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23/01 Konkursordnung;Norm
BAO §215 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Dr. A, Rechtsanwalt in B, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Z in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 27. Mai 1991, 654-2/91, betreffend Auszahlung der Umsatzsteuergutschriften 1988 und 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über das Vermögen der im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluß des Landesgerichtes vom 22. Juni 1990 der Konkurs eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt.
Mit Bescheiden vom 19. Juli 1990 und 1. Oktober 1990 setzte das Finanzamt für die Jahre 1988 und 1989 die Umsatzsteuer fest, wobei sich insgesamt eine Gutschrift von 516.700 S ergab. Beide Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen.
In der Folge beantragte der Beschwerdeführer die Überweisung des aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 resultierenden Betrages auf ein bestimmtes Massekonto.
Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, die aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 entstandene Gutschrift sei zur Abdeckung der Konkursforderung von rund 1,1 Mio S herangezogen worden.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, die Gutschrift sei erst nach Eröffnung des Konkurses entstanden, weswegen die Aufrechnung derselben mit Konkursforderungen im Sinn des § 20 Abs 1 KO unzulässig sei.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer im wesentlichen vor, bei der Umsatzsteuer entstehe die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden seien. Die aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 entstandenen Gutschriften seien darauf zurückzuführen, daß die ehemals selbst zu berechnenden Abgaben unrichtigerweise zu hoch zum Ansatz gebracht worden seien. Da bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld zu berücksichtigen seien, könnten Änderungen nach dem Veranlagungszeitraum nicht mehr berücksichtigt werden. Die Gutschriften seien daher schon vor Eröffnung des Konkurses entstanden und daher zu Recht zur Abdeckung der Konkursforderung herangezogen worden.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm der Beschwerdeführer zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht Stellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Auszahlung der aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 entstandenen Gutschrift unter Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung und des Umsatzsteuergesetzes im wesentlichen mit der Begründung ab, die Umsatzsteuerschuld entstehe mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes. Dieser Grundsatz gelte nicht nur für den Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuerschuld, sondern auch für den Entstehungszeitpunkt des Anspruches bzw der Forderung des Steuerpflichtigen aufgrund bestehender Vorsteuerüberhänge. Im vorliegenden Fall sei daher mit Ablauf des Monates Dezember 1988 bzw Dezember 1989 der jeweilige Anspruch auf die Umsatzsteuergutschrift der Jahre 1988 und 1989 entstanden. Mit der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 werde lediglich die Durchsetzung des jeweiligen Anspruches, nicht aber dessen Entstehen bewirkt. § 20 Abs 1 KO stehe einer abgabenrechtlichen Verrechnung der so entstandenen Gutschrift mit der Konkursforderung nicht entgegen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG entsteht die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder Leistungen ausgeführt worden sind. ....
Gemäß § 21 Abs 1 UStG in der bis zum Ablauf des Jahres 1989 geltenden Fassung hat der Unternehmer .... spätestens am zehnten Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß .... selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Vorauszahlung und der Überschuß sind Abgaben im Sinn der Bundesabgabenordnung. ....
Aufgrund des § 21 Abs 4 UStG wird der Unternehmer nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. .... Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat.
Nach § 21 Abs 5 UStG wird durch eine Nachforderung aufgrund der Veranlagung keine von § 21 Abs 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet.
Gemäß § 213 Abs 1 BAO ist bei den von derselben
Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben .... für
jeden Abgabepflichtigen .... die Gebarung (Lastschriften
Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlaß entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefaßt zu verbuchen.
Nach § 215 Abs 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen ....
Gemäß § 239 Abs 1 erster Satz BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs 4 BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Aufgrund des § 216 BAO hat die Abgabenbehörde auf Antrag einen Abrechungsbescheid zu erlassen, wenn zwischen ihr und einem Abgabepflichtigen Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist.
Nach § 19 Abs 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht werden.
Im Sinn des § 19 Abs 2 KO wird die Aufrechnung dadurch
nicht ausgeschlossen, daß die Forderung des Gläubigers .... zur
Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt oder betagt .... war.
Gemäß § 20 Abs 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn
ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner
der Konkursmasse geworden .... ist.
