TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 93/01/0394

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.1993
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1992, Zl. 4.335.532/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. April 1992 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin - eine bulgarische Staatsangehörige, die am 29. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist - die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (BGBl. Nr. 126/1968) nicht erfülle. Mit Bescheid vom 17. Dezember 1992 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Bei der ersten niederschriftlichen Befragung am 10. April 1992 gab die Beschwerdeführerin an, daß sie mit der Demokratischen Partei sympathisiert habe. Sie sei im Dezember 1990 von ihrem Arbeitsplatz wegen ihrer politischen Einstellung entlassen worden, ihre Vorgesetzte sei Kommunistin gewesen. In der Folge habe sie wegen ihrer politischen Einstellung Schwierigkeiten gehabt, wieder eine neue Arbeit zu finden. Als sie im Oktober 1991 eine Arbeit bekommen habe, sei sie - als man ihre politische Einstellung erfahren habe - während der Probezeit entlassen und ihr keinerlei Entgelt bezahlt worden. Da sich die politische Lage in Bulgarien nicht geändert habe und sie sich ohne Arbeit keine Zukunft aufbauen könne, habe sie sich entschlossen, ihre Heimat zu verlassen.

In ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin weiters aus, daß ihrer Familie während des kommunistischen Regimes die Aussiedelung angedroht worden sei und sie selbst keine Möglichkeit gehabt habe, ihre Ausbildung fortzusetzen. Nach Änderung der politischen Situation im Jahre 1989 seien die Bedrohungen umso ärger fortgesetzt worden. Weil sie Mitglied der "Union demokratischer Kräfte" gewesen sei, habe sie im Jänner 1991 ihren Arbeitsplatz verloren. Sie sei vor den Wahlen 1990 sowie auch 1991 in Briefen mit dem Tode bedroht worden, wenn sie diese Partei gewählt hätte. Sie habe den Demokratisierungsprozeß in ihrem Land abgewartet, aber festgestellt, daß sich an der politischen Situation in ihrem Heimatland nichts geändert habe. Weiterhin hätten die früheren kommunistischen Machthaber ihre alten Positionen inne. Sie habe daher Bulgarien verlassen.

Die belangte Behörde begründete ihre Abweisung des Asylantrages damit, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen würden, daß sie sich "aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen". Erfahrungsgemäß gehorche eine Verfolgung einem rationalen Kosten-Nutzen-Kalkül. Es müsse Grund für die Annahme bestehen, daß der Asylwerber ein Gegner des herrschenden Systems sei und die Verfolgung dem begegne. Für den Fall, daß der Asylwerber nur in untergeordneter Rolle politisch tätig gewesen oder allgemein kein schlüssiges Motiv für den potentiellen Verfolgerstaat feststellbar sei, erscheine eine Verfolgung nicht glaubhaft. Es sei weiters aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verlust des Arbeitsplatzes und einer dem Staat zurechenbaren Verfolgung zu erkennen. Überdies erscheine angesichts des mit den Wahlen im Oktober 1991 fortgeschrittenen Demokratisierungsprozesses eine Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention - zumindest aus objektiver Sicht - nicht begründbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, daß ihr gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 der Flüchtlingsstatus hätte zuerkannt werden müssen, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da das Berufungsvorbringen im vorliegenden Fall am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig war, ist gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden. Gemäß § 1 Z. 1 leg. cit. ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 60 AVG muß die Behörde in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzeigen, von welchen Sachverhaltsannahmen sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist (vgl. u.a. die Ausführungen bei Mannlicher - Quell, Das Verwaltungsverfahren8, 1975, 318 f; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes3, 139 f, und Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 1982, 239 ff, und die dort jeweils angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Insoweit als die Behörde keinerlei Feststellungen dazu getroffen hat, von welchem Sachverhalt sie auf Grund der voneinander abweichenden Aussagen der Beschwerdeführerin bei der Ersteinvernahme und in der Berufung ausgegangen ist, liegt ein Verfahrensmangel vor. Dieser Verfahrensmangel ist aber nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlich, weil bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift die belangte Behörde zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Es ist nämlich im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 davon auszugehen, daß die belangte Behörde vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen hatte. Gründe dafür, daß eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 geboten gewesen wäre, wurden weder in der Berufung noch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorgetragen. Die belangte Behörde hat sich in dem angefochtenen Bescheid auch mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren erster Instanz auseinandergesetzt.

Nach den Angaben der Beschwerdeführerin bei der Ersteinvernahme hatte sie den Arbeitsplatz wegen ihrer politischen Einstellung verloren und aus diesem Grund letztlich auch keine neue Arbeit gefunden. Zu diesem Vorbringen hat die belangte Behörde auf Grund der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0345) zutreffend festgestellt, es sei nicht dargelegt worden, daß der Verlust des Arbeitsplatzes in einem kausalen Zusammenhang mit einer dem Staat zurechenbaren Verfolgung stehe. Der Verlust des Arbeitsplatzes kann im übrigen im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur dann als Verfolgung im Sinne von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet werden, wenn damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0717). Allein durch die Behauptung der Beschwerdeführerin im maßgeblichen erstinstanzlichen Verfahren, sie habe keinen neuen Arbeitsplatz gefunden und sich ohne Arbeit keine Zukunft in Bulgarien aufbauen können, hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können, daß sich infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes eine solche massive Bedrohung der Lebensgrundlage ergeben hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt allerdings die Auffassung der belangten Behörde nicht, daß erfahrungsgemäß eine Verfolgung einem rationalen Kosten-Nutzen-Kalkül gehorcht (siehe in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0207, 0208).

Es ist weiters der Beschwerdeführerin zuzugeben, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - ohne nähere Begründung und ohne die Beschwerdeführerin dazu anzuhören - davon ausgeht, daß auf Grund der in Bulgarien im Oktober 1991 stattgefundenen Wahlen eine maßgebliche Änderung eingetreten sei, sodaß auch deshalb eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchltingskonvention nicht begründet erscheine. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0216, vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0585, 0586 und vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0595) stellt auch dies einen Verfahrensmangel dar. Doch kommt diesen Verfahrensmängeln gleichfalls keine wesentliche Bedeutung zu.

Sofern die Beschwerdeführerin die Beurteilung der Frage der Flüchtlingseigenschaft durch die belangte Behörde deshalb rügt, weil sie in Briefen mit dem Umbringen bedroht worden sei, genügt es darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin dies nicht im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 aber - wie bereits dargelegt - grundsätzlich von diesem auszugehen ist und nur bei Vorliegen der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens geboten ist. Daß derartige Gründe im vorliegenden Fall vorgelegen seien, behauptet die Beschwerdeführerin nicht und ist dies auch nicht aus den Verwaltungsakten ersichtlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010394.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten