der Beschwerde beigelegten Ausfertigung der Niederschrift über diese Vorsprache um ein Formular handelt, in dem alle in der Flüchtlingskonvention enthaltenen Gründe angeführt sind, wobei auch Gründe, die die Beschwerdeführerin nicht für sich in Anspruch nimmt, in diesem Formular nicht gestrichen wurden. Welche Konventionsgründe die Beschwerdeführerin bei dieser Vorsprache tatsächlich für sich in Anspruch nehmen wollte, kann diesem Formular somit nicht entnommen werden.

Weder war im Asylgesetz (1968) noch ist im Asylgesetz 1991 für eine derartige Vorsprache die Beiziehung eines Dolmetschers - deren Unterlassung von der Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde gerügt wird - vorgeschrieben, wobei die Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 19. Oktober 1991, die unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt wurde, Gelegenheit hatte, ihre Fluchtgründe zu konkretisieren. Entgegen ihrer Auffassung war die Behörde nicht verpflichtet, einen ihrer Muttersprache mächtigen Dolmetscher beizuziehen, sondern reichte gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Dolmetschers für eine der Beschwerdeführerin ausreichend verständliche Sprache aus. Da die Beschwerdeführerin - wie sie selbst ausführt - angegeben hat, auch "wenig serbisch" zu sprechen und gegen ihre Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers für Serbokroatisch weder im Zug der Einvernahme noch in ihrer Berufung Einwendungen erhoben hat, kann aus dieser Einvernahme nicht eine offenkundige Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens abgeleitet werden, welche die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 verpflichtet hätte, dessen Ergänzung oder Wiederholung anzuordnen.

Mit dem Vorbringen in der Beschwerde, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, auf die besondere geographische Lage des Heimatortes der Beschwerdeführerin nahe der Grenze zu Albanien, aus der ersichtlich sei, daß in diesem Landstrich die Gefahr politischer Verfolgung besonders groß sei, einzugehen, macht sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 unbeachtliche Neuerungen geltend, weshalb sich eine Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen erübrigte.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde somit nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010271.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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