TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/21 93/06/0017

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Veröffentlicht am 21.10.1993
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Index

L85007 Straßen Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §34 Abs1;
AVG §8;
LStG Tir 1989 §13 Abs2;
LStG Tir 1989 §16 Abs3;
LStG Tir 1989 §18;
LStG Tir 1989 §20 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §20 Abs2;
LStG Tir 1989 §20 Abs3;
LStG Tir 1989 §20 Abs4;
LStG Tir 1989 §20 Abs5 lita;
LStG Tir 1989 §20 Abs5;
LStG Tir 1989 §21 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §21 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §21;
LStG Tir 1989 §22 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. R, RA in I, gegen den Bescheid der Tir LReg vom 21. 12. 1992, Zl. IIb1-L-1943/5-1992, betreffend die Genehmigung des Vertrages über die Bildung einer Straßeninteressentschaft (mP:

1. Gemeinde R, vertr durch den BM; 2. V Gesellschaft m.b.H., vertr durch Dr. L, RA in I, und 9 weitere mP), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Eingabe vom 17. Dezember 1990 legte die erstmitbeteiligte Gemeinde der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck einen "Vertrag v. 13.12.1990 über die Bildung der Straßeninteressentschaft "K", sowie eine dazugehörige Satzung vor und beantragte die behördliche Genehmigung im Sinne des § 20 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes 1989. Dem diesem Vertrag beigeschlossenen Lageplan zufolge sollte der Interessentenweg "K" zunächst über das Gemeindegebiet der erstmitbeteiligten Gemeinde (im wesentlichen über Grundstücke der zweit- bis zehntmitbeteiligten Interessenten), sodann über eine Brücke über den H-Bach (das Grenzgewässer zwischen der beschwerdeführenden und der erstmitbeteiligten Gemeinde), daran anschließend über das im Eigentum der beschwerdeführenden Gemeinde stehende Grundstück Nr. 586/1 im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde führen, um schließlich über einen in umittelbarer Nähe befindlichen Straßenknoten (Gemeindestraße der beschwerdeführenden Gemeinde) in das überörtliche Verkehrsnetz eingebunden zu werden (zur Auseinandersetzung zwischen der beschwerdeführenden und der erstmitbeteiligten Gemeinde betreffend diese Einbindung vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1992, Zl. 91/06/0120). Aufschließungsinteressent der Straße ist u.a. auch die zweitmitbeteiligte Hotelbetriebsgesellschaft (die Vorgeschichte betreffend die Errichtung eines Kurhauses durch die zweitmitbeteiligte Partei ist dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1992, Zlen. 91/06/0075, 91/06/0096, zu entnehmen): Gemäß der Straßenbeschreibung in Punkt II. des Vertrages über die Bildung der Straßeninteressentschaft sollte die Interessentenstraße das von der zweitmitbeteiligten Betriebsgesellschaft zu errichtende Zentrum für ganzheitliche Medizin und Erholung und mehrere andere Liegenschaften im Gemeindegebiet der erstmitbeteiligten Gemeinde, die mit Nutzungsrechten einer größeren Anzahl von Teilwaldberechtigten belastet seien, insbesondere für die Holzbringung, erschließen. Diese Erschließung sei im Raumordnungsinteresse der erstmitbeteiligten Gemeinde gelegen, zumal das beträchtliche Verkehrsaufkommen der vorgenannten Unternehmungen und im Rahmen der Teilwaldnutzung verkehrstechnisch begünstigt von der S-Schnellstraße (Bundesstraße) ferngehalten werden könne. In Punkt III. dieses Vertrages nahmen sämtliche Vertragsteile zustimmend zur Kenntnis, daß im Zuge der zu erlangenden Straßenbaubewilligung gemäß den §§ 40 ff des Tiroler Straßengesetzes zur Herstellung der Straße im Bereich der Grundstücke, die im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden, ein Enteignungsverfahren gemäß §§ 61 des Tiroler Straßengesetzes anhängig zu machen sein werde und verpflichteten sich, im Rahmen ihrer Mitwirkungsrechte diese Antragstellung "tatkräftig zu unterstützen".

Über den Antrag der erstmitbeteiligten Gemeinde wurde am 24. April 1991 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der auch die beschwerdeführende Nachbargemeinde vertreten war und gegen die geplante Straßeninteressentschaft Einwendungen erhob.

