Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der R in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Februar 1993, Zl. 315.595/5-III/4/92, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in der gegenständlichen Verwaltungssache im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesminsters für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführerin die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Autoverwertung (Ausschrotung)" aufgrund des Gewerbescheines der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23. Oktober 1981 gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 entzogen.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß den im Spruch genannten Gesetzesstellen (unter Bedachtnahme auf Art. VIII Abs. 1 Strafrechtsanpassungsgesetz
BGBl. Nr. 422/1974) sei eine Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber wegen eines Vergehens gemäß §§ 158 bis 161 StGB von einem Gericht verurteilt worden sei, sofern die Verurteilung noch nicht getilgt und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Gewerbeinhabers die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz am 28. August 1990 wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollzug unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden sei. Die dem Urteil zugrundeliegenden Tathandlungen hätten darin bestanden, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit von 1982 bis Ende 1987 ihre Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt habe, daß sie ihre im Jahr 1980 gegründete Kfz-Verwertung auch auf den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen ausgeweitet (wofür sich im gegenständlichen Gewerbeakt jedoch kein Hinweis finde) und dazu - wie auch für die Errichtung einer Betriebshalle - Fremdkapital in zu großem Ausmaß aufgenommen, sowie in der Zeit von Anfang 1988 bis Ende August 1990 in Kenntnis oder zumindest fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger dadurch vereitelt bzw. geschmälert habe, daß sie neue Schulden eingegangen sei, Schulden bezahlt und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beantragt habe. Bereits zuvor sei die Beschwerdeführerin durch Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen in Graz vom 17. Jänner 1989 wegen des Vergehens des Verstrickungsbruches und der Exekutionsvereitelung zu 100 Tagessätzen (je S 120,--) verurteilt worden. Die erstgenannte Verurteilung sei noch nicht getilgt und lasse sich unter die Bestimmung des § 13 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 subsumieren. Daß das gegenständliche Gewerbe Gelegenheit zu derartigen Strafhandlungen biete, ergebe sich schon daraus, daß die inkriminierten Handlungen im Zusammenhang mit seiner Ausübung gesetzt worden seien. Der Tatzeitraum habe sich vom Jahr 1982 bis zum Jahre 1990 erstreckt, Wiederholungsgefahr sei daher gegeben. Beide vorgenannten strafrechtlichen Verurteilungen beruhten auf der gleichen schädlichen Neigung; in beiden Fällen seien die strafbaren Handlungen ihrer Art nach darauf gerichtet gewesen, Gläubiger in ihrem Vermögen zu schädigen. Sowohl gegen die Beschwerdeführerin als auch gegen den in ihrem Betrieb angestellten Gatten seien schon in den Jahren 1983 bis 1988 jährlich zwischen 34 und 116 Exekutionsverfahren geführt worden, seit 1988 sei die Beschwerdeführerin trotz Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit neue Schulden eingegangen, die Beschwerdeführerin selbst beziffere ihre Verbindlichkeiten in der Berufung mit rund S 700.000,--, sodaß nach der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten zu befürchten sei. Der vom Strafgericht vorgenommenen bedingten Strafnachsicht komme keine Bedeutung zu. Es sei nicht mehr entscheidungsrelevant, daß den Akten des Bezirksgerichtes für ZRS Graz entnommen habe werden können, daß nach wie vor eine Vielzahl von Gläubigern gegen die Beschwerdeführerin wegen offener Forderungen von über S 350.000,-- andrängten. Bei Würdigung der Sach- und Rechtslage, insbesonders des langen Zeitraumes und der ersichtlich gewordenen Vorgangsweise, sowie der noch aushaftenden Verbindlichkeiten sei eine Anwendung des § 87 Abs. 3 GewO 1973 nicht