TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/21 93/09/0161

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Veröffentlicht am 21.10.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6;
VwGG §42 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Siebdruck H-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 4. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B/973 276, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die beschwerdeführende Partei beim Arbeitsamt Bekleidung - Druck - Papier mit Schreiben vom 4. Februar 1993 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich genannten polnischen Staatsbürger als "Siebdruck-Helfer" mit besonderen Kenntnissen in "Siebdruck/polnische Sprache/Exportaufträge".

Mit Bescheid vom gleichen Tag wies die Behörde erster Instanz den Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Die Begründung dieses Bescheides besteht aus der Wiedergabe des § 4 Abs. 6 AuslBG und der Feststellung, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren (- es gibt keine Anzeichen dafür, daß ein solches stattgefunden hat -) ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung und brachte im wesentlichen vor, sie habe um die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den genannten polnischen Staatsbürger als Siebdruck-Helfer angesucht, weil die Kenntnis der polnischen Sprache für die Erfüllung von Exportaufträgen erforderlich sei. Weiters habe der beantragte Ausländer der beschwerdeführenden Partei eine Bestätigung der "Jagellonen-Universität" aus Krakau vorgelegt, nach der er in diesem Betrieb in den Jahren 1982 bis 1987 als Siebdruck-Helfer beschäftigt gewesen sei. Auf Grund einer Anforderungskarte betreffend die Vermittlung von Dienstnehmern mit der gewünschten Qualifikation habe sich am 25. Jänner 1993 ein namentlich genannter Arbeitssuchender vorgestellt. Mit diesem sei vereinbart worden, daß er am 1. Februar 1993 als Helfer beginne. Am 26. Jänner 1993 habe der Arbeitssuchende angerufen und auf Tonband die Mitteilung hinterlassen, daß er für den vereinbarten Lohn nicht arbeiten komme. Auf Grund dieser Absage sei um weitere Vermittlung gebeten worden. Die von der Behörde auf Grund dieser Bitte dann vermittelte "Frau HT" habe deshalb nicht eingestellt werden können, weil es ihr an Erfahrung bezüglich Siebdruckarbeiten gemangelt und sie zu wenig Praxis gehabt habe. Weiters habe sie bezüglich Siebdruckarbeiten überhaupt keine Ausbildung gehabt.

Die Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung für den genannten Ausländer sei zu Unrecht erfolgt, zumal bereits ein Drucker, welcher Ausländer sei und die polnische Sprache beherrsche, eine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe. Die beschwerdeführende Partei habe jedoch unbedingt einen Helfer benötigt, der eine Ausbildung im Siebdruck besitze und auch noch die polnische Sprache beherrsche, da sie Aufträge einer Mineralölfirma, für die sie Werbemittel für Polen herstellen müsse, zu erfüllen habe. Es sei unbedingt notwendig und für das Gesamtunternehmen von wirtschaftlicher Bedeutung, daß dieser Auftrag für Polen sowohl hinsichtlich der graphischen Gestaltung als auch des Schriftbildes einwandfrei erfüllt werde, weil sonst die Gefahr bestehe, daß nicht nur dieser Auslandsauftrag, sondern auch werbemäßig zu betreuende Inlandsaufträge verloren gingen. Durch die Erfüllung des Auslandsauftrages sei auch die Auslastung der anderen Beschäftigten gewährleistet; es bestehe daher auch volkswirtschaftlich ein Interesse an der Erhaltung der Arbeitsplätze der Inländer durch Erteilung dieser Beschäftigungsbewilligung an einen Ausländer. Beim Siebdruck-Helfer handle es sich um eine ergänzende Tätigkeit, wobei jedoch der Drucker und der Helfer ein Team bildeten und sich bei der Ausführung des Auftrages und der Kontrolle des Produktes, was die sprachliche Gestaltung betreffe, ergänzten.

Die beschwerdeführende Partei ersuche daher auch im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplätze für Inländer, die beantragte Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, zumal die bisher vom Arbeitsamt vermittelten Personen entweder ihre Arbeit nicht angetreten bzw. die erforderlichen Qualifikationen nicht aufgewiesen hätten. Auch gesamtwirtschaftliche Interessen würden diesfalls für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung sprechen, obwohl es sich konkret nur um die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an einen Druckereihelfer handle, denn bei einer effizienten Arbeitsmarktbetreuung sei auch zu berücksichtigen, daß für die Erfüllung eines Großauftrages immer wieder ausländische Arbeitskräfte benötigt würden, deren Sprachkenntnisse für den Bestand eines exportorientierten Unternehmens von existentieller Bedeutung seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und §§ 4 Abs. 6 in Verbindung mit 4 Abs. 1 und 13 a AuslBG keine Folge. Zur Begründung werden die §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 6 AuslBG wiedergegeben; dann wird festgestellt, daß die Landeshöchstzahl für die Kalenderjahre 1992 und 1993 für das Bundesland Wien laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales "seit Beginn 1992" weit überschritten sei. Deshalb seien - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG sei diese Bewilligung - unbeschadet der weiteren im § 4 Abs. 3 AuslBG normierten Bedingungen - an das Vorliegen zweier wesentlicher allgemeiner Voraussetzungen geknüpft, nämlich:

1. daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse und

2. daß wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Fehle auch nur eine dieser Voraussetzungen, so sei die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gesetzlich verwehrt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dann weiters § 4b AuslBG wiedergegeben und darüber hinaus ausgeführt:

"Der Verwaltungsausschuß für Ausländerbeschäftigung, dem der gegenständliche Berufungsakt im Rahmen des Landeshöchstzahl-Überziehungsverfahrens gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG vorzulegen war, hat der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht zugestimmt, da die von Ihnen geforderte Zusatzqualifikation, nämlich die Beherrschung der polnischen Sprache, für das Berufsbild des Siebdrucker(helfer)s nicht charakteristisch ist und somit als eine Überziehung des Anforderungsprofils erschien, wodurch die Möglichkeit einer Bereitstellung von Arbeitskräften seitens des Arbeitsamtes stark beschränkt wurde.

Die von Ihnen abgelehnte Bewerberin HT hat über ein Jahr lang als Druckerhelferin gearbeitet, sodaß ihre Einschulung für Siebdruckarbeiten in Ihrem Betrieb nicht als unzumutbare Belastung erscheint, zumal Sie auch Herrn P ursprünglich, nämlich am 22. 6. 1992 (AZ 6702 B/773 504), als Druckerhelfer beantragt haben.

Ihre Berufungsausführungen sind daher gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer zu begründen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens (- offenbar nicht vollständig -) vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei bringt im wesentlichen in Übereinstimmung mit ihrer Berufung vor, der beantragte Ausländer werde wegen seiner Sprach- und Fachkenntnisse im Hinblick auf einen großen Auslandsauftrag, der aber auch Auswirkungen auf weitere Inlandsaufträge habe und von dem daher auch die Arbeitsplätze der inländischen Arbeitnehmer des Unternehmens abhingen, benötigt. Die belangte Behörde vermeine, daß die verlangte Zusatzqualifikation für das Berufsbild der Siebdrucker(Helfer) eine Überziehung des Anforderungsprofiles darstelle, wodurch die Möglichkeit einer Bereitstellung durch das Arbeitsamt unzulässig beschränkt werde. Die Formulierung des § 4 Abs. 6 AuslBG "Die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere ..." deute darauf hin, daß der Gesetzgeber hier der entscheidenden Behörde die Möglichkeit einräume, auf besondere betriebliche Voraussetzungen und Erfordernisse hinsichtlich der Einstellung von ausländischen Arbeitskräften Bedacht zu nehmen. Die belangte Behörde habe daher auch auf das Vorbringen bezüglich der betrieblichen Notwendigkeit einer Einstellung Bedacht zu nehmen und nicht von sich aus, ohne die Betriebsstruktur und die betrieblichen Anforderungen zu kennen, zu entscheiden, ob die Einstellung einer vom Arbeitsamt vermittelten Person zumutbar oder unzumutbar sei. Im angefochtenen Bescheid werde ausgeführt, daß die von der beschwerdeführenden Partei abgelehnte Bewerberin (HT) als Druckhelferin gearbeitet habe, sodaß ihre Einschulung für Siebdruckarbeiten nicht als unzumutbare Belastung erscheine. Die beschwerdeführende Partei habe um Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für die Erfüllung eines konkreten, rasch durchzuführenden Auftrages ersucht und auch ausgeführt, daß bei einer mangelhaften Ausführung des Auftrages die Vertragsbeziehungen zum Kunden und damit die Folgeaufträge gefährdet wären. Bei der Entscheidung sei daher auf die speziellen wirtschaftlichen und betrieblichen Erfordernisse Bedacht zu nehmen.

Der Bescheid verstoße aber auch gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 1 AuslBG, weil sehr wohl die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung an den beantragten Ausländer nach der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zulässig sei und weder wichtige öffentliche noch gesamtwirtschaftliche Interessen entgegenstünden. Im Gegenteil müßte es im Interesse der Gesamtwirtschaft sein, einem Unternehmen bei Erfüllung seiner Aufträge behilflich zu sein und durch Erfüllung von Auslandsaufträgen auch inländische Arbeitsplätze zu sichern. Vom Arbeitsamt seien zwar laufend Leute geschickt worden, welche jedoch entweder nicht bei der beschwerdeführenden Partei hätten arbeiten wollen bzw. denen die entsprechende Qualifikation gemangelt hätte.

In den weiteren Ausführungen wird dargelegt, aus welchen - nicht von vornherein als unsachlich zu erkennenden - Gründen eine Reihe von Vermittlungsversuchen fehlgeschlagen seien.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden, seit 1. Jänner 1992 in Kraft stehenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Auf Grund dieser Rechtslage besteht gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG im Falle der Überschreitung der Landeshöchstzahlen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG UND § 4 Abs. 3 leg. cit. UND § 4 Abs. 6 Z. 1 oder Z. 2 oder Z. 3 oder Z. 4 leg. cit. vorliegen.

Vorweg ist dem Beschwerdevorbringen entgegenzutreten, die Formulierung des § 4 Abs. 6 AuslBG (gemeint offenbar Z. 2 dieser Bestimmung), die auf besonders wichtige Gründe abstelle, deute darauf hin, daß auf besondere betriebliche Erfordernisse Bedacht zu nehmen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der diesbezüglich vor der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 inhaltlich gleichen Bestimmung des § 4 Abs. 6 lit. b (Stammfassung) ausgesprochen, daß kein sonstiger besonders wichtiger Grund vorliegt, wenn das Unternehmen erkläre, es bedürfe zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes bzw. zur fristgerechten Erledigung der übernommenen Aufträge einer weiteren Arbeitskraft, weil die in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen nur dann erfüllt sind, wenn an der Beschäftigung eines beantragten Ausländers ein QUALIFIZIERTES Interesse besteht, das über das betriebsbezogene Interesse des Arbeitgebers an der Bedarfsbefriedigung des dringenden Arbeitskräftemangels hinausgeht (vgl. Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Slg. N. F. Nr. 12.789/A).

Ungeachtet dessen hat aber die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren über das betriebsbezogene Interesse hinaus weitere Gesichtspunkte (z.B. Arbeitsplatzsicherung für inländische Arbeitskräfte, Folgeaufträge) ins Spiel gebracht, denen nicht von vornherein eine über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung im Sinne der mit § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG angesprochenen besonders wichtigen Gründe abgesprochen werden kann.

Die belangte Behörde stützt ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen auf zwei Argumente: Zum einen habe der Verwaltungsausschuß die Forderung polnischer Sprachkenntnisse als unzulässige Überziehung des Anforderungsprofiles gewertet; zum anderen hätte die beschwerdeführende Partei eine namentlich genannte vermittelte Stellenbewerberin (HT) abgelehnt, obwohl eine Einschulung dieser nicht unzumutbar gewesen wäre.

Beide Argumente können die abweisende Entscheidung der belangten Behörde nicht stützen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die belangte Behörde mit der Wiedergabe einer Auffassung des Verwaltungsausschusses nicht nur eine Begründung für die Entscheidung des genannten Ausschusses liefern wollte, sondern diese Auffassung teilt und damit im Lichte des § 4 Abs. 1 AuslBG in der Problematik des Anforderungsprofiles und der Ersatzkraftstellung die entscheidende Ursache für die Abweisung sieht.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

              1.              daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

              2.              wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrunde zu legen sind (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0090, und die dort weiters angegebene Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß von der beschwerdeführenden Partei die Stellung von Ersatzkräften nicht abgelehnt wurde. Die belangte Behörde hat keine Feststellungen getroffen, auf Grund derer die Wertungsentscheidung "Überziehung des Anforderungsprofiles" sachlich begründet erscheint. Das diesbezügliche Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren kann nicht von vornherein als unsachlich bezeichnet werden. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, in einem mängelfreien Verfahren die sachverhaltsmäßigen Grundlagen dafür zu liefern, daß es sich bei der Forderung der Sprachkenntnisse tatsächlich um eine unzulässige Überziehung des Anforderungsprofiles handelt, die also nicht in betrieblichen Notwendigkeiten begründet ist.

Auch dem zweiten Argument könnte nur dann entscheidende Bedeutung zukommen, wenn es sich im konkreten Fall um eine unzulässige Ablehnung der genannten Ersatzkraft gehandelt hätte. Ob eine solche Sachlage gegeben war, ist allein damit, daß die beschwerdeführende Partei angeblich seinerzeit einen "Druckerhelfer" beantragt hatte, nicht abschließend zu beurteilen. Auch diesbezüglich wären weitere Erhebungen und Sachverhaltsfeststellungen notwendig gewesen.

Der angefochtene Bescheid ist daher mangels entsprechender Sachverhaltserhebungen sowohl in der Frage Anforderungsprofil als auch Ersatzkraftstellung einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich. Da ein anderes Ergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den überhöht geltend gemachten Schriftsatzaufwand und die im Schriftsatzaufwand enthaltene Mehrwertsteuer.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090161.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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