Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1992, Zl. 4.327.199/3-III/13/92, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Berufungsfrist, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines albanischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. April 1992, mit dem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Berufungsfrist abgewiesen worden war, abgewiesen und die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. November 1991, mit dem festgestellt worden war, daß die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling beim Beschwerdeführer nicht vorlägen, als verspätet zurückgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer die Versäumung der Berufungsfrist damit begründet habe, daß er von der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung des Bescheides nichts erfahren habe, da die Benachrichtigung über die Hinterlegung beim Postamt nie in seine Hände gekommen sei. In der Pension, in der er wohne, würden nämlich einlangende Poststücke derart aufbewahrt, daß sie in Verlust geraten können, weil z.B. spielende Kinder dazu gelangen können. Damit sei es dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, ein ihn an der Einhaltung der Berufungsfrist hinderndes, unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis, nämlich die Entfernung der Aufforderung, am 25. November 1991 zur Entgegennahme des Bescheides vom 12. November 1991 an der Abgabestelle anwesend zu sein, sowie die Entfernung der Verständigung von der Hinterlegung dieses Bescheides durch Dritte glaubhaft zu machen. Zum einen sei nämlich ein behördliches Schriftstück als Spielzeug für Kinder wenig attraktiv, zum anderen sei es unwahrscheinlich, daß sowohl die Ankündigung des zweiten Zustellversuches, als auch die - kurze Zeit später vorgenommene - Verständigung von der Hinterlegung durch Zufall oder durch dritte Personen entfernt worden seien. Bei diesem Ergebnis habe auf die Frage, ob den Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ein - über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes - Verschulden treffe, nicht mehr geprüft werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht gemäß § 71 AVG auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich vom 12.11.1991" verletzt erachtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt unter dem Beschwerdegesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, er habe in seinem Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, daß er weder von der Aufforderung, zur Entgegennahme des Bescheides an der Abgabestelle anwesend zu sein, noch von der erfolgten Hinterlegung Kenntnis erlangt habe. Er habe ausdrücklich "die erfolgte ordnungsgemäße Aufforderung und die erfolgte Zustellung durch Hinterlegung" bestritten.
"Ergänzend" dazu würde vorgebracht, daß an der Abgabestelle des Beschwerdeführers ein Hausbrieffach, in das der Zusteller die in Rede stehenden Verständigungen hätte einlegen können, nicht vorhanden sei. Vielmehr würden in der vom Beschwerdeführer bewohnten Pension einlangende Poststücke in einem Raum aufbewahrt, der als Küche verwendet werde und in dem sich nur zeitweise eine Verwalterin aufhalte. In diesem Raum fehle es jedoch an einem besonderen Platz für die Aufbewahrung von Poststücken, sodaß diese leicht in Verlust geraten könnten.
Obwohl sich daher aufgrund des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers Zweifel über die ordnungsgemäße Hinterlegung hätten ergeben müssen, habe es die belangte Behörde unterlassen, zu erheben, wo und bei wem die beiden Verständigungen erfolgt seien. Rechtlich verfehlt sei die (auch) von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß den Beschwerdeführer - als an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten - eine gegenüber einem Durchschnittsmenschen erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung seines Vorbringens hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen gehabt.
Dieses Vorbringen vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gesteckt ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1987, Zl. 86/10/0095). Innerhalb dieser Frist obliegt es daher dem Wiedereinsetzungswerber, alle Wiedereinsetzungsgründe vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0347).
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, daß die Benachrichtigung über die Hinterlegung nicht in seine Hände gelangt sei, "da einlangende Poststücke derart aufbewahrt werden, daß sie in Verlust geraten können. Z.B. können spielende Kinder dazu gelangen". Wenn die belangte Behörde daher die Auffassung vertritt, daß dieses Vorbringen nicht ausreicht, die Richtigkeit des behaupteten Verlustes oder der Entfernung der Verständigung durch Dritte als wahrscheinlich erscheinen zu lassen, so kann ihr - schon wegen des Fehlens einer näheren Begründung - nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, zumal das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine bloße Vermutung des Verlustes der Post wegen der nicht näher beschriebenen Aufbewahrung nicht hinausgeht. Soweit der Beschwerdeführer sein diesbezügliches Vorbringen in der Beschwerde ergänzt, ist ihm das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG entgegenzuhalten.
Unzutreffend ist der Vorwurf in der Beschwerde, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß den Beschwerdeführer eine gegenüber einem Durchschnittsmenschen erhöhte Sorgfaltspflicht träfe. Die belangte Behörde hat vielmehr die Auffassung vertreten, daß das Tatbestandsmerkmal des fehlenden Verschuldens bzw. des Vorliegens eines minderen Grades des Versehens nicht (mehr) geprüft werden müsse.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß bei der Zustellung Mängel unterlaufen seien, und er das Unterlassen entsprechender Erhebungen rügt, vermag dies der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil bei Vorliegen von Zustellmängeln eine Wiedereinsetzung nicht in Frage kommt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1987, Zl. 86/10/0095).
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V. mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992011093.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
26.07.2010