in Betracht gekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht "auf Anwendung der verwaltungsrechtlichen Verfahrensvorschriften infolge Verletzung der Bestimmung über das Parteiengehör, die Beweiswürdigung und die Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt". Sie bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften entscheidungswesentlich vor, es werde ihr tatsächlich vorgeworfen, daß sie es unterlassen habe, rechtzeitig ein Insolvenzverfahren einzuleiten und darüberhinaus wegen eines Verstrickungsbruches verurteilt worden zu sein. Zur Überschuldung ihres Unternehmens sei es jedoch deshalb gekommen, weil ihr im Unternehmen beschäftigter Gatte in kaufmännischer Fehleinschätzung falsche Entscheidungen getroffen habe und dadurch der vorhandene Kreditrahmen überlastet worden sei. In der Folge sei es wegen mangelhafter Arbeit zu Gewährleistungsprozessen gekommen, welche die Ertragslage des Unternehmens geschmälert und Liquidität vernichtet hätten. Sie sei der Meinung gewesen, durch den vorhandenen Liegenschaftsbesitz gedeckt zu sein. Hätte die belangte Behörde den Strafakt beigeschafft, hätte festgestellt werden können, daß die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft einen Wert von zumindest S 5,5 Millionen habe. Sie habe nachgewiesen, daß sie in den vergangenen Jahren die offenen Forderungen großteils beglichen und auch die Exekutionsverfahren zur Einstellung gebracht habe. Die von ihr in der Vergangenheit gemachten Fehler seien rechtzeitig erkannt und mit großer Anstrengung großteils ausgebessert worden. Sie habe keine neue, Gläubiger benachteiligende Handlung mehr gesetzt, alte Gläubiger seien zu hundert Prozent befriedigt worden. Die Verurteilung wegen Verstrickungsbruches liege bereits mehr als vier Jahre zurück; sie habe sich seither wohl verhalten. Hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr und einer allenfalls vorhandenen Tendenz in ihrem Persönlichkeitsbild sei nicht auf Verhaltensmuster aus den Jahren 1982 bis 1988 abzustellen, sondern sei nunmehr von der Gewerbebehörde zu entscheiden, ob der Entzug der Gewerbeberechtigung notwendig sei, um die Gläubiger zu schützen oder nicht, sodaß auch ihr Verhalten seit der Verurteilung und ihre inzwischen gesetzten Handlungen, nämlich die Rückzahlung der Schulden, gewürdigt werden müßten.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Im Grunde des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Voraussetzungen für einen Ausschluß gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zutreffen. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 ist derjenige, der wegen eines Vergehens gemäß §§ 485 bis 486 c des österreichischen Strafgesetzes 1945, ASlg Nr. 2, von einem Gericht verurteilt worden ist, von der Ausübung eines Gewerbes auszuschließen, wenn die Verurteilung noch nicht getilgt ist und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist. Gemäß Art. VIII Abs. 1 des Strafrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 422/1974, sind bei Hinweisen in Bundesgesetzen auf strafrechtliche Bestimmungen, an deren Stelle mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches neue Bestimmungen wirksam geworden sind, diese Hinweise auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen. Aufgrund dieser Regelung treten daher im § 13 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 an die Stelle der dort umschriebenen Delikte die entsprechenden Bestimmungen des StGB, also dessen §§ 158 bis 161. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Krida stellt daher unter Berücksichtigung des Art. VIII Abs. 1 des Strafrechtsanpassungsgesetzes auch nach dem StGB weiterhin einen Gewerbeausschließungsgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 dar.
Daß es sich bei der von der Beschwerdeführerin wegen fahrlässiger Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB begangenen Tat, deretwegen sie vom Gericht verurteilt wurde, um eine strafbare Handlung im Sinne der Z. 3 des § 13 Abs. 1 GewO 1973 handelt, steht sohin fest und wird von der Beschwerdeführerin ebenso wie die Tatsache, daß dieses Urteil noch nicht getilgt ist, nicht bestritten.
