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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. September 1992, Zl. II/3-1331/3-92, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 24. Februar 1992 wies die Bezirkshauptmannschaft N (im folgenden: BH) das Ansuchen des Beschwerdeführers um nachträgliche Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für verschiedene Baumaßnahmen ab und trug ihm gleichzeitig auf, die unbefugt errichteten Baulichkeiten bis 31. Dezember 1993 zu entfernen und den früheren Zustand wiederherzustellen.
Dieser Bescheid wurde am 28. Februar 1992 durch Hinterlegung zugestellt.
Mit einem am 23. März 1992 zur Post gegebenen Schreiben erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung. Darin bemängelte er zunächst, daß bei dem ihm übermittelten Bescheid die Seiten 2 und 4 fast nicht lesbar seien und erstattete sodann ein Vorbringen in der Sache selbst.
Die belangte Behörde machte im Wege des Magistrates Wien den Beschwerdeführer darauf aufmerksam, daß nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis der erstinstanzliche Bescheid am 28. Februar 1992 zugestellt und die am 23. März 1992 zur Post gegebene Berufung daher verspätet sei, und gab ihm Gelegenheit, sich hiezu zu äußern. Der Beschwerdeführer erklärte am 1. Juli 1992 vor dem Magistrat Wien, er nehme den gesamten Akteninhalt zur Kenntnis. Zur Sache selbst habe er sich bereits ausführlich und vollständig in seiner Berufung geäußert; dem sei nichts mehr hinzuzufügen. Allerdings ersuche er die Behörde, ihm eine leserliche Ausfertigung des an ihn ergangenen Bescheides zukommen zu lassen. Zur Frage der verspäteten Einbringung der Berufung äußerte sich der Beschwerdeführer nicht.
Am 7. Juli 1992 übermittelte die BH dem Beschwerdeführer
neuerlich eine Ausfertigung ihres Bescheides vom 24. Februar 1992.
Die Übermittlung dieser Bescheidausfertigung nahm der Beschwerdeführer zum Anlaß, (neuerlich) gegen diesen Bescheid zu berufen, wobei er wieder erklärte, er sei bereit, den eingereichten Bauplan den Wünschen der Behörde entsprechend abzuändern, um eine Beeinträchtigung für das Landschaftsbild auszuschließen.
Mit Bescheid vom 28. September 1992 wies die belangte Behörde die am 24. März 1992 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingebrachte Berufung als verspätet, die am 23. Juli 1992 bei der BH eingebrachte Berufung als unzulässig zurück. In der Begründung führte sie aus, der Bescheid der BH (vom 24. Februar 1992) sei am 28. Februar 1992 beim Postamt 1100 Wien hinterlegt worden. Der Beschwerdeführer habe seine Berufung am 23. März 1992 zur Post gegeben. Er habe keine Zustellmängel geltend gemacht. Die Frist zur rechtzeitigen Einbringung der Berufung habe daher für ihn am 13. März 1992 geendet. Dem Ersuchen des Beschwerdeführers um Zustellung einer Zweitausfertigung des Bescheides und der erfolgten Übermittlung einer solchen komme keinerlei rechtliche Bedeutung für das Rechtsmittelverfahren zu.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 23. März 1993, B 1813/92-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In seiner im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe offensichtlich keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob der erstmalig durch Hinterlegung am 28. Februar 1992 übermittelte Bescheid tatsächlich unlesbar gewesen sei. Diese Unlesbarkeit müsse jedoch insoferne als gegeben angenommen werden, da ansonsten die neuerliche Verfügung der Zustellung mit 7. Juli 1992 nicht erfolgt wäre. Ergehe nun die Zustellung eines Bescheides mit Rechtsmittelbelehrung, so müsse dieser Zustellung auch deshalb rechtliche Bedeutung für das Rechtsmittelverfahren zugemessen werden und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Berufung zugebilligt werden, weil die mit 7. Juli 1992 verfügte Zustellung des kompletten Bescheides sämtliche Bescheidmerkmale enthalten habe und sohin als Bescheid, gegen den auch ein Rechtsmittel zulässig sei, betrachtet werden müsse. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß diese Zustellung und der dieser Zustellung zugrundeliegende Bescheid ein rechtliches Nichts darstellten. Hingegen sei der erste, insbesondere auf den Seiten 2 und 4 teilweise unleserliche Bescheid nach Meinung des Beschwerdeführers ohne Rechtswirkung, da dem Beschwerdeführer die Willenserklärung der Behörde nicht oder nur unvollständig zugekommen sei, sohin ein rechtliches Nichts darstelle. Insbesondere sei darauf zu verweisen, daß die erste zugestellte Bescheidausfertigung vor allem auf jener Seite, welche die Rechtsmittelbelehrung enthalte, unleserlich sei, sodaß die Erstzustellung auch keine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Da dem Beschwerdeführer schließlich jedoch bei der zweiten Zustellung ein Bescheid übermittelt worden sei, welcher eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung aufgewiesen habe, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die Einbringung einer Berufung nach der zweiten Bescheidzustellung rechtzeitig Berufung ergriffen habe und seine Berufung sohin weder verspätet noch unzulässig sei. Im übrigen sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle einer zweiten Zustellung desselben Bescheides, solange dieser nicht bereits aufgrund der ersten Zustellung in Rechtskraft erwachsen sei, die Rechtsmittelfrist ab der zweiten Zustellung zu berechnen und verlängere sich insofern.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes jene Ausfertigung des Bescheides der BH vom 24. Februar 1992 vorgelegt, die ihm durch Hinterlegung am 28. Februar 1992 zugestellt wurde. In dieser Ausfertigung sind die Seiten 1, 3 und 5 einwandfrei lesbar. Aus ihnen ist die bescheiderlassende Behörde, der Bescheidadressat, der Spruch und die Unterschrift des Genehmigenden zu entnehmen. Damit enthielten die einwandfrei lesbaren Teile des dem Beschwerdeführer zugekommenen Schriftstückes alle jene Elemente, die vorliegen müssen, um einer behördlichen Erledigung den Charakter eines Bescheides zu verleihen. Wies aber das dem Beschwerdeführer zugekommene Schriftstück Bescheidcharakter auf, dann wurde durch dessen Zustellung die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt und mußte der Beschwerdeführer, wollte er den Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides vermeiden, innerhalb der Rechtsmittelfrist Berufung erheben. Der Umstand, daß Teile der Begründung nur schlecht lesbar waren, hat weder auf die Bescheidqualität noch auf die Rechtsmittelfrist einen Einfluß, hindert doch selbst das völlige Fehlen einer Begründung weder das Vorliegen eines Bescheides noch die Ingangsetzung der Rechtsmittelfrist. Gleiches gilt für die Rechtsmittelbelehrung, da selbst bei Fehlen einer solchen nach § 61 Abs. 2 AVG das Rechtsmittel (nur dann) als rechtzeitig eingebracht gilt, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde. Im übrigen sind die Seiten 2 und 4 der Bescheidausfertigung zwar schlecht, aber doch soweit lesbar, daß aus ihnen zusammen mit den einwandwandfrei lesbaren Teilen die Begründung dieses Bescheides entnommen werden kann. Dem Beschwerdeführer wurde der Bescheid der BH vom 24. Februar 1992 erstmals am 28. Februar 1992 zugestellt. Die Berufung dagegen wurde erst am 23. März 1992 zur Post gegeben. Diese Berufung wurde daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Die BH hat dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Rechtsmittelfrist neuerlich eine Bescheidausfertigung übermittelt. Gemäß § 6 ZustG ist im Falle zweier gültiger Zustellungen desselben Schriftstückes die erste Zustellung maßgebend. Dies bedeutet, daß sie die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen, wie z.B. den Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist, auslöst; die spätere Zustellung setzt die Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Lauf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1989, Zl. 89/07/0122 u.a.). Voraussetzung für die im § 6 ZustG angeordnete Rechtsfolge ist das Vorliegen des "gleichen Schriftstückes". Darunter ist eine inhaltlich vollkommen idente Ausfertigung eines bereits einmal zugestellten Schriftstückes zu verstehen. Es darf sich um keinen neuen Rechtsakt handeln (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 1173). Die dem Beschwerdeführer übermittelten Ausfertigungen des Bescheides der BH vom 24. Februar 1992 unterscheiden sich lediglich im Grad der Lesbarkeit von Teilen der Begründung; inhaltlich waren sie völlig ident; es liegt daher das gleiche Schriftstück vor. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die zweite Berufung des Beschwerdeführers ebenfalls zurückgewiesen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründung Allgemein Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Einhaltung der Formvorschriften Rechtsmittelbelehrung Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993100082.X00Im RIS seit
25.01.2001