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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des JE und der CE in P, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 25. Mai 1993, Zl. 00/37/4-1993/Mag.Gu./Hi.-, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: L in P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 19. Mai 1992 beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Cafe-Restaurants bei Durchführung eines entsprechenden Umbaues auf der Baufläche nn/1, KG P (L-Straße). Über dieses Ansuchen wurde am 22. Juni 1992 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der unter anderem die Beschwerdeführer als Anrainer sowie Sachverständige aus den Gebieten des Bau-, des Gesundheitswesens sowie des Umweltschutzes teilgenommen haben. Aufgrund der Einwendungen der Anrainer und geplanter Projektsergänzungen wurde die mündliche Verhandlung am 12. August 1992 fortgesetzt. Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 27. Oktober 1992 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung erteilt, gleichzeitig wurde eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Errichtung von drei PKW-Abstellplätzen gewährt. Als Betriebszeit wurde die Zeit von 10.00 bis 24.00 Uhr festgelegt, die Verhandlungsschrift, in der über Anregung der Sachverständigen zahlreiche Auflagen festgehalten wurden, wurde zum Bestandteil des Bescheides erklärt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer und anderer Anrainer betreffend Geruchs- und Lärmbelästigung wurden als unbegründet abgewiesen; die Einwendungen betreffend Lärmbeeinträchtigungen durch Auf- und Zuschlagen von Autotüren, Mopedverkehr auf der öffentlichen Straße sowie ihre sonstigen Einwendungen (Gehsteigverschmutzung, WC-Anlagen nicht im Lokal integriert) wurden zurückgewiesen. Hinsichtlich der Einwendung betreffend Beeinträchtigung des Eigentums durch den beabsichtigten Baubetrieb wurden die Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer und einer weiteren Anrainerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25. Mai 1993 als unbegründet abgewiesen und bezüglich des Einwandes betreffend Erteilung der Ausnahmegenehmigung von der Schaffung von Abstellplätzen als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Standort des geplanten Cafe-Restaurants sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Bauland-Kerngebiet ausgewiesen. Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes sei die Betriebstype (Cafe-Restaurant) mit dieser Widmung vereinbar. In weiterer Folge sei zu prüfen gewesen, ob durch den Betrieb Immissionen im Nachbarschaftsbereich zu erwarten seien, sei dies der Fall, so seien die gemäß § 62 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung zur Abwehr von Belästigungen der Nachbarn nötigen Vorkehrungen zu treffen. Aus diesem Grunde seien die Gutachten der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt, Fachrichtung Lärmschutz, sowie des medizinischen Amtssachverständigen eingeholt worden. Diese Sachverständigen seien zu dem Ergebnis gelangt, daß der Betrieb des Lokales unter Vorschreibung von Auflagen grundsätzlich bis 24.00 Uhr möglich sei. Hinsichtlich der Beeinträchtigung durch Geruch habe der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, daß aufgrund der Erfahrung mit Gastgewerbebetrieben in der Innenstadt von P eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Geruch nicht zu erwarten sei, dies insbesondere deshalb, da der Ausblasort der Lüftungsanlage der Raumluft 1,50 m über der Feuermauer liege, es sohin zu einer Verwirbelung der Abluft mit den umgebenden Luftmassen komme, sodaß eine wahrnehmbare Konzentration an Abluft im nächsten Nachbarschaftsbereich nicht mehr eintreten könne. Hinsichtlich der Küchenabluft habe der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, daß gemäß der Festlegung des Konsenswerbers lediglich Speisen im einem Mikrowellenherd aufgewärmt werden sollten. Hiebei falle erfahrungsgemäß der unangenehm wahrnehmbare Speisegeruch nicht an. Durch eine Absaugung dieser Restkonzentration an Speisegerüchen und Einleitung in einen Kamin sowie Ausblasen über Dach scheine auch eine Geruchsbelästigung durch Küchenabluft nicht gegeben. Um die dem Gutachten zugrundegelegenen Emissionen zu garantieren, sei aus medizinischer Sicht unter anderem die Auflage gefordert worden, daß nur bereits gekochte Speisen aufgewärmt oder kalte Speisen zubereitet werden dürften. Dieser Auflagepunkt sei auch im Baubewilligungsbescheid vorgeschrieben worden. Die Sachverständigen hätten daher schlüssig und nachvollziehbar eine Beurteilung der zu erwartenden Situation aufgrund ihrer Erfahrung und anschließenden Prognose für den konkreten Fall erstellt, die Einwendungen der Nachbarn teilweise durch die Vorschreibung von Auflagen berücksichtigt und teilweise als unbegründet bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens jene Immissionen, die auf öffentlichen Verkehrsflächen aufträten, nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der gerügten Erteilung der Ausnahmegenehmigung von der Verpflichtung zur Stellplatzschaffung komme den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht nicht zu. Die diesbezüglichen Einwendungen seien daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden zufolge Abs. 9 dieser Gesetzesstelle durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung; 4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, sind zufolge § 62 Abs. 2 leg. cit. die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen.
