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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0929Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der I in W, vertreten durch H, Rechtsanwalt in W, (im Verfahren Zl. 92/01/01015) sowie durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, (im Verfahren Zl. 93/01/0929), gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1992, Zl. 4.298.594/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, und vom 5. März 1993, Zl. 4.298.594/17-III/13/93, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 6. Juni 1990 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, stellte am 18. Juni 1990 den Antrag, ihr Asyl zu gewähren. Anläßlich ihrer am 22. Juni 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien erfolgten Ersteinvernahme gab sie an, sie habe eine Ausbildung als technische Zeichnerin abgeschlossen und sei in diesem Beruf in der Zeit von 1962 bis 1990 tätig gewesen. In ihrer Heimat habe sie keiner politischen Partei angehört und sei auch in keiner Weise politisch tätig gewesen. Die politische und wirtschaftliche Situation in Rumänien habe sich in keiner Weise gebessert. Die Securitate sei wieder "voll im Geschehen". Die "ehemalig Festgenommenen der Securitate seien wieder in ihren Ämtern und hätten meist noch höhere Ränge und natürlich auch Macht als früher." Vor der Wahl in ihrer Fabrik sei für jeden ein Zettel herumgereicht bzw. eine Art Umfrage durchgeführt worden. Auf diesen Zettel hätten die Betriebsangehörigen unterschreiben müssen, wem sie bei der Wahl die Stimme geben würden. Wer eine andere Partei als die von Iliescu angekreuzt und unterschrieben habe, sei entlassen worden, wobei angeführt worden sei, daß diese Person "faul, unkorrekt und unpünktlich" gewesen sei. Dies stimme natürlich nicht. Aus all diesen Gründen habe sich die Beschwerdeführerin gezwungen gesehen, nach Österreich zu flüchten. Sie sei auch von der Securitate aufgefordert worden, in ihrer "Firma" auszuspionieren, wer eine andere Person als Iliescu wählen werde. Dies habe die Beschwerdeführerin jedoch verweigert, weshalb ihr gedroht worden sei.
Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Jänner 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei mit V verheiratet gewesen und habe sich scheiden lassen, als sie erfahren habe, daß er für die Securitate gearbeitet habe. 1987 habe sie S geheiratet, sei aber von dem Unternehmen A entlassen worden, weil sie nicht für ihren Exgatten als Denunziantin habe arbeiten wollen. Bei ihrer Ersteinvernahme habe sie die Situation anzugeben gefürchtet, da ihre Tochter noch nicht in Österreich angekommen gewesen sei. Der Gedanke, daß auch in Österreich rumänische Securitate-Leute die Einreise der Tochter hätten verhindern können, hätte sie dazu bewogen, diese Sache bei ihrer Ersteinvernahme nicht anzugeben. Die Tochter sei am 29. Juli 1990 nach Österreich gekommen. Seit vielen Jahren habe sie den Wunsch gehegt, nach Österreich zu kommen, es sei ihr aber erst nach der Revolution möglich gewesen. Die schlimmste Situation sei gewesen, daß wegen ihres ersten Ehemannes V sehr viele Leute vom Unternehmen S im Gefängnis gewesen seien, wobei ein nach der Revolution wieder entlassener Häftling namens N sich "durch einen Unfall" an ihrer Tochter habe rächen wollen und sie telefonisch bedroht habe, sodaß sich ihre Tochter nicht mehr aus dem Haus getraut habe. Diese Sache habe beide veranlaßt, Rumänien zu verlassen. Eine Rückkehr nach Rumänien sei für die Beschwerdeführerin und ihre Tochter aus den angegebenen Gründen nicht mehr möglich.
Mit Bescheid vom 7. April 1992 gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge und sprach aus, die Beschwerdeführerin sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Dabei ging die belangte Behörde begründend im wesentlichen davon aus, die Beschwerdeführerin habe im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befände und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene schlechte wirtschaftliche Situation, die sie zur Ausreise veranlaßt habe, sei nicht geeignet, die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Konvention zu rechtfertigen. In der niederschriftlichen Befragung vor der Behörde erster Instanz habe sie vielmehr angegeben, in den Jahren 1962 bis 1990 durchgehend als technische Zeichnerin beschäftigt gewesen zu sein, woraus sich ergebe, daß sie nach Abschluß der Ausbildung eine ihren Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung ausgeübt und dabei ein dem allgemeinen Lohnniveau angemessenes Einkommen bezogen habe. Es sei daher im Zusammenhang mit der beruflichen Laufbahn der Beschwerdeführerin keine Verfolgung erkennbar. Die Berufungsausführungen, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Unternehmen entlassen worden, erachtete die belangte Behörde als unglaubwürdig, da erfahrungsgemäß Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben machten, die der Wahrheit am nächsten kämen. Die gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Drohanrufe seien ihrer eigenen Angabe zufolge von Privatpersonen ausgegangen und daher staatlichen Organen nicht zurechenbar. Es sei dem Berufungsvorbringen auch nicht zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin wegen dieser Vorfälle die Behörden vergeblich um Schutz angerufen hätte.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben jedoch mit Beschluß vom 29. September 1992, Zl. B 691/92-10, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (protokolliert zu Zl. 92/01/1015).