1.2. Mit Bescheid vom 17. April 1992 hat die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck den Antrag der erstmitbeteiligten Gemeinde abgewiesen. In der Begründung heißt es unter anderem, daß die beschwerdeführende Gemeinde nicht Interessent im Sinne des Tiroler Straßengesetzes sei, da das in ihrem Eigentum stehende Grundstück Nr. 586/1, EZ 119, KG S "(Gemeindevermögen S)" bereits hinreichend und vollständig erschlossen sei. Das Tiroler Straßengesetz gehe davon aus, daß den abstrakt als Interessenten in Betracht kommenden Personen im Sinne des § 20 Abs. 5 des Tiroler Straßengesetzes die vorgesehene Straße im konkreten Fall auch tatsächlich einen verkehrsmäßigen Vorteil bringen müsse. Es liege zwar ein rechtswirksamer Vertrag aller Interessenten vor, der Vertrag und die Satzung widersprächen aber in mehrfacher Hinsicht der "Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt". So sei die erstmitbeteiligte Partei hinsichtlich zweier, näher bezeichneter Grundstücke nicht Interessent; die vorgesehene Straße verlaufe auch nicht "wie laut Vertrag und Satzung über GSt. 536/1 und GSt. 587/1", da diese Grundstücke (ergänze: als selbständige Grundstücke) nicht mehr existierten. Bei den seit Vertragsabschluß erfolgten Änderungen handle es sich auch um Änderungen der Eigentumsverhältnisse, welche die Beitragsverhältnisse beeinflussen könnten. Der Antrag sei schon aus diesen Gründen abzuweisen. Überdies komme der vorgesehenen Straße auch keine Verkehrsbedeutung im Sinne des § 20 Abs. 2 bzw. § 16 Abs. 3 des Tiroler Straßengesetzes zu. Gegen diesen Bescheid erhob die erstmitbeteiligte Gemeinde Berufung.

1.3. Mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 gab die belangte Behörde der Berufung der erstmitbeteiligten Gemeinde Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend ab, daß der Vertrag vom 13. Dezember 1990, abgeändert am 6. Februar und 2. Dezember 1992, über die Bildung der Straßeninteressentschaft K einschließlich der einen Bestandteil dieses Vertrages bildenden Satzung dieser Straßeninteressentschaft gemäß § 20 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, genehmigt wird. Die belangte Behörde vertrat dazu begründend im wesentlichen die Auffassung, daß die geplante Interessentenstraße den gesetzlichen Erfordernissen entspreche, nämlich im Sinne des § 16 Abs. 3 lit. a des Tiroler Straßengesetzes neben dem örtlichen Verkehr im Sinne des § 13 Abs. 2 leg. cit. überwiegend der Deckung des Verkehrsbedürfnisses eines bestimmten Kreises von Benützern zu dienen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Gemeinde S. Nach dem so formulierten Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Abweisung des Genehmigungsansuchens in bezug auf den Vertrag vom 13. Dezember 1990 mit Ergänzungen vom 6. Februar und 2. Dezember 1992 über die Bildung der Straßeninteressentschaft "K" als verletzt.

Die belangte Behörde, die erstmitbeteiligte Gemeinde und die zweit, dritt- und sechstmitbeteiligte Partei (die drei letztgenannten als Mitglieder der Interessentschaft) haben Gegenschriften erstattet, worin teils die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin, teils die sachliche Begründetheit der Beschwerde bestritten und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Das Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 (alle nicht näher bezeichneten Paragraphenzitate beziehen sich auf dieses Gesetz) kennzeichnet die öffentlichen Interessentenstraßen (§ 6 Z. 3) im wesentlichen dadurch, daß eine solche Straße von einer "Straßeninteressentschaft" (die gemäß § 20 Abs. 9 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist) verwaltet wird, die - im Prinzip - auch die Straßenbaulast zu tragen hat (§ 17 Abs. 1 und 3) und entweder durch schriftlichen Vertrag zwischen "allen Interessenten" (§ 20 Abs. 1 lit. a) oder durch Bescheid der Behörde (§ 20 Abs. 1 lt. b) gebildet wird. Ein Vertrag über die Bildung einer Interessentschaft bedarf gemäß § 20 Abs. 2 zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Behörde; sie ist zu erteilen, wenn der Straße eine Verkehrsbedeutung nach § 16 Abs. 3 zukommt und die einen Bestandteil dieses Vertrages bildende Satzung dem § 21 entspricht.

Gemäß § 21 Abs. 1 hat die Satzung einer Straßeninteressentschaft jedenfalls zu enthalten:

"a) den Namen, den Sitz und den Zweck der Straßeninteressentschaft,

b) die Bezeichnung der öffentlichen Interessentenstraße und eine Beschreibung ihres Verlaufes sowie die Festlegung allfälliger Benützungsbeschränkungen nach § 4 Abs. 2; solche Benützungsbeschränkungen dürfen nur insoweit festgelegt werden, als hiedurch öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt werden,

c) den Namen und die Adresse der Interessenten sowie die auf sie entfallenden Beitragsanteile,

d)

die Rechte und Pflichten der Interessenten,

e)

die Festlegung der Organe der Straßeninteressentschaft und ihres jeweiligen Aufgabenbereiches."

