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80/02 Forstrecht;Norm
ForstG 1975 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführer Mag. Wochner und Mag. Kopp, über die Beschwerde der J-KG in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. Juli 1990, Zl. 18.326/04-IC8/90, betreffend Versagung einer Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. März 1990 gab der Landeshauptmann von Steiermark (in der Folge: L.H.) dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung zur dauernden Rodung von Teilflächen der Waldgrundstücke Nr. 571/1, 571/2, je KG D und Nr. 1660, KG G, im Gesamtausmaß von ungefähr 1,5930 ha sowie auf Erteilung einer bis 31. Dezember 1996 befristeten Bewilligung zur Rodung von Teilflächen der angeführten Waldgrundstücke im Gesamtausmaß von ca. 0,3162 ha zum Zwecke der Verwendung als Naßbaggerungsfläche gemäß den §§ 17 bis 19 und 170 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 in der Fassung der Novelle 1987, BGBl. Nr. 576 (ForstG), keine Folge.
In der Begründung dieses Bescheides wurde die Stellungnahme der Landesbaudirektion des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung wiedergegeben, wonach in den nächsten Jahren nicht mit einer wesentlichen Erhöhung des Bauvolumens für den öffentlichen Bausektor im südoststeirischen Raum gerechnet werde; der Transport des Schotters stelle einen wesentlichen Kostenfaktor dar, sodaß ein relativ engmaschiges Netz von Schottergruben einen gewissen Preisvorteil für den Endverbraucher darstelle. Angesichts des einwandfreien Funktionierens der Schotterversorgung in der Vergangenheit, könne jedoch nicht bestätigt werden, daß ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Rodungsbewilligung das im Forstgesetz festgelegte öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiege. Den Äußerungen der Fachabteilung Ib (Landes-, Regional- und Ortsplanung) zufolge bestehe ein reges Interesse an der Erhaltung der Wohlfahrtsfunktion des Auwaldes im Bezirk R, sodaß weitere Rodungen nicht im öffentlichen Interesse gelegen seien. Selbst bei Annahme eines öffentlichen Interesses an der Schottergewinnung könne die vorzunehmende Interessensabwägung nur zu einer Versagung der Rodungsbewilligung führen, da ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes öffentliches Interesse im Hinblick auf die unterdurchschnittliche Waldausstattung, die Wohlfahrts- sowie Sozialfunktion der Rodefläche und die somit bestehenden forstfachlichen Bedenken nicht bestätigt werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie beschäftigungspolitische Gründe geltend machte und vorbrachte, es seien noch weitere Ermittlungen zur Schotterbedarfdeckung zu tätigen; darüber hinaus wies sie auf die bereits vorliegenden Genehmigungen der Gewerbe-, Naturschutz- und Wasserrechtsbehörde hin.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (belangte Behörde) wies die Berufung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, in Ansehung der von der Behörde erster Instanz eingeholten Stellungnahme der Landesbaudirektion des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, in der lediglich das Überwiegen eines öffentlichen Interesses am gegenständlichen Projekt ausdrücklich verneint werde, sei - entgegen der Auffassung der Behörde erster Instanz - das öffentliche Interesse an der beantragten Naßbaggerung nicht grundsätzlich auszuschließen; vielmehr weise das Vorliegen anderer für das gegenständliche Vorhaben erforderlicher Bewilligungen auf ein öffentliches Interesse am bewilligungsgegenständlichen Projekt hin. Für die Erteilung einer Rodungsbewilligung sei ein bestehendes öffentliches Interesse allein jedoch nicht ausreichend; es müsse darüber hinaus eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, daß das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Waldfläche das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiege.
Die erstinstanzliche Behörde habe zwar zunächst das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der beantragten Rodung verneint, nachfolgend aber dennoch - unter Annahme eines öffentlichen Interesses an der Naßbaggerung - eine Interessenabwägung vorgenommen und ausgeführt, daß ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes öffentliches Interesse im Hinblick auf die schwerwiegenden forstfachlichen Bedenken nicht bestätigt werden könne. Dieser Auffassung schließe sich die belangte Behörde an und verweise in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Stellungnahmen und Gutachten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG in der Fassung der Novelle 1987, BGBl. Nr. 576, ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann jedoch eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt.
Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, durch Weiterführung ihres Schotterwerkes entsprechende Arbeitsplätze zu bieten, sodaß beschäftigungspolitische Gründe, welche zweifellos unter den Begriff des "öffentlichen Interesses" im Sinne des § 17 ForstG fielen, für den gegenständlichen Antrag ins Treffen geführt werden könnten; es sei daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zur Frage der Beschäftigungslage im Bezirk R Ermittlungen anzustellen.
Weiters führt die Beschwerdeführerin den örtlichen Bedarf an entsprechender Schotterversorgung ins Treffen und verweist auf die diesbezüglich bestätigende Aussage des zuständigen Bürgermeisters. Diese Stellungnahme stehe zwar im Widerspruch zu der von der belangten Behörde übernommenen Darstellung der Landesbaudirektion vom 13. November 1989, doch müßten weitere Schottervorkommen erschlossen werden, zumal die bisherigen Schottervorkommen ganz offensichtlich zu Ende gingen. Zusammenfassend gesehen überwiege daher das öffentliche Interesse an der beantragten Rodung zweifellos das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Waldflächen, da für dieses lediglich Gründe des regionalen Entwicklungsprogrammes sowie forsttechnische Erwägungen sprächen, demgegenüber jedoch volkswirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und naturschutzrechtliche Aspekte stünden.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg: Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides ausgeführt, es sei - entgegen der Auffassung der Behörde erster Instanz - das öffentliche Interesse an der beantragten Naßbaggerung "nicht grundsätzlich auszuschließen" und ist in der weiteren Bescheidbegründung davon ausgegangen, daß ein öffentliches Interesse "am bewilligungsgegenständlichen Projekt" bestehe. Sie hat aber in keiner Weise dargetan, worin das öffentliche Interesse an der anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht, geschweige denn, daß sie eine ausreichende Begründung für das Vorhandensein eines solchen Interesses gegeben hätte. Sie hat es insbesondere unterlassen, zur Frage der Arbeitsmarktsituation im Bezirk Radkersburg und der Sicherung von Arbeitsplätzen durch das gegenständliche Vorhaben und zur Frage des örtlichen Schotterbedarfes Ermittlungen durchzuführen und darauf aufbauend die erforderlichen Feststellungen zu treffen und in der Begründung ihres Bescheides schlüssig darzulegen, ob und welches öffentliche Interesse vorliegt, und im Anschluß daran eine Abwägung des allenfalls gegebenen öffentlichen Interesses gegen das öffentliche Interesse an der Walderhaltung vorzunehmen. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang allerdings die Auffassung der belangten Behörde, daß das Vorliegen anderer für das gegenständliche Vorhaben erforderlicher Bewilligungen - nähere Ausführungen über diese Bewilligungen läßt die Bescheidbegründung vermissen - bereits auf ein öffentliches Interesse an der beantragten Naßbaggerung hinweise.
Da der Sachverhalt - wie aufgezeigt - in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) und c) VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf Zuspruch von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, da diese bereits im zuerkannten Pauchalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990100150.X00Im RIS seit
20.11.2000