TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 93/16/0145

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;
57/02 Förderungen (Versicherung);
57/09 Sonstiges Versicherungsrecht;

Norm

ABGB §6;
ABGB §7;
ABGB §8;
BAO §21;
ErbStG §16 Abs1;
ErbStG §16 Abs2;
ErbStG §16 Abs3;
VersicherungsförderungsG 1954 Art2;
VersVG §166;
VersVG §167;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. August 1993, Zl. GA 11-364/93, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit einem Schriftsatz vom 3. September 1990 teilte ein Versicherungsunternehmen dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern mit, daß der am 13. März 1990 verstorbene Erblasser, der Ehegatte der Beschwerdeführerin, eine Erbschaftssteuerversicherung abgeschlossen hatte. Die Überweisung der Versicherungssumme wurde für 1. Oktober 1990 angekündigt.

In Streit steht, ob der Beschwerdeführerin die im § 16 Abs. 3 ErbStG 1955 vorgesehene Ermäßigung der Erbschaftssteuer für die Erbschaftssteuerversicherungssumme zusteht. Die belangte Behörde vertrat in der in Beschwerde gezogenen Berufungsentscheidung die Auffassung, nach der Absicht des Gesetzgebers sei Voraussetzung für diese Steuerbegünstigung die Überweisung der Versicherungssumme innerhalb von zwei Monaten an das Finanzamt. Die belangte Behörde verwies dazu auch auf die Gesetzesmaterialien sowie die vergleichbare Bestimmung des § 16 Abs. 4 ErbStG für Sparguthaben bzw. Wertpapierdepots.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird sinngemäß dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 16 Abs. 1 ErbStG 1955 liegt eine Erbschaftssteuerversicherung vor, wenn in einem Lebensversicherungsvertrag vereinbart wird, daß die Versicherungssumme innerhalb von zwei Monaten nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an das jeweils zur Entgegennahme der Einzahlung der Erbschaftssteuer zuständige Finanzamt von der Versicherungsanstalt zur Deckung der Erbschaftssteuer zu überweisen ist.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat das zuständige Finanzamt den überwiesenen Betrag in Verwahrung zu nehmen, darf ihn aber nur insoweit als Erbschaftssteuer eines oder mehrerer Erben (Vermächtnisnehmer) verrechnen, als dieser oder diese dem Finanzamt Anweisung erteilen. Wird eine Anweisung bis zur endgültigen Festsetzung der Erbschaftssteuer nicht erteilt, so ist die Versicherungssumme an die Versicherungsanstalt rückzuüberweisen.

Nach § 16 Abs. 3 ErbStG 1955 ermäßigt sich die Erbschaftssteuer um den Betrag, der sich aus der Anwendung des für die Berechnung der Steuer maßgebenden Prozentsatzes auf die als Erbschaftssteuer verrechnete Erbschaftssteuerversicherungssumme jedes Erben (Vermächtnisnehmers) ergibt.

Nach § 16 Abs. 4 ErbStG gelten die Bestimmungen der Abs. 2 und 3 sinngemäß, wenn ein inländisches Kreditinstitut ein für Zwecke der Entrichtung der Erbschaftssteuer vom Erblasser mindestens fünf Jahre vor seinem Tod gebundenes Sparguthaben oder den Erlös eines für diesen Zweck gebundenen Wertpapierdepots dem Finanzamt binnen zwei Monaten nach dem Tod des Erblassers zur Deckung der Erbschaftssteuer überweist.

§ 16 Abs. 1 bis 3 ErbStG 1955 wurde aus Art. II Versicherungsförderungsgesetz, BGBl. Nr. 181/1954, übernommen. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Bundesgesetzes (vgl. 305 Blg. NR. 7. GP) soll die Erbschaftssteuerversicherung die rasche Entrichtung der Erbschaftssteuer sicherstellen. Infolge der Anordnung, daß die Versicherungssumme zwei Monate nach dem Tode des Erblassers an das Finanzamt abzuführen ist, werde die Finanzverwaltung meist lange vor Abschluß der Verlassenschaftsabhandlung und auch lange vor dem Ergehen des Erbschaftssteuerbescheides faktisch die Erbschaftssteuer teilweise oder zur Gänze erhalten. Als Gegenleistung der Finanzverwaltung sehe der Entwurf eine Steuerermäßigung vor.

