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67 VersorgungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des ArtVI Abs2 Versorgungsrechts-ÄnderungsG 1988 mit E v 14.03.91, G225/88 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 11.000,-- S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ansprüche aus einer behaupteten Dienstbeschädigung nach dem Heeresversorgungsgesetz (im folgenden: HVG), BGBl. 27/1964, idF des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988, BGBl. 614/1987, abgewiesen wurden.
Dieser Beschwerde liegt im wesentlichen folgendes Geschehen zugrunde:
Der Beschwerdeführer hatte, als er den ordentlichen Präsenzdienst leistete, während eines Ausganges am 13. September 1982 auf dem Rückweg in die Kaserne mit seinem Personenkraftwagen einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er schwer verletzt wurde. Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (s. dazu §§76 bis 81 HVG) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. Dezember 1983 den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der bei diesem Unfall erlittenen Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung, Zuerkennung einer Beschädigtenrente und Gewährung eines Familienzuschusses ab, wobei sie gleich der Behörde I. Instanz davon ausging, daß die Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch nach §1 HVG (in der damals maßgeblichen Fassung des ArtI Z1 der 14. Novelle, BGBl. 226/1980) - nämlich daß die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren die wesentliche Ursache für den Eintritt des Unfalles waren -, im Falle des Beschwerdeführers deswegen nicht vorlägen, weil nicht diese Gefahren, sondern die Übermüdung des Beschwerdeführers die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei.
Der Berufungsbescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1986, 84/09/0047, VwSlg. 12351 A/1986, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im Gegensatz zur belangten Behörde die Auffassung, daß ein fahrlässiges Verhalten des Soldaten beim Lenken eines Kraftfahrzeuges auf einem Weg iS des §1 Abs1 liti HVG den ursächlichen Zusammenhang iS des §1 Abs1 HVG idF der 14. Novelle nicht ausschließe, weshalb der Unfall des Beschwerdeführers - unabhängig von dessen Verschulden - auf die mit der Zurücklegung des Weges verbundenen Gefahren zurückzuführen sei. Der Verwaltungsgerichtshof vermöge, so führte er näher aus, der mit der 14. Novelle vorgenommenen Ergänzung des HVG nicht die nach dem Inhalt der Erläuterungen zur betreffenden Regierungsvorlage (298 BlgNR 15. GP, Zu ArtI Z1 und 2 (§1 Abs1 und 2)) offenkundig angestrebte Bedeutung beizumessen, nämlich bei grob fahrlässig verursachten Schäden die Versorgungsberechtigung zu versagen.
Der Gesetzgeber nahm das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Anlaß, um durch ArtII Z1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 den §1 Abs1 dritter Satz HVG neu zu fassen (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, 329 BlgNR 17. GP, Zu ArtII Z1 (§1 Abs1 dritter Satz HVG)). Diese Neufassung ist gemäß ArtVIII Abs2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 mit 1. Jänner 1988 in Kraft getreten. ArtVI Abs2 dieses Gesetzes bestimmt jedoch, daß §1 Abs1 HVG in der ab 1. Jänner 1988 geltenden Fassung auch auf Versorgungsansprüche anzuwenden ist, die vor dem 1. Jänner 1988 geltend gemacht worden sind.
Nach dem Inkrafttreten dieser Regelung erließ die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren den (Ersatz-)Bescheid vom 7. April 1988, mit dem sie den erstinstanzlichen Bescheid unter Berufung auf die Neufassung des §1 Abs1 dritter Satz HVG neuerlich bestätigte.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingangs erwähnte, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes - nämlich des nach Ansicht des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrigen ArtVI Abs2 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1988 - geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß der gegen diesen (Ersatz-)Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gerichteten Beschwerde, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des ArtVI Abs2 des Bundesgesetzes vom 25. November 1987, BGBl. Nr. 614, mit dem versorgungsrechtliche Bestimmungen geändert werden - Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 1988, zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G225/88 ua. Zlen., hob er die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig auf.
III. 1. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in
nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000,-- S enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1170.1988Dokumentnummer
JFT_10089686_88B01170_00