Unbestritten ist, daß sich der Gewerbebetrieb der mitbeteiligten Partei auf einer Grundfläche mit der Widmung Bauland-Kerngebiet im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 2 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes, also in einem Gebiet befindet, welches im Sinne dieser Vorschrift vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Betriebe des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt ist, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Diese Bestimmung dient nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Sinne des § 118 Abs. 9 BO im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer, weshalb die Beschwerdeführer durch die erteilte Baubewilligung dann in ihren subjektiv-öffentlichen Anrainerrechten verletzt wären, wenn diese bauliche Maßnahme mit der erwähnten Flächenwidmung unvereinbar wäre. Eine derartige Annahme ist nicht begründet, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der in Rede stehende Gastgewerbebetrieb (Cafe-Restaurant) unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt der von ihm ausgehenden Immissionen seiner Betriebstype nach mit der wiedergegebenen Vorschrift des Raumordnungsgesetzes nicht in Einklang zu bringen ist.
Zutreffend ist schon die Baubehörde erster Instanz davon ausgegangen, daß im Beschwerdefall die gemäß § 62 Abs. 2 BO zur Abwehr von Belästigungen der Nachbarn nötigen Vorkehrungen zu treffen sind. Aus diesem Grunde wurde nach Einholung von Gutachten unter anderem vorgeschrieben, daß die Zugangstüren des Lokales grundsätzlich geschlossen zu halten seien und nur zum Betreten und Verlassen des Lokales kurzfristig geöffnet werden dürften. Um dies zu gewährleisten, seien bei beiden Türen Türschließer anzubringen. Weiters seien die Türkonstruktionen mit jeweils einer dreifachen Dichtung zu versehen. Die Ausblasöffnungen der Lüftungsanlage zwischen Abluft und Raumabluft seien schalltechnisch so auszuführen, daß jeweils bei vollem Luftdurchsatz der ins Freie abgestrahlte Lärm einen A-bewerteten Gesamtschalleitungspegel von 55 dB nicht überschreite. Die Frischluftansaugung, die im Innenhof positioniert werde, sei schalltechnisch so auszuführen, daß der ins Freie abgestrahlte Schalleistungspegel von 55 dB nicht überschritten werde. Die Musikanlage sei durch geeignete Maßnahmen in ihrer Ausgangsleistung so zu begrenzen, daß der A-bewertete Schalldruckpegel bei Dynamik "langsam" im Mittel an drei Meßpunkten in der Imbißstube den Wert von 75 dB nicht überschreite. Sämtliche Fenster der Betriebsanlage seien während des Betriebes ständig geschlossen zu halten. Sämtliche innen liegenden Räume seien mit einer wirksamen Be- und Entlüftung auszustatten.
In der Beschwerde wird nun ausgeführt, diese Auflagen seien nicht geeignet, das Hauptproblem, nämlich den Lärm im Bereich des gesamten beabsichtigten Bauwerks auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, zu lösen. Einerseits seien diese Auflagen inhaltslos, da sie nicht durchgesetzt werden könnten, überdies hätten alle jene Lärmbelästigungen berücksichtigt werden müssen, die im Zusammenhang mit dem Lokal, jedoch außerhalb des Lokales verursacht würden. Tatsache sei, daß in der L-Straße schon durch die Frequentierung von anderen in der Nähe befindlichen Lokalitäten das zumutbare Lärmausmaß bei weitem überschritten werde und dieser Zustand durch das gegenständliche Lokal noch weiter verschlimmert werde.
