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10 VerfassungsrechtNorm
ZPO §355 Abs1Leitsatz
Abweisung des Antrags auf Ablehnung eines SachverständigenSpruch
1. Der vom Bund gestellte Ablehnungsantrag wird abgewiesen.
2. Der Sachverständige o.Univ.Prof. Dr. D M wird angewiesen, innerhalb von zwei Wochen dem Bund sämtliche ihm von der Stadt Wien übergebenen schriftlichen Unterlagen und mündlich erteilten Informationen, die er für die Erstellung seiner in dieser Rechtssache erstatteten Gutachten verwertete, zugänglich zu machen und die vom Bund hiezu allenfalls abzugebenden Äußerungen entgegenzunehmen; er wird ferner beauftragt, auch künftig bei allenfalls noch weiter abzugebenden Gutachten in dieser Weise zu verfahren.
Begründung
Begründung:
1. Der Verfassungsgerichtshof bestellte mit Beschluß vom 19. Juni 1986, A39/85-21, o.Univ.Prof. Dr. D M zum Sachverständigen in dieser - den "klinischen Mehraufwand" iS des §55 KAG für die Jahre 1982 bis 1984 betreffenden - Rechtssache. In der Folge erstattete der Sachverständige mehrere (ergänzende) Gutachten, zuletzt im Dezember 1990.
Mit Schriftsatz vom 7. März 1991 erklärte der Bund gemäß den §§355 ff. ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG die Ablehnung des Sachverständigen o.Univ.Prof. Dr. D M.
Dieser Ablehnungsantrag wird zusammengefaßt damit begründet, daß der Sachverständige außerhalb der Verhandlung - ungeachtet von Einwendungen - wiederholt (zuletzt zur Vorbereitung des ergänzenden Gutachtens vom Dezember 1990) beim Magistrat der Stadt Wien der Feststellung des Sachverhaltes dienende Informationen eingeholt habe, ohne diesen Beweisaufnahmen Vertreter des Bundes beizuziehen oder diesen hievon wenigstens zu verständigen. Die offensichtlich ungeprüfte und unkommentierte Übernahme dieser einseitig von der Gegenpartei beschafften Informationen begründe umsomehr den Verdacht der Befangenheit, als der Inhalt der Stellungnahmen des Magistrats zum einen Teil unrichtig sei, zum anderen Teil unbedingt einer Überprüfung bedurft hätte. Diese Vorgangsweise könne zu einer Benachteiligung des Bundes führen.
2. Nach §355 Abs1 ZPO (der dem §35 Abs1 VerfGG zufolge im verfassungsgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist) können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß §19 Z2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen.
Ein solcher Grund liegt hier nicht vor: Der Bund macht keine zureichenden Gründe für die Annahme glaubhaft, daß sich der Sachverständige bei Abgabe des Gutachtens von anderen als sachlichen Gesichtspunkten würde leiten lassen. Die behaupteten Verfahrensfehler sind nicht so schwerwiegend, daß sie die mangelnde Objektivität des Sachverständigen erkennen lassen. Die Frage, ob und inwieweit dem Gutachten gefolgt wird, wird in der vom Verfassungsgerichtshof zu treffenden Sachentscheidung zu beantworten sein; die geltend gemachte inhaltliche Unrichtigkeit des Gutachtens kann zur Begründung der Befangenheit des Sachverständigen nicht herangezogen werden.
Dem Ablehnungsantrag war daher keine Folge zu geben.
3. Dem Sachverständigen war jedoch aufzutragen, die geltend gemachte mangelnde Befassung des Bundes nachzuholen und künftig seinen Erhebungen Vertreter beider Parteien beizuziehen.
Schlagworte
VfGH / SachverständigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:A39.1985Dokumentnummer
JFT_10089685_85A00039_00