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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 4. Juni 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 15. Februar 1993 beim Arbeitsamt Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft in Wien den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen B.P. als LKW-Lenker mit einer wöchentlichen Bruttoentlohnung von S 2.763,--. Als "spezielle Kenntnisse oder Ausbildung" wurde der C-Führerschein verlangt.
Diesen Antrag wies das genannte Arbeitsamt mit Bescheid vom 9. März 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; außerdem habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß er mit seinen Transporten insbesondere auch der Lebensmittelversorgung und damit wichtigen öffentlichen Interessen diene. Außerdem habe B.P. die Qualifikation als "Fahrlehrer" und sei daher auch für die Überprüfung der anderen LKW-Chauffeure im Betrieb des Beschwerdeführers geeignet. Mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sei B.P. als Schlüsselkraft für diesen Betrieb anzusehen. Die Abweisung des Antrages hätte daher nicht auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt werden dürfen.
Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. April 1993 a) ein Formular, wonach er "keine anderen Kräfte anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin" wünsche, und gleichzeitig b) einen nicht im Detail ausgefüllten "Vermittlungsauftrag" vor.
Hierauf erging ohne weitere Verfahrensschritte der nunmehr angefochtene Bescheid vom 4. Juni 1993, mit dem die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 sowie § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte. Begründend führte die belangte Behörde zu § 4 Abs. 1 AuslBG aus, die vom Beschwerdeführer beantragte Arbeitskraft gehöre nicht dem nach § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis an. Derzeit sei eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte möglich, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden. Der Beschwerdeführer habe jedoch die Vermittlung solcher Ersatzkräfte ausdrücklich abgelehnt. Durch sein Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sich der Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG stellte die belangte Behörde fest, die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 254/1992 (richtig wohl Nr. 738), mit 97.000 festgesetzte Landeshöchstzahl sei laut der offiziellen Statistik des Bundesministers für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1993 weit überschritten. Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher auch nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen, doch seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der seine kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, und vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Eine solche Ablehnung hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage zu Unrecht unterstellt. Wohl hat der Beschwerdeführer das ihm übermittelte Formular am 1. April 1993 dahin ausgefüllt und vorgelegt, daß er keine Ersatzkraft anstelle des B.P. wünsche. Er hat aber zugleich im vorliegenden Verfahren einen Vermittlungsauftrag erteilt und damit im Gegensatz zu seiner zuerst genannten Erklärung zum Ausdruck gebracht, daß er an der Stellung von Ersatzkräften interessiert sei. Wenn die belangte Behörde dieses widersprüchliche Verhalten des Beschwerdeführers schon nicht dahin ausgelegt hat, daß er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß er die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung jedenfalls der Vermittlung einer Ersatzkraft vorziehen würde, dann hätte sie den Beschwerdeführer zur Aufklärung seiner Absichten auffordern müssen und nicht ohne weitere Verfahrensschritte von der für den Beschwerdeführer ungünstigeren Annahme ausgehen dürfen. Bei dieser Gelegenheit hätte der Beschwerdeführer auch zur Detaillierung seines Vermittlungsauftrages aufgefordert werden können, dem aber immerhin unzweifelhaft die Absicht des Beschwerdeführers zu entnehmen war, eine Arbeitskraft für die seinem verfahrensgegenständlichen Antrag zugrundeliegende freie Stelle zu finden. Die belangte Behörde wäre daher vor Erlassung des angefochtenen Bescheides verhalten gewesen, den Widerspruch im Verhalten des Beschwerdeführers aufzuklären und ihm gegebenenfalls die ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Ersatzkräfte namhaft zu machen. Erst dann hätte beurteilt werden können, ob und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer allenfalls eine Beschäftigung solcher Ersatzkräfte ablehnt und ob er tatsächlich an jedweder Ersatzkraftstellung desinteressiert ist.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die belangte Behörde mit Recht das nach dieser Gesetzesstelle erschwerte Verfahren anwenden durfte, denn der Beschwerdeführer hat weder bestritten, daß der Vermittlungsausschuß seinen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet hat, noch hat er etwas gegen die Feststellung der belangten Behörde vorgebracht, daß die Landeshöchstzahl in dem für die Berufungsentscheidung maßgebenden Zeitpunkt überschritten gewesen ist.
Wenn die belangte Behörde dazu jedoch in der Begründung des angefochtenen Bescheides die weitere Aussage trifft, es seien weder im Ermittlungsverfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG Gründe festgestellt noch solche in der Berufung vorgebracht worden, so ist dem entgegenzuhalten, daß gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde, und daß der Beschwerdeführer sehr wohl in seiner Berufung Gründe im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG geltend gemacht hat. Die belangte Behörde hat sich aber weder mit der Frage befaßt, ob und inwieweit der Beschwerdeführer des B.P. zur Durchführung von Betriebsaktivitäten im öffentlichen Interesse benötigt, noch hat sie sein Vorbringen widerlegt, B.P. stelle für seinen Betrieb eine Schlüsselkraft dar. Diesem Begründungsmangel konnte auch nicht durch weitwendige Ausführungen in der Gegenschrift abgeholfen werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 607, angeführte Rechtsprechung).
Das Verfahren erweist sich daher in der Frage der Ablehnung der beantragten Beschäftigungsbewilligung sowohl nach § 4 Abs. 1 als auch nach § 4 Abs. 6 AuslBG als ergänzungsbedürftig. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft vom Beschwerdeführer geltend gemachte, aber zur Rechtsverfolgung nicht notwendige Aufwendungen für Stempelgebühren.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090327.X00Im RIS seit
20.11.2000