Die Eigenart der strafbaren Handlung ist im Beschwerdefall dadurch gekennzeichnet, daß die Beschwerdeführerin zur Ausweitung ihres Betriebes Fremdkapital in zu großem Ausmaß aufgenommen und zumindest in fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger dadurch vereitelt bzw. geschmälert hat, daß sie neue Schulden eingegangen ist und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beantragt hat. Daß das Gewerbe "Autoverwertung (Ausschrotung)" eine besondere Gelegenheit zur Begehung des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB bietet, zeigt sohin der vorliegende Fall deutlich, hat doch die Beschwerdeführerin diese Delikte unter Ausnützung der ihr erteilten Gewerbeberechtigung begangen.
Im Entziehungsverfahren gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973, in dem als Entziehungsgrund eine strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. in Frage steht, ist zwar die Bindung der Behörde an das in Betracht kommende rechtskräftige Urteil anzunehmen, der Gewerbebehörde obliegt aber auch in diesen Fällen die selbständige Beurteilung, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0270, mit weiteren Nachweisen). Der auf die Bestimmung des § 43 StGB gestützte gerichtliche Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht enthebt somit - abgesehen davon, daß die gesetzlichen Tatbestände des § 13 GewO 1973 einerseits und die der §§ 37 und 43 StGB andererseits schon ihrem Wortlaut nach nicht übereinstimmen - die Administrativbehörde nicht von dieser Verpflichtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1980, Zl. 3209/78). Die belangte Behörde legte nun in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich und in nicht unschlüssiger Weise ihre Erwägungen dar, aufgrund deren sie aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin auf ein die Befürchtung im Sinne des § 13 Abs. 1 letzter Satzteil GewO 1973 rechtfertigendes Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin schloß. Mit Recht verwies die belangte Behörde darauf, daß die Beschwerdeführerin auch am 17. Jänner 1989 wegen § 271 Abs. 1 und § 162 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt wurde, beide strafbaren Handlungen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten und ihrer Art nach darauf gerichtet waren, Gläubiger in ihrem Vermögen zu schädigen. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend ihrer Vermögenssituation und des vorhandenen Liegenschaftsbesitzes vermögen an der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde nichts zu ändern, steht doch auch aufgrund der Beschwerdeausführungen fest, daß die Beschwerdeführerin die fälligen Forderungen ihrer Gläubiger noch immer nicht zur Gänze berichtigt hat.
Bei diesem Sachverhalt lagen der belangten Behörde konkrete Umstände vor, die sie - ohne einem Rechtsirrtum zu unterliegen - zur Annahme berechtigten, daß nach der Eigenart der strafbaren Handlung die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat zu befürchten ist.
Insoweit die weiteren Beschwerdeausführungen darauf abzielen, daß die weitere Gewerbeausübung durch die Beschwerdeführerin vorwiegend im Interesse ihrer Gläubiger gelegen sei, verkennt die Beschwerdeführerin, daß im § 87 Abs. 2 GewO 1973 der Behörde die Möglichkeit, von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, nur für den Fall eingeräumt ist, daß sich der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 auf die im § 13 Abs. 3 bis 5 GewO 1973 genannten Tatbestände stützt.
Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Meinung kann im Hinblick auf das durch die bei Begehung der Straftaten eingehaltene Vorgangsweise und die Höhe der Schadensbeträge ersichtlich gewordene Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen seit Begehung der letzten Straftat bzw. der letzten gerichtlichen Verurteilung unbescholten blieb bzw. daß sie trachtete, die Forderungen ihrer Gläubiger voll zu befriedigen, nicht das Gewicht zugemessen werden, das die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde als rechtsirrig erscheinen ließe. Im Hinblick auf diese Überlegungen ergeben sich aber auch keine konkreten Anhaltspunkte, wonach die Gewerbebehörde in Anwendung der Bestimmung des Abs. 3 des § 87 GewO 1973 etwa die Gewerbeentziehung nur befristet auszusprechen bzw. zur Frage der Gewerbeentziehung als solcher weitere Beweisaufnahmen vorzunehmen verpflichtet gewesen wäre, zumal die belangte Behörde bei Annahme der Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin von deren Angaben ausgegangen ist.
Die vorliegende Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Zusammenhalt mit der Verordnung
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993040050.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
26.03.2010