Als Interessenten (durch deren Willensübereinstimmung eine Straßeninteressentschaft gemäß § 20 Abs. 1 lit. a gebildet werden kann) "kommen in Betracht" (§ 20 Abs. 5):

              "a)              Die Eigentümer der durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstücke,

              b)              Personen, denen an einem durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht zusteht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt,

              c)              Personen, denen an einem durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstück als Teilwaldberechtigten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht,

              d)              die nicht unter lit. a, b oder e fallenden Inhaber von Unternehmen auf einem durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstück, wenn die Straße für das Unternehmen einen verkehrsmäßigen Vorteil bringt, und

              e)              die Träger öffentlicher Verkehreinrichtungen im Sinne des § 16 Abs. 3 lit. b."

Über die Erklärung einer Straße zur öffentlichen Interessentenstraße entscheidet bei einer durch Vertrag gebildeten Straßeninteressentschaft gemäß § 28 Abs. 1 und 2 die aus sämtlichen Interessenten bestehende Vollversammlung der Straßeninteressentschaft. Dieser Beschluß kann gemäß § 28 Abs. 6 zweiter Satz nur mit "Zustimmung aller Interessenten", d. h. einstimmig erfolgen.

3.2.1. Im Verfahren ist unbestritten, daß der geplante öffentliche Interessentenweg zwar überwiegend über Grundparzellen im Gemeindegebiet der erstmitbeteiligten Gemeinde führt, schließlich jedoch den zwischen der Beschwerdeführerin und der erstmitbeteiligten Gemeinde den - dem dortigen Verlauf der Gemeindegrenze folgenden - "H-Bach" quert und über das Grundstück Nr. 586/1 im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde in eine Gemeindestraße dieser Gemeinde eingebunden werden soll. Das Grundstück Nr. 586/1 gehört - nach den Feststellungen der belangten Behörde und nach Ausweis eines aktenkundigen Auszuges aus dem Grundstücksverzeichnis - zur EZ 119 der betreffenden Katastralgemeinde, steht zur Gänze im Eigentum der beschwerdeführenden Gemeinde, ist jedoch nicht Teil des öffentlichen Gutes.

3.2.2. Während die Beschwerdeführerin (zusammengefaßt und sinngemäß) die Auffassung vertritt, die Einbeziehung dieses Grundstückes in die Straßeninteressentschaft sei ohne ihre Zustimmung unzulässig, vertritt die belangte Behörde (welche diese Frage in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht berührt) in ihrer Gegenschrift (wie auch schon die erstinstanzliche Behörde) die Auffassung, daß das im Eigentum der beschwerdeführenden Gemeinde stehende Grundstück "bereits durch die Gemeindestraße (der beschwerdeführenden Gemeinde) ausreichend erschlossen ist", wodurch die neue (Interessenten-)Straße der beschwerdeführenden Gemeinde keinen konkreten Vorteil bringen werde. Die Tatsache allein, daß zur Herstellung der Straße Grundstücksflächen einer Person in Anspruch genommen werden müßten, begründe nicht deren Stellung als Interessent. Die zweitmitbeteiligte Partei argumentiert ähnlich und fügt dem in ihrer Gegenschrift bei, daß "naturgemäß" der Vertrag über die Bildung der Straßeninteressentschaft jene Liegenschaftseigentümer nicht umfasse, die wegen "einer Gefahr der Enteignung oder sonstiger Gründe" nicht Vertragspartner sein wollten. Die "Öffentlichkeitswidmung" werde erst mit dem Beschluß der Straßeninteressentschaft (ergänze: mit welchem die Straße zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wird) erklärt, als dessen Folge auch Enteigungsanträge gestellt werden könnten. Erst "im Rahmen eines fortgesetzten Bewilligungs- und Enteigungsverfahrens" könne die Beschwerdeführerin ihre Rechte geltend machen. In ähnlicher Weise argumentiert zu diesem Punkt die erstmitbeteiligte Gemeinde.