Im Beschwerdefall steht die Auslegung des § 16 Abs. 1 bis 3 ErbStG 1955 in Streit. Gegenstand der Auslegung ist der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes, um dessen Verständnis es bei der Auslegung geht. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinnes des Gesetzes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1993, 91/17/0151). Die allgemeinen Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechtes (insbesondere jene der §§ 6 und 7 ABGB), die der grammatikalischen die logische und die teleologische Interpretation als (zumindest) gleichberechtigt zur Seite stellen, gelten in uneingeschränktem Ausmaß auch für das Abgabenrecht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1978, 1649/77, Slg. 5212/F).

Wenn dabei auch den Gesetzesmaterialien keine selbständige normative Kraft zukommt, so sind sie doch für die Ermittlung der Absicht des Gesetzgebers bedeutsam. Die Gesetzesmaterialien werden dabei nur dann zur Auslegung eines Gesetzes heranzuziehen sein, wenn der Wortlaut des Gesetzes selbst zu Zweifeln über seinen Inhalt Anlaß gibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1989, 88/15/0066).

Hinsichtlich der für den Beschwerdefall entscheidenden gesetzlichen Bestimmung hat nun der Gesetzgeber der Begünstigungsbestimmung des Abs. 3 des § 16 ErbStG 1955 im Abs. 1 eine Begriffsbestimmung der "Erbschaftssteuerversicherung" vorangestellt. Aus dieser Begriffsbestimmung ist in Verbindung mit den Verrechnungsvorschriften des Abs. 2 die klare Absicht des Gesetzgebers - wie sie auch in den Gesetzesmaterialien dokumentiert wurde - ersichtlich, eine rasche Entrichtung der dem Grunde nach bereits entstandenen Erbschaftssteuerschuld herbeizuführen. Aus dieser Absicht des Gesetzgebers folgt aber, daß nur eine solche Versicherungssumme steuerlich begünstigt ist, die entsprechend der Vereinbarung zwischen Erblasser und dem Versicherungsunternehmen auch tatsächlich innerhalb der Zwei-Monats-Frist überwiesen worden ist. Es kann dabei dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß er auch eine vereinbarungswidrig nicht innerhalb dieser Frist überwiesene Versicherungssumme begünstigen wollte. Folgte man der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach es nur auf den Abschluß einer als Erbschaftssteuerversicherung anzusehenden Vereinbarung, nicht aber auf ihre Erfüllung ankommt, so wäre auch eine dem Finanzamt überhaupt nicht überwiesene Summe begünstigt, ein Ergebnis, das überdies dem Wortlaut des Abs. 3 leg. cit. widersprechen würde (arg.: "auf die als Erbschaftssteuer VERRECHNETE

Erbschaftssteuerversicherungssumme").

Wenn die Beschwerdeführerin meint, die Bestimmung des § 16 ErbStG ergebe auch bei der von ihr vorgenommenen Auslegung insoferne (noch) einen Sinn, weil darin das "Finanzamt" (richtig wohl: die Republik Österreich) als Begünstigter des Versicherungsvertrages bezeichnet werde, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Person des Begünstigten aus einem Lebensversicherungsvertrag durch die zusätzliche Vereinbarung einer "Erbschaftssteuerversicherung" keine Änderung erfährt. Der Abschluß einer Erbschaftssteuerversicherung hat auf die Bezugsberechtigung im Sinne der §§ 166 f Versicherungsvertragsgesetz, BGBl. Nr. 2/1959, keinen Einfluß.

Die belangte Behörde hat in einer ihren Bescheid nicht tragenden Weise bloß darauf hingewiesen, daß die von ihr vorgenommene Auslegung zu einer Gleichbehandlung der Fälle des Abs. 1 und jener des Abs. 4 des § 16 ErbStG 1955 führt. Sie hat aber entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin aus Abs. 4 - diese Gesetzesstelle wurde durch die ErbStG-Novelle 1967, BGBl. Nr. 15/1968, eingefügt - nicht auf den Willen des (historischen) Gesetzgebers des § 16 Abs. 1 bis 3 ErbStG 1955 geschlossen. Ebensowenig hat die belangte Behörde aus Abs. 4 eine "Lückenschließung im Wege der Gesetzesanalogie" vorgenommen.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993160145.X00

Im RIS seit

22.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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