Index
27 RechtspflegeNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einer Bestimmung der RAO und der RL-BA 1977 über die Unvereinbarkeit einer hauptberuflichen nichtanwaltlichen Tätigkeit mit einer für die Ausbildung anrechenbaren Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter mangels Legitimation; Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges; mangelnde BetroffenheitSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Der Einschreiter begehrt mit auf Art140 (Abs1 letzter Satz) und auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Anträgen, §21b 2. Halbsatz der Rechtsanwaltsordnung vom 6. Juli 1868, RGBl. Nr. 96 idF BGBl. Nr. 556/1986 (im folgenden: RAO), als verfassungswidrig und §33 1. Halbsatz der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), Beschluß des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1977 und im AnwBl. 1977, S. 446, als gesetzwidrig aufzuheben.
1.2. §21b RAO hat folgenden Wortlaut (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§21b.) Der Rechtsanwalt hat für eine umfassende Ausbildung des Rechtsanwaltsanwärters entsprechend dem Berufsbild des Rechtsanwalts Sorge zu tragen und ihn dementsprechend hauptberuflich zu verwenden."
§33 RL-BA 1977 (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben) lautet wie folgt:
"§33. Die praktische Verwendung eines Rechtsanwaltsanwärters gemäß §2 der Rechtsanwaltsordnung ist mit der hauptberuflichen Ausübung einer anderen Tätigkeit unvereinbar; eine nebenberufliche Tätigkeit bedarf der Zustimmung des Rechtsanwaltes."
§2 RAO, auf den sich §33 RL-BA 1977 bezieht, hat - soweit im gegenständlichen Fall von Bedeutung - folgenden Wortlaut:
"§2.(1) ... Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird.
..."
1.3. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller im wesentlichen vor, er sei in der Zeit vom 6. Juli 1983 bis 30. November 1984 in der Rechtsanwaltskanzlei seines Vaters als Rechtsanwaltsanwärter tätig gewesen. Seit 2. Dezember 1984 sei er (mit Ausnahme einer Karenz vom 1. September 1988 bis 30. Mai 1989 zum Zwecke der Absolvierung der Gerichtspraxis) als Universitätsassistent am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Innsbruck tätig; in seiner freien Zeit habe er regelmäßig auch in der Kanzlei seines Vaters gearbeitet. Aufgrund des Beschlusses des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 13. September 1989 sei er mit Wirkung vom 26. Juni 1989 neuerlich in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen worden und schreite seither in dieser Funktion gelegentlich bei Gericht ein. Durch die (Wieder-)Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter habe sich für den Antragsteller die Möglichkeit eröffnet, "durch Aufnahme einer Nebentätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter" bei Gericht einzuschreiten.
Wegen der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter seien gegen ihn Verfahren vor der Personalkommission der Juridischen Fakultät und dem Rektor der Universität Innsbruck als Organ der Dienstaufsicht anhängig, welche im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Weiters sei der Antragsteller dadurch, daß er trotz seiner Tätigkeit als Universitätsassistent in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen ist und als solcher gelegentlich auch tätig wird, aktuell dem Vorwurf ausgesetzt, "einen permanenten Gesetzesverstoß zu praktizieren, da die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltsanwärters neben einem anderen Hauptberuf nach den (angefochtenen) Bestimmungen unzulässig ist". Es drohe dem Antragsteller, daß er sowohl im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als auch im Rahmen seines Rechtsverhältnisses als Rechtsanwaltsanwärter disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werde.
1.4. Die angefochtene Gesetzes- bzw. Verordnungsvorschrift hält der Einschreiter unter dem Aspekt des Art18 StGG (Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung) deshalb für verfassungs- bzw. gesetzwidrig, weil sie - zumindest im Zusammenhang mit §2 Abs1 dritter Satz RAO - neben einem anderen Hauptberuf sowohl eine hauptberufliche als auch eine nebenberufliche Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter verbiete. Selbst wenn das in Art18 StGG garantierte Grundrecht unter einem materiellen Gesetzesvorbehalt stünde (was nicht der Fall sei), würden §21b RAO und §33 RL-BA 1977 insoweit dazu im Widerspruch stehen, als sie das nebenberufliche Tätigwerden als Rechtsanwaltsanwärter unzulässig machen und ein derartiger Eingriff nicht durch öffentliche Interessen gerechtfertigt sei.