Am 23. September 1992 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 7. April 1992 abgeschlossenen Asylverfahrens und begründete diesen Antrag wie folgt:
"Nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens in zweiter Instanz ist ein Beweismittel, die Zeugin L, wohnhaft M, Rumänien, Telefon: X/Y, hervorgekommen.
Wie mir am 11. September 1992 bekannt wurde, besteht für Frau L nunmehr die Möglichkeit, aus Rumänien auszureisen. Sie könnte auch zum Zwecke einer Einvernahme vor der Asylbehörde erscheinen.
Ein in Aussicht zu nehmender Termin möge vorweg meinem Vertreter bekanntgegeben werden, damit die Zureise aus Rumänien organisiert werden kann. Direktkontakte mit der Zeugin von behördlicher Seite wären zu vermeiden, da die Situation in Rumänien nach wie vor unsicher ist, insbesondere auch Telefonate noch abgehört werden.
Bei der Zeugin L handelt es sich um eine langjährige Freundin, welche mich bereits aus der Zeit vor der Revolution kennt und die Ereignisse, welche zu meiner Flucht aus Rumänien führten, miterlebte. Die Zeugin L kann die Erfahrungen, insbesondere Drohungen, welchen ich durch die Securitate ausgesetzt war, bestätigen."
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, auch wenn man davon ausgehe, daß die namhaft gemachte Zeugin die Drohungen durch die Securitate bestätige, würde dies nicht zu einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid führen können.
I.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg. Zl. 93/01/0929 protokollierte Beschwerde. Mit beiden Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Infolge des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:
Mit ihrer zu Zl. 92/01/1015 protokollierten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin zunächst unter dem Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde lasse ihre Angaben, deren Glaubwürdigkeit die Behörde nicht geleugnet habe, in rechtlicher Hinsicht ungeprüft. Insbesondere sei die Securitate in Rumänien zweifellos eine Organisation zur Verfolgung politisch Andersdenkender, deren Ansinnen sie nicht entsprochen habe und deren gegen sie gerichtete Drohungen daher als Verfolgungshandlungen politischen Charakters einzustufen gewesen wären. Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, die gegen sie gerichteten Drohanrufe könnten nicht bloßen "Privatpersonen" zugeordnet werden, insbesondere da es sich dabei um Mitglieder der Securitate gehandelt habe. Insoweit die Beschwerdeführerin die von dem namentlich genannten Exhäftling ausgestoßene Drohung als gegen sie persönlich gerichtet darstellt, handelt es sich um eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, da sie im Verwaltungsverfahren die diesem zurechenbare Drohung ausschließlich als gegen ihre Tochter gerichtet angegeben hatte.
Es ist der Beschwerdeführerin jedoch zuzugestehen, daß das Ansinnen der belangten Behörde, sich zwecks Abwehr drohender Angriffe durch Angehörige der Securitate an staatliche Behörden zu wenden, auf Grund der politischen Verhältnisse in Rumänien nicht unbedenklich wäre.
Der von der Beschwerdeführerin als Fluchtgrund dargelegte Sachverhalt erweist sich jedoch weder unter dem Gesichtspunkt der Intensität der Maßnahme (der Schwere des Eingriffs in Rechtsgüter der Asylwerberin) noch unter jenem des Zusammenhanges mit Konventionsgründen als geeignet, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes glaubhaft zu machen. Als Fluchtgründe kommen unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0544). Einen Sachverhalt, der eine massive Bedrohung der Lebensgrundlagen der Beschwerdeführerin im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0181) nach sich gezogen hätte, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Nach der Auffassung der Beschwerde habe die belangte Behörde die politische Komponente, die hinter dem von der Beschwerdeführerin in erster Instanz erstatteten Vorbringen gestanden sei, nicht entsprechend beachtet, daß nämlich die Weigerung, das Wahlverhalten der Kollegen am Arbeitsplatz auszuspionieren, zu gegen sie gerichtete Drohungen und Entlassung geführt habe. Diese gegen sie gerichteten Maßnahmen stellen aber keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar (vgl. auch
hg. Erkenntnisse vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0786 mit weiteren Judikaturhinweisen, und vom 8. Juli 1993, Zl. 92/01/1038). Die zur Zl. 92/01/1015 protokollierte Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
II.
In ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1992 abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens beantragt die Beschwerdeführerin die nunmehr zur Verfügung stehende Zeugin L nur zum Beweis für "die Erfahrungen, insbesondere Drohungen, welchen ich durch die Securitate ausgesetzt war".
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiederaufnahme infolge eines neu hervorgekommenen Beweismittels dessen voraussichtliche Entscheidungsrelevanz. Diese ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen, da die Zeugin zu einem Beweisthema namhaft gemacht wurde, welches sich mit dem der rechtlichen Beurteilung des das wiederaufzunehmende Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheides zugrundeliegenden Vorbringen der Beschwerdeführerin selbst deckt, dem jedoch aus den bereits vorstehend genannten Gründen die Eignung einen Verfolgungsgrund darzutun im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt.
Da bereits der Inhalt der zur Zl. 93/01/0929 protokollierten Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992011015.X00Im RIS seit
03.04.2001