Dem Beschwerdevorbringen der "Nichtdurchführbarkeit" der Auflagen ist entgegenzuhalten, daß es keinerlei technische Schwierigkeiten bereitet, Türen mit Selbstschließeinrichtungen auszustatten, Abluftleitungen über Dach herzustellen und die Fenster nicht öffenbar herzustellen und jeweils die in den Auflagen des lärmtechnischen Sachverständigen vorgeschriebenen Immissionsgrenzwerte einzuhalten. Überdies ist es auch kein technisches Problem, Lautstärkenbegrenzungen von Musikanlagen vorzusehen. Der Umstand, daß bei dieser Auflage nicht vorgeschrieben wurde, in welcher Art die Lautstärkenbegrenzung vorzunehmen sei, bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, muß doch dem Bauwerber grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, bei gleichwertigen Möglichkeiten jene zu wählen, die ihm nach Art der gewählten Anlage am zweckmäßigsten erscheint. Aus der Sicht des Lärmschutzes und somit des Nachbarschutzes ist es unerheblich, welche Art der Begrenzung der Lautstärke der Konsenswerber wählt. Durch die Vorschreibung, daß mit der Musikanlage keine höhere Beschallung als 75 dB möglich sein darf, ist aber diese Auflage ausreichend konkretisiert und auch jederzeit vollstreckbar.
Ist aber die technische Durchführbarkeit von Auflagen gegeben, so ist - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer - nicht davon auszugehen, daß vorgeschriebene Auflagen in der Folge nicht eingehalten würden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das eingereichte Bauprojekt die Ausgestaltung einer "Lärmschleuse" in Form eines zwischen zwei Türen liegenden, 5,90 m2 großen Windfanges vorsieht, durfte daher der medizinische Sachverständige zu Recht davon ausgehen, daß bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen nicht mit einer unzumutbaren Lärmbelästigung der Nachbarn zu rechnen sein werde.
Hinsichtlich der Beschwerderüge, es sei der Lärm auf der L-Straße nicht berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, daß dem Nachbarn generell kein Mitspracherecht im Zusammenhang mit der Situation auf öffentlichen Verkehrsflächen zukommt, möge diese auch von einem konkreten Betrieb ausgelöst sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1979, Slg. 9.943/A).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Ansicht der Beschwerdeführer, das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen hinsichtlich der Geruchsemission sei schon deshalb unschlüssig, weil dieser davon ausgehe, daß aufgrund der Erfahrung mit Gastgewerbetrieben in der Innenstadt eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Geruch nicht zu erwarten sei, ohne anzugeben, welche Erfahrung er mit Gastgewerbebetrieben in der Innenstadt von P habe, nicht zu teilen. Das Baubewilligungsverfahren ist grundsätzlich ein Projektgenehmigungsverfahren, daher ist der Sachverständige bei der Beurteilung des zu erwartenden Immissionenausmaßes auf Erfahrungen mit typenmäßig vergleichbaren Betrieben angewiesen. Im übrigen stellt ein Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart eines "Cafe-Restaurants" mit den vorgesehenen 10 Tischen bei insgesamt 45 Verabreichungsplätzen kein außergewöhnliches Projekt dar, sodaß keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der medizinische Sachverständige nicht über Erfahrungen mit durchaus vergleichbaren Betrieben verfügen würde. Im übrigen hat der medizinische Sachverständige in der Folge im Detail und schlüssig begründet, warum er davon ausgeht, daß keine unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Lärm oder Geruch eintreten.
Zutreffend hat die belangte Behörde schon im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, daß dem Nachbarn aus Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen kein subjektiv-öffentliches Recht erwächst. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 1969, Slg. 7.510/A, und seither in ständiger Rechtsprechung (so auch in seinem Erkenntnis vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0131, BauSlg. Nr. 335 zur NÖ Bauordnung) ausgesprochen, daß dem Nachbarn im Zusammenhang mit Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen kein Mitspracherecht eingeräumt ist. Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung zu veranlassen.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050148.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009