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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1992, Zl. 4.284.454/5-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines bulgarischen Staatsangehörigen, der am 24. Oktober 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge auf den Beschwerdeführer nicht zutreffen, abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG ausdrücklich dahingehend bezeichnet, daß er durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft "im Sinne der Konvention bzw. im Sinne des Asylgesetzes" verletzt worden sei. Es ist daher zunächst festzuhalten, daß der Beschwerdeführer ungeachtet des von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden Asylgesetzes 1991 in dem von ihm behaupteten Recht verletzt sein konnte, hatte doch die Nichtgewährung von Asyl die Feststellung, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinn des Asylgesetzes 1991 zur Voraussetzung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0834).
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 27. Oktober 1989 im wesentlichen ausgeführt, er sei türkischer Abstammung, habe seit seiner Geburt in Bulgarien gelebt, könne allerdings weder einen "eigenen Fluchtgrund" angeben, noch Angaben über die Fluchtgründe seiner Eltern machen, mit denen er aus Bulgarien ausgereist sei.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, daß er aus Gründen der Religion sowie der Zugehörigkeit zur türkischen Minderheit in Bulgarien verfolgt worden sei. So sei er im Jahre 1985 gezwungen worden, in seinem Reisepaß statt seines türkischen Namens einen bulgarischen zu führen. Er habe weiters in der Schule und in der Öffentlichkeit seine türkische Muttersprache nicht verwenden dürfen und es seien, weil er dieses Verbot übertreten habe, mehrmals Geldstrafen von seinem Vater zu bezahlen gewesen. Es sei auch vorgekommen, daß er auf der Straße von Polizisten verprügelt worden sei.
Die Religionsausübung sei bei hohen Gefängnisstrafen verboten gewesen, die Moscheen seien geschlossen und teilweise zerstört worden. So sei eine Moschee in Sofia während des Freitagsgebetes gesprengt worden. Verwandte seien, weil sie bei einer religiösen Feier "erwischt" worden wären, zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. An diesen Umständen habe sich laut Berichten von Verwandten aus der Heimat trotz einer Demokratisierung Bulgariens nichts geändert.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß die Nachteile die der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur türkischen Minderheit zu tragen gehabt hätte, keine gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgungsmaßnahmen, sondern von der gesamten Volksgruppe im gleichen Maße hinzunehmen gewesen seien. Darüberhinaus habe sich die Lage seiner Volksgruppe mittlerweile entscheidend verbessert. Der Gebrauch der türkischen Sprache und der ungestörte Besuch der Moscheen werde jetzt ungehindert zugelassen. Im übrigen bestehe zwischen dem Anschlag auf eine Moschee sowie der Haftstrafe, die über die Verwandten des Beschwerdeführers verhängt worden sei, und der Person des Beschwerdeführers kein unmittelbarer Zusammenhang.
Der Beschwerdeführer bestreitet, daß sich in seinem Heimatland die politischen Verhältnisse faktisch geändert hätten. Vielmehr bestehe "auch weiterhin konkrete Verfolgungsgefahr", an der die Erlassung "formeller Bestimmungen" nichts zu ändern vermöchten.
Mit diesem Vorbringen verstößt der Beschwerdeführer nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weil ihm nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten entgegen der Vorschrift des § 37 AVG im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten wurde, insoweit zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Bei dieser Sachlage zeigt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen einen Verfahrensmangel auf, der allerdings deshalb nicht wesentlich ist, weil die belangte Behörde auch bei seiner Vermeidung zu einem anderen Ergebnis nicht hätte gelangen können. Die Auffassung der belangten Behörde trifft nämlich im Ergebnis zu:
Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hatte die belangte Behörde, da eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 der Aktenlage nach nicht vorgelegen hat, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Die belangte Behörde hatte daher auf die erstmals in der Berufung enthaltenen Behauptungen über eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen der Religion und der Zugehörigkeit zur türkischen Minderheit nicht Bedacht zu nehmen. Auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers, der keinen "eigenen Fluchtgrund" angeben konnte, kann der belangten Behörde aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie es nicht für glaubhaft erachtet hat, daß sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Asylgesetz 1991 außerhalb seines Heimatlandes befindet. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit alleine stellt noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar, denn nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an, nicht aber bloß auf die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0353).
Im übrigen wären selbst die in der Berufung behaupteten Maßnahmen nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu werten. Es können nämlich das Verbot, in der Öffentlichkeit türkisch zu sprechen, und die zwangsweise Änderung des Namens unter dem Gesichtspunkt der Intensität des Eingriffes (noch) nicht als derart gravierende Nachteile angesehen werden, daß daraus begründete Furcht vor Verfolgung abgeleitet werden könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0013). Gleiches gilt für die behaupteten Einschränkungen in der Religionsausübung, wobei der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang konkrete, gegen ihn gerichtete Maßnahmen wegen von ihm geübter religiöser Handlungen nicht behauptet hat.
Im übrigen ist dem Beschwerdeführer, soweit er im Hinblick auf die zwangsweise Namensänderung Verfolgung aus der Verletzung (in einem nicht näher bezeichneten) "Grundrecht" abzuleiten versucht, entgegenzuhalten, daß für die Gewährung von Asyl ausschließlich die in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Gründe, nicht jedoch Gründe anderer Art (auch nicht solche nach der EMRK) von Bedeutung sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0755, 0812).
Schließlich ist zum Vorwurf in der Beschwerde, die belangte Behörde habe das Asylgesetz 1991 rückwirkend angewendet und dadurch den Beschwerdeführer unzulässigerweise schlechter gestellt, auf § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991, wonach Verfahren, die - wie das vorliegende - am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig waren, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen sind, sowie zur Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992,
Zlen. B 1387/92, B 1542/92, hinzuweisen.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war
gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Auslagenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992011058.X00Im RIS seit
20.11.2000