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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. August 1992, Zl. 4.311.933/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, reiste am 4. März 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 7. März 1991 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 8. März 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab er an, er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe in der Türkei und Alevite. In der Türkei habe er keinerlei Rechte. Die Angehörigen der kurdischen Volksgruppe würden in vielen Lebensbereichen benachteiligt. Da Aleviten im Monat Ramadan nicht fasteten, würden sie von Sunniten als gottlos beschimpft. Die Kurden hätten keine Möglichkeit, einen festen Arbeitsplatz zu bekommen. Er habe die Hauptschule wegen seiner Abstammung nicht beenden können, weil er auf dem Weg zur Schule oftmals von Türken tätlich angegriffen worden sei. Er sei auch von Türken aus seiner Umgebung mehrmals bei der Polizei angezeigt worden, er unterstütze die Widerstandsbewegung PKK. Im Jahre 1989 sei er aufgrund solcher Anzeigen dreimal von der Polizei festgenommen und jeweils bis zu 12 Stunden festgehalten und verhört worden. Die letzte Festnahme sei im April oder Mai 1990 in einem Kaffeehaus in seiner Heimatstadt erfolgt, er sei 12 Stunden im Arrestraum der Polizeistation festgehalten und nach Verbinden der Augen geschlagen worden. Sonst sei er keinen weiteren Verfolgungen seitens der Behörden ausgesetzt gewesen.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer ohne ergänzendes Sachvorbringen ausschließlich geltend, es handle sich bei dem erstinstanzlichen Bescheid um einen reinen Formalbescheid ohne individuelle Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung; erwiesen sei, daß die Kurden in der Türkei verfolgt würden.
Mit Bescheid vom 13. August 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 ab und sprach aus, daß dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt werde. Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Indizien für eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung, die über die Lebensumstände, denen grundsätzlich alle Kurden in der Türkei ausgesetzt seien, hinausgingen. Die behaupteten vorläufigen Festnahmen wiesen keinen pönalen Charakter auf, die erlittenen Mißhandlungen seien als zu verurteilende Übergriffe der Organe der türkischen Behörden zu qualifizieren, welche keine systematische Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes darstellten. Es bestehe auch kein direkter zeitlicher Konnex zwischen den Vorfällen und der Ausreise des Beschwerdeführers aus der Türkei. Die geltend gemachten Eingriffe stellten aufgrund ihrer Art und Intensität keinen ernsthaften Nachteil dar, es handle sich dabei vielmehr um Routinevorkommnisse von geringer Eingriffsdauer und Intensität, in deren Folge sich für den Beschwerdeführer keine weiteren Nachteile ergeben hätten. Derartige Eingriffe verunmöglichten noch nicht ein menschenwürdiges Leben oder erschwerten es derart, daß man sich nur durch Ausreise dem entziehen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil sein Spruch unklar und unbestimmt sei; diesem könne nicht entnommen werden, welche konkrete Erstbehörde gemeint sei, es fehle die Bezeichnung der Geschäftszahl und des Ausstellungsdatums des erstbehördlichen Bescheides. Diese Darlegungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil die deutliche Bezeichnung des Gegenstandes der Erledigung (Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. Juni 1991, Zl. FrA-179/91) zwar nicht im Spruch enthalten war, es dem Beschwerdeführer aber bewußt war, um welche Erledigung eines Rechtsmittels es sich bei dem angefochtenen Bescheid gehandelt hat.
Es ist der belangten Behörde im Ergebnis darin beizupflichten, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten behördlichen Belästigungen und Schikanen, denen die Kurden als Volksgruppe in der Türkei vielfach ausgesetzt sind, ihrer Intensität nach nicht als Verfolgungsmaßnahmen im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gesehen werden können.
Denn soweit die belangte Behörde die Festnahmen und Verhöre des Beschwerdeführers im Jahr 1989 und zuletzt April/Mai 1990 als für das Vorliegen von begründeter Furcht vor Verfolgung zeitlich als zu weit zurückliegend gewertet hat, befindet sie sich mit dieser Rechtsansicht im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge geltend gemachte Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise eines Asylwerbers mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet sind (vgl. u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081 und die dort angeführte Judikatur). Auch hat der Beschwerdeführer keine Gründe angeführt, die ihn gehindert hätten, unmittelbar nach dem letzten als Verfolgung geltend gemachten Vorfall aus seinem Heimatland auszureisen.
Insoweit der Beschwerdeführer die mangelnde Erörterung des der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltes bemängelt, sei auf § 20 Asylgesetz 1991 verwiesen, wonach - bei dem im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt - eine ergänzende Ermittlungspflicht der belangten Behörde im Sinn des Abs. 2 leg. cit. nur bei offenkundiger Mangelhaftigkeit, die aber nicht vorliegt, gegeben wäre. Weder aus § 13a AVG noch aus § 16 Asylgesetz 1991 kann eine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden, einen Asylwerber, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte (vgl. u. a. auch hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010917.X00Im RIS seit
20.11.2000