Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StGB §206 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Mai 1993, Zl. SD 202/93, betreffend Entziehung eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von Folgendem auszugehen:
Mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. März 1993 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443, der ihm am 29. Juni 1971 ausgestellte Waffenpaß sowie die am 30. Juli 1971 ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 12. Mai 1992 wegen Anstiftung zum Beischlaf mit Unmündigen gemäß § 12 und § 206 Abs. 1 StGB bzw. wegen Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden und daher die waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht gegeben sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Ergänzung bestätigt, daß sich die Entziehung des Waffenpasses und der Waffenbesitzkarte auf § 6 Abs. 1 Z. 1, 2 und 3 des Waffengesetzes 1986 stütze. In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde nach Darlegung der Rechtslage aus, daß der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Dem Gerichtsurteil sei zu entnehmen, daß er eine Frau, mit der er eine Beziehung gehabt habe, angestiftet habe, mit seinem damals 12jährigen Sohn "einen Geschlechtsverkehr und andere unzüchtige Handlungen" vorzunehmen. Der Beschwerdeführer habe nicht nur die Verhinderung dieser strafbaren Handlung unterlassen, sondern habe die Täterin auch noch dabei bestärkt, indem er sein minderjähriges Kind bei den unzüchtigen Handlungen mit einer Polaroidkamera fotografiert habe, um sich und die Frau geschlechtlich zu erregen. Das Fotografieren unmittelbar vor und während des Geschlechtsaktes sei zweifellos eine unzüchtige Handlung, sodaß der Beschwerdeführer durch sein Tun auch sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht habe. Der Beschwerdeführer und die Täterin seien offenbar sexuell abartig veranlagt, was sich u.a. auch dadurch gezeigt habe, daß er der Frau eines Tages die Brust durchstochen habe, um dort einen Ohrring anzubringen. Auch dies sei von beiden mittels einer Polaroidkamera aufgenommen worden.
Nach Auffassung der Berufungsbehörde lasse das Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich nicht nur die Anstiftung zum Beischlaf mit einem Unmündigen, sondern vor allem auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer seinen minderjährigen Sohn zur Unzucht mißbraucht habe, einen besonders schwerwiegenden charakterlichen Mangel erkennen. Derart schwere sittliche Verfehlungen ließen in waffenrechtlicher Hinsicht den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer die im Sinne des Waffengesetzes gebotene Verlässlichkeit nicht erfülle. Dabei ging sie im Hinblick auf das sich aus dem angeführten Gerichtsurteil ergebende Verhalten nicht nur von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Verläßlichkeit aus, sondern auch von geradezu auffallenden charakterlichen Mängeln.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer führt aus, daß von einer mangelnden Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz 1986 dann gesprochen werde, wenn auf Grund von Verurteilungen der Schluß gerechtfertigt sei, daß die betreffende Person zu Aggressions- oder Eigentumsdelikten neige, wenn sich ergebe, daß eine Person außergewöhnlich jähzornig und unbeherrscht sei oder wenn auf Grund einschlägiger Bestrafungen oder aus sonstigen Gründen zu befürchten sei, daß eine Person die Waffe in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand verwenden könnte oder wenn auf Grund des Geisteszustandes einer Person zu befürchten sei, daß sie nicht imstande sei, die mit dem Gebrauch der Waffen verbundenen Gefahren einzusehen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Keine dieser Verhaltensweisen seien nach Auffassung des Beschwerdeführers aus der erfolgten bedingten Verurteilung ableitbar. Durch das vorliegende Ermittlungsergebnis sei weder seine psychische Integrität in Frage gestellt, noch könnten bestimmte Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften als bewiesen angenommen werden, die sich in der manifesten Neigung zu Rechtsbrüchen spezifischer Art äußern würden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz 1986 insbesondere darauf ab, ob bei einer Person eine Neigung zu Aggressionshandlungen vorliege, sodaß eine mißbräuchliche oder leichtfertige Verwendung von Waffen nicht ausgeschlossen werden könne. Bei der Beurteilung des Vorliegens der Verlässlichkeit im Sinne des § 6 Waffengesetz sei über die Beurteilung der Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit hinausgehend auf konkrete Verhaltensweisen des Betroffenen Bedacht zu nehmen, die den Schluß zulassen würden, daß eine leichtfertige Verwendung von Faustfeuerwaffen nach menschlichen Erwägungen ausgeschlossen werden könnte. Es sei davon auszugehen, daß trotz seiner bedingten Verurteilung keine Gründe oder sonstige Ermittlungsergebnisse vorlägen, die seine Verlässlichkeit im Sinne des Waffengesetzes in Frage stellen könnten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verlässlichkeit eines Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verlässlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Eine Person ist danach als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes 1986 anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie
1. Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2. mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind (§ 6 Abs. 1 Waffengesetz).
In § 6 Abs. 2 Waffengesetz 1986 werden demonstrativ jene Verurteilungen wegen bestimmter strafbarer Handlungen angeführt, auf Grund derer jedenfalls anzunehmen ist, daß die vom Gesetz geforderte Verläßlichkeit nicht vorliegt (insbesondere mit Gewalt verbundene Angriffe gegen Leib und Leben, Freiheit, fremdes Vermögen und die Sittlichkeit). § 6 Abs. 3 Waffengesetz 1986 sieht u.a. vor, daß bedingte Verurteilungen nur dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten verhängt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Wertung einer Person als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge fassen muß, weil der Begriff der Verlässlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist (vgl. die Erkenntnisse vom 6. Mai 1947, Slg. 84/A, vom 27. Jänner 1970, Zl. 680/69, vom 13. Mai 1987, Zl. 85/01/0154 und vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0061). Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet ist. Wenn auch nach der Aktenlage der Beschwerdeführer bei Begehung der ihm zur Last gelegten Straftaten nicht mit Waffengewalt vorgegangen ist und auch keinen Zwang ausgeübt oder Drohungen ausgesprochen hat, so muß doch, wie dies die belangte Behörde getan hat, davon ausgegangen werden, daß aufgrund des sich in der Straftat des Beschwerdeführers manifestierenden schweren Charaktermangels und bestimmten allenfalls durch die sexuelle Neigung des Beschwerdeführers herbeigeführten Situationen eine leichtfertige oder mißbräuchliche Verwendung von Waffen durch den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden kann (in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0061). Der Vorwurf eines schweren Charaktermangels trifft im vorliegenden Fall umsomehr zu, als der Beschwerdeführer seinen eigenen minderjährigen Sohn zur Unzucht angestiftet hatte.
Angesichts der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß eine Person mit Waffen nicht mißbräuchlich umgehen wird, derzufolge ein strenger Maßstab anzulegen ist, und es auch nicht erforderlich ist, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe stattgefunden hat (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1977, Zl. 2794/76, vom 6. März 1979, Zl. 73/79, vom 18. September 1979, Zlen. 1643/79 und 1644/79 u.a.) - kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und seiner in der bestraften Tat zum Ausdruck kommenden Bereitschaft, die seinen sexuellen Neigungen entsprechenden Handlungen trotz deren strafgesetzlicher Pönalisierung zu begehen, dem Beschwerdeführer die Verlässlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 bis 3 des Waffengesetzes 1986 abgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1987, Zl. 87/01/0061).
Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010667.X00Im RIS seit
25.04.2001