Einen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erblickt der Einschreiter darin, daß "eine Bestimmung des Ausbildungsrechtes, die es als Berufspflichtverletzung qualifiziert, wenn ein Berufsanwärter eine über die gesetzlichen Mindestausbildungszeiten hinausgehende nebenberufliche absolvierte Berufsausbildung ablegt, ... jedenfalls dann grob unsachlich ... (ist), wenn sie aus der Natur des vom Berufsanwärter ausgeübten anderweitigen Hauptberufes keine sachliche Rechtfertigung erfährt". Eine solche fehle jedenfalls in Fällen wie dem des Antragstellers, der eine hauptberufliche Tätigkeit als Universitätsassistent mit einer Nebentätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter verbinde.
Schließlich erachtet sich der Antragsteller im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung durch die angefochtenen Bestimmungen verletzt, weil diese, ohne daß dies mit öffentlichem Interesse begründet werden könnte, es verbieten, daß der Antragsteller neben einer gelegentlich zum Zweck der Ausbildung und der Unterstützung seines Vaters ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit als Universitätsassistent ausübe.
2.1. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet, in der sie die Antragsberechtigung bestreitet und die Bedenken zu entkräften sucht; sie begehrt die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrages.
2.2. Im Verordnungsprüfungsverfahren erstattete der Österreichische Rechtsanwaltskammertag eine Äußerung, in der die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrages begehrt wird.
3. Der Verfassungsgerichshof hat erwogen:
3.1. Der Gesetzesprüfungsantrag ist nicht zulässig.
3.1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift, diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt und daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.
3.1.2. §21b RAO verpflichtet Rechtsanwälte, für eine umfassende, dem Berufsbild des Rechtsanwaltes entsprechende Ausbildung ihrer Rechtsanwaltsanwärter Sorge zu tragen, und gebietet diesen deshalb, Rechtsanwaltsanwärter hauptberuflich zu verwenden.
Der Antragsteller begründet seine Betroffenheit und damit einen Eingriff in seine Rechtssphäre durch die angegriffene Regelung damit, daß ihm durch §21b RAO (zumindest im Zusammenhang mit §2 Abs1 letzter Satz leg.cit.) eine nebenberufliche Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt untersagt werde, obwohl er eine Anrechnung derselben auf seine Ausbildungszeit gar nicht anstrebe.
Dennoch steht ihm die Möglichkeit einer Antragstellung auf Anrechnung und damit ein zumutbarer Weg, die vermeintliche Verfassungswidrigkeit des §21b RAO geltend zu machen, offen:
Geht man nämlich mit dem Antragsteller davon aus, daß die Pflicht des Rechtsanwaltes, einen bei ihm in Ausbildung befindlichen Rechtsanwaltsanwärter hauptberuflich zu verwenden, auch für ihn als Rechtsanwaltsanwärter eine Pflicht begründe, nur hauptberuflich tätig zu sein, besteht für ihn die rechtliche Möglichkeit, ein Anrechnungsbegehren zu stellen. In dem darüber abzuführenden Verfahren könnte der Antragsteller die Verfassungswidrigkeit des §21b RAO (iVm §2 Abs1 letzter Satz leg.cit.) behaupten und letztlich an den Verfassungsgerichtshof herantragen, weil diese Bestimmungen, wenn die Verweigerung der Anrechnung mit einer nicht hauptberuflich absolvierten Ausbildung bei einem Rechtsanwalt begründet würde, präjudiziell wären. Der Verfassungsgerichtshof hätte sich dann mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen auch unter dem Gesichtspunkt zu befassen, ob ein von §21b RAO ausgehendes Verbot einer nebenberuflichen Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt - wie der Antragsteller behauptet
- Rechtsanwaltsanwärter tatsächlich trifft und ob es zutreffendenfalls mit Verfassungswidrigkeit belastet wäre. Das Beschreiten eines solchen Weges ist dem Antragsteller auch unter dem Aspekt seines Anliegens, nämlich dem Risiko einer disziplinären Bestrafung wegen einer gegen §21b RAO allenfalls verstoßenden Tätigkeit nicht ausgesetzt zu sein, zumutbar. Mit der Verweisung auf das Anrechnungsbegehren wird ihm nämlich schon deshalb nicht zugemutet, eine nebenberufliche Tätigkeit aufzunehmen, die nach seiner Auffassung eine disziplinäre Strafbarkeit auslösen könnte, weil er - nach seinem eigenen Vorbringen - schon bisher nebenberuflich in der Kanzlei seines Vaters tätig war.