Wie sich sowohl aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides als auch aus den Beschwerdeausführungen ergibt, ist strittig, ob die Auszahlung (in der Folge im Sinn des § 239 Abs 1 erster Satz BAO: Rückzahlung) des in Rede stehenden Betrages zulässig ist. Ein Guthaben im Sinn des § 215 BAO stellt sich als das Ergebnis der Gebarung auf dem Abgabenkonto dar. Da das Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt des Rückzahlungsantrages kein Guthaben, sondern eine Schuld von rund 548.000 S ausgewiesen hat, wäre dem Rückzahlungsantrag schon deswegen der Erfolg zu versagen gewesen. In Wahrheit besteht Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin. Ein derartiger Streit ist aber nicht in einem Verfahren nach § 239 Abs 1 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 leg cit auszutragen.
Nichtsdestoweniger ist der im vorliegenden Verfahren ergangene angefochtene Bescheid nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinn des § 216 BAO zugänglich.
Der Beschwerdeführer pflichtet der belangten Behörde bei, der Abgabenanspruch entstehe, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpfe, wobei die Umsatzsteuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen im Sinn des § 19 Abs 2 UStG in der Regel mit Ablauf des Kalendermonates entstehe. Er stellt auch ausdrücklich fest, Rückforderungsansprüche des Abgabepflichtigen entstünden ebenso wie Abgabenansprüche der Abgabenbehörde unabhängig vom Willen des Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde bereits mit der Realisierung des gesetzlichen Tatbestandes.
Der Beschwerdeführer meint jedoch, der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Grundsatz, wonach die Steuerschuld bei der Umsatzsteuer in der Regel mit Ablauf des Kalendermonates entstehe, gelte nicht für die Entstehung eines Rückforderungsanspruches aufgrund eines bestehenden Vorsteuerüberhanges. Die im § 19 UStG getroffene Regelung betreffe allein die Entstehung der Abgabenschuld. Der gesetzliche Tatbestand eines Abgabenüberhanges sei erst dann verwirklicht und entstehe der Rückforderungsanspruch daher erst zu dem Zeitpunkt, an dem das Umsatzsteuerguthaben überhaupt bekannt bzw ausreichend sicher festgestellt sei, somit erst nach erfolgter Veranlagung zur Umsatzsteuer.
Dieser Ansicht kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Wie auch in der Beschwerde unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 18, und das dort zitierte hg Erkenntnis ausgeführt wird, entstehen nicht nur Abgabenansprüche im engeren Sinn, sondern auch Rückforderungsansprüche jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Dies bedeutet im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers, daß es sich bei einem Rückforderungsanspruch des Abgabepflichtigen um nichts anderes handelt als um einen "negativen Abgabenanspruch" der Abgabenbehörde. Somit entsteht der Rückforderungsanspruch aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer (spätestens) mit Ablauf des jeweils veranlagten Jahres. Auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung kommt es hingegen nicht an. Mit dieser Maßnahme wird - wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat - die Durchsetzbarkeit des Anspruches des Abgabepflichtigen gegenüber der Abgabenbehörde, nicht aber das Entstehen des Anspruches bewirkt.
Da der Rückforderungsanspruch bereits vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin entstanden ist, stand der Aufrechnung dieses Anspruches mit der bestehenden Konkursforderung kein sich aus abgabenrechtlichen Vorschriften ergebendes Aufrechnungsverbot entgegen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 20 Abs 1 erster Satz KO, weil die Abgabenbehörde bereits mit Ablauf der Jahre 1988 und 1989, somit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Konkursmasse geworden ist. Die Abgabenbehörde durfte daher zu Recht die sich aus der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989 ergebende Gutschrift zur Tilgung bereits vor der Eröffnung des Konkurses entstandener Abgabenschulden verwenden (vgl das hg Erkenntnis vom 14. September 1993, 91/15/0103, mwA).
Die Gebarung der Abgabenbehörde auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin ist daher zu Recht erfolgt, weswegen sich die Beschwerde als unbegründet erweist und daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991150077.X00Im RIS seit
09.02.2001Zuletzt aktualisiert am
07.11.2009