3.3. Entgegen den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten, die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin bestreitenden Stellungnahmen kommt der Beschwerdeführerin schon deshalb die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof zu, weil sie im Verfahren zur Bewilligung des Vertrages über die Bildung der Straßeninteressentschaft vermöge eines rechtlichen Interesses Partei im Sinne des § 8 AVG war und daher durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt werden konnte:

3.3.1. Die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ist zunächst aus der Überlegung zu bejahen, daß der geplante Interessentenweg zum Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde führen soll, die daher gemäß § 18 Abs. 1 rechtlich verpflichtet sein würde, "entsprechend der Bedeutung dieser Straße für den örtlichen Verkehr im Sinne des § 13 Abs. 2", einen Beitrag zu der von der Straßeninteressentschaft zu tragenden Straßenbaulast zu leisten. Gemäß § 18 Abs. 3 bedürfen zwar Beschlüsse der Vollversammlung und des Ausschusses einer Straßeninteressentschaft, welche die Straßenbaulast berühren, der Zustimmung der nach § 18 Abs. 1 beitragspflichtigen Gemeinde (somit auch der beschwerdeführenden Gemeinde), doch betrifft dieses Mitspracherecht (ebenso wie die Möglichkeit, den von der Gemeinde zu leistenden Beitrag durch die Behörde festsetzen zu lassen - § 18 Abs. 2) nur mehr die HÖHE der Beitragspflicht, nicht jedoch die Beitragslast dem Grunde nach. Die Parteistellung der Beschwerdeführerin ist in diesem Belang nicht etwa deshalb zu verneinen - wie die zweitmitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift meint - weil sie nach § 3 der Satzung der Straßeninteressentschaft "von jeglicher Beitragspflicht, sei es für den Bau, für die Erhaltung, wie auch für den Winterdienst des Interessentschaftsweges ausgeschlossen bzw. entlastet ist", da sich die erwähnte Beitragsverpflichtung der Beschwerdeführerin unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, während die Satzung gemäß § 21 Abs. 1 (nur) die Rechte und Pflichten der INTERESSENTEN regelt. Selbst wenn daher die beschwerdeführende Gemeinde als Erschließungsbegünstigte (und nicht nur als Gebietskörperschaft) Interessent der Straßeninteressentschaft wäre (oder zu sein hätte, worauf noch zurückzukommen sein wird), könnte die Satzung nur eine Beitragspflicht der Beschwerdeführerin in DIESER EIGENSCHAFT regeln, wobei für den Beschwerdefall offenbleiben kann, ob die Bestimmung einer Satzung gesetzeskonform wäre, die zwar eine (juristische) Person als Interessent einbezöge (dies setzt ein "Interesse" im Sinne des § 20 Abs. 5 denknotwendig voraus), andererseits aber diese Person (trotz Vorliegens dieses Interesses) beitragsfrei stellt. Eine Beitragspflicht der Beschwerdeführerin als Gemeinde ergibt sich jedenfalls unmittelbar aus § 18 Abs. 1 und unabhängig davon, ob sie auch als Grundstückseigentümerin (im privatrechtlichen Sinne) Erschließungsbegünstigte ist.

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber auch nicht die Rechtsauffassung der zweitmitbeteiligten Partei, die Beschwerdeführerin könne ihre Rechte (erst) im "Bewilligungs- und Enteignungsverfahren" geltend machen. Nach dem Systemzusammenhang der vorgenannten gesetzlichen Regelungen bildet die Satzung der Straßeninteressentschaft einen Teil des von der Behörde zu genehmigenden Vertrages (§ 20 Abs. 2 lit. b); sie hat gemäß § 21 Abs. 1 lit. b u.a. eine Beschreibung des Verlaufes der öffentlichen Interessentenstraße zu enthalten. Welcher Straßenverlauf daher (in der Folge durch Beschluß der Vollversammlung der Interessentschaft) zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden kann, wird bereits bei Vertragsabschluß in der Satzung bestimmt und mit der Genehmigung des Vertrages (und damit auch der Satzung) durch die Behörde rechtswirksam. Mit der Genehmigung des Vertrages über die Straßeninteressentschaft K hat die belangte Behörde - endgültig - entschieden, daß der Interessentenweg über das Gemeindegebiet der erstmitbeteiligten Gemeinde (bzw. dort über die jeweils genannten Grundstücke) zum Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin führt. Der Beschwerdeführerin muß daher (als vom Interessentenweg berührte Gemeinde) schon im Genehmigungsverfahren das Recht eingeräumt werden, das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erklärung einer Straße zum Interessentenweg und damit (auch) für die Bildung einer Straßeninteressentschaft geltend zu machen. Sie ist daher nicht nur Partei des Bewilligungsverfahrens (so auch die Gesetzesmaterialien: vgl. Gstöttner, Tiroler Straßengesetz, 90), sondern auch bechwerdelