TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/12 91/05/0189

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Veröffentlicht am 12.10.1993
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §101 Abs1 idF 1976/018;
BauO Wr §101 Abs3 idF 1976/018;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1. der C in R, und 2. des M in W, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 8. August 1991, Zl. MD-VfR - B VII - 4/90, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: V in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem mitbeteiligten Bauwerber gehört das um 5,68 m über die Baulinie in die Verkehrsfläche ragende Haus X-Gasse 14, Wien; die Beschwerdeführer sind Eigentümer des dementsprechend zurückversetzten Nachbarhauses X-Gasse 16. Mit einem anläßlich der Bauverhandlung vom 7. Februar 1990 präzisierten Antrag begehrte der Bauwerber unter anderem die Bewilligung der Abänderung des mit Bescheid vom 26. Mai 1986 bewilligten Bauvorhabens durch Ausbrechen je einer Öffnung im Erdgeschoß und im ersten Stock in der Feuermauer gegen die X-Gasse, weiters durch Abändern der Raumeinteilung und von Raumwidmungen im Erdgeschoß und im ersten Stock durch Abtragen von Scheidewänden, Ausbrechen und Abmauern von Türöffnungen und Einrichten einer Garage für ein KFZ im Erdgeschoß. Während der Eigentümer der an diese Feuermauer anschließenden Verkehrsfläche, die Bundeshauptstadt Wien, keine Einwendungen erhob, versagten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Bestimmung des § 101 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (in der durch das Gesetz LGBl. Nr. 28/1987 geänderten Fassung; im folgenden: BO) ihre Zustimmung, weil hiedurch ihre subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt würden. Die geplante Bauführung würde in einem Gebäudeteil vorgenommen werden, der sich vor der Baulinie befinde.

Nur hinsichtlich des geplanten Fensters im ersten Stock, nicht aber hinsichtlich der Garagenöffnung im Parterre wurde von der Baubehörde erster Instanz eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 68 (Feuerwehr und Katastrophenschutz) eingeholt; unter Hinweis darauf, daß eine Brandausweitung in lotrechter Richtung viel eher zu befürchten sei, machte die Magistratsabteilung 68 keine öffentlichen Rücksichten gegen die Herstellung des Fensters geltend.

Mit Bescheid vom 27. August 1990 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, gemäß den §§ 70 und 73 BO in Verbindung mit den §§ 68 Abs. 1 und 101 Abs. 3 BO und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes unter Vorschreibung von Auflagen die Bewilligung, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen die in der Bauverhandlung besprochenen Änderungen vorzunehmen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Öffnungen in der Feuermauer und der Beeinträchtigung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer richtete sich ausschließlich dagegen, daß das Garagentor für die geplante Garage in der Feuermauer vorgesehen werde.

Über Anfrage der Berufungsbehörde teilte die Magistratsabteilung 37 mit Schreiben vom 9. April 1991 mit, daß die Garagentüre weniger als 5 m von anlagenfremden Bauteilen entfernt sei, weshalb eine entsprechende Auflage ("die Garagentüre ist gemäß ÖNORM 3850 brandhemmend auszuführen") in den Bescheid aufzunehmen wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Abänderung, daß den Auflagen als Punkt 9 eine Auflage mit dem zuletzt genannten Text angeschlossen wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, daß eine Feuermauer auch gegenüber öffentlichem Gut bestehen könne; daß dieser Eigentümer dem Bauvorhaben zugestimmt habe, sei unbestritten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführer in ihrem, sich aus § 101 Abs. 3 BO ergebenden Nachbarschaftsrecht, wonach die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern nur mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zulässig sei, beschwert erachten. Es wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeausführungen Seite 10 ff lassen zwar nicht eindeutig erkennen, ob die Beschwerdeführer die Auffassung der Verwaltungsbehörden, es liege kein Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO, sondern eine Änderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO vor, teilen, oder diese Auffassung bekämpfen. Ihre Präzisierung des Beschwerdepunktes ergibt aber, daß sie aus der Qualifikation als "Änderung" keine Rechtsverletzung ableiten.

§ 101 Abs. 1 erster Satz BO lautet:

"Wird ein Gebäude an Nachbargrenzen angebaut, muß es an diesen in allen Geschoßen Feuermauern ohne Öffnungen enthalten, die den Anforderungen für Außenwände (§ 99 Abs. 1) entsprechen."

§ 101 Abs. 3 erster Satz BO lautet:

"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaften nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen".

§ 134 Abs. 3 dritter und vierter Satz BO lautet:

"Ferner sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben."

Schon der Gesetzeswortlaut des § 101 Abs. 1 BO läßt es nicht zu, die dem "Nachbarn" im Abs. 3 dieser Bestimmung besonders eingeräumte Rechtsposition allen Nachbarn, ja nicht einmal allen Nachbarn auf einer Gebäudeseite, zukommen zu lassen. Das Verbot von Maueröffnungen bezieht sich nämlich auf Gebäude, die an Nachbargrenzen ANGEBAUT sind. Daher können nur diese Nachbarn, an deren Grenze die Mauer angebaut wird, der Öffnung widersprechen; Eigentümer "der Nachbarliegenschaft" im Sinne des § 101 Abs. 3 BO (und nicht etwa: "der Nachbarliegenschaften", oder: "von Nachbarliegenschaften") ist nur ein ganz bestimmter Nachbar, nämlich der im § 101 Abs. 1 erster Satz genannte Nachbar. Dazu kommt, daß nur das Grundstück des Bauwerbers vor der Baulinie liegt.

Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall zu Recht ausschließlich auf die Zustimmung des Nachbarn abgestellt, an dessen Grenze jene Mauer angebaut ist, in welcher die umstrittene Öffnung errichtet werden soll. Auf eine Verletzung des Nachbarrechtes auf Brandschutz, welches der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der hier noch anwendbaren Rechtslage bejaht hat (Erkenntnis vom 8. März 1983, Zl. 82/05/0147, BauSlg. Nr. 21) haben sich die Beschwerdeführer nicht berufen. Bei Prüfung des angefochtenen Bescheides kommt dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 242).

Da somit die von den Beschwerdeführern im Rahmen des Beschwerdepunktes behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war ihrer Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG der Erfolg zu versagen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050189.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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