Der Gesetzesprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis brauchte weder erörtert zu werden, ob dem Antragsteller auch die Möglichkeit offenstünde, ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht einzuleiten und dort in zweiter Instanz einen Prüfungsantrag anzuregen, noch war auf die Frage einzugehen, ob Rechtsanwaltsanwärter neben dem (ausbildenden) Rechtsanwalt überhaupt Normadressaten des §21b RAO sind.
3.2. Der Verordnungsprüfungsantrag ist ebenfalls nicht zulässig.
Auch hiefür fehlen dem Antragsteller die für die Antragslegitimation erforderlichen Voraussetzungen (s. 3.1.1.). Nach dem Beschwerdevorbringen beabsichtigt der Antragsteller nicht, die neben seinem (Haupt-)Beruf als Universitätsassistent absolvierte Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter als praktische Verwendung im Sinne des §1 Abs2 litd iVm §2 RAO vom Rechtsanwalt bestätigt und vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer angerechnet zu bekommen; wäre dies der Fall, so müßte dem Individualantrag der Erfolg versagt werden, weil dem Antragsteller ein zumutbarer Weg (wie in 3.1.2. dargelegt) zur Verfügung stünde; er könnte demnach die Erlassung eines Bescheides darüber begehren, daß die erbrachte nebenberufliche Rechtsanwaltsanwärtertätigkeit auf die erforderliche praktische Verwendung anrechenbar ist.
Wie der Antragsteller jedoch ausdrücklich erklärt, will er sich mit den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernissen für die Ausbildung zum Rechtsanwalt nicht begnügen; er beabsichtige vielmehr, zur besseren Vorbereitung auf den Beruf des Rechtsanwaltes seine Assistentenzeit bis 30. November 1991 (zwecks Habilitation) zu absolvieren und nur "nebenher" als Rechtsanwaltsanwärter zu arbeiten, was zum Ausdruck bringt, daß er eine Anrechnung dieser Zeit gar nicht anstrebe. Der Antragsteller hege aber die Sorge, daß ihm durch §33 RL-BA 1977 untersagt werde, eine solche nicht hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter auszuüben.
Ein solcher Inhalt kommt §33 RL-BA 1977 jedoch nicht zu:
§33 RL-BA 1977 hat - wie sein Wortlaut, nämlich die Bezugnahme auf §2 RAO zeigt - nur den Fall von Rechtsanwaltsanwärtern zum Gegenstand, die eine gemäß §1 Abs2 litd RAO (iVm §2 leg.cit.) für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche Ausbildung absolvieren: Unvereinbar ist nach dieser Bestimmung somit nur eine hauptberufliche nichtanwaltliche Tätigkeit mit einer anrechenbaren Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärter.
Soweit nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers seine Betätigung als Rechtsanwaltsanwärter erfolgt, ohne daß er dies als Ausbildung gemäß §2 RAO in Anspruch nimmt, wird seine Rechtssphäre durch die angefochtene Richtlinie nicht berührt. Der Antrag ist daher mangels Betroffenheit des Antragstellers durch §33 RL-BA 1977 unzulässig.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob - unter Bedachtnahme auf die weiteren unter der Überschrift "Artikel V- Rechtsanwaltsanwärter" zusammengefaßten Bestimmungen - Rechtsanwaltsanwärter neben dem (ausbildenden) Rechtsanwalt überhaupt Normadressaten des §33 RL-BA 1977 sind.
4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Rechtsanwälte AusbildungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G100.1990Dokumentnummer
JFT_10089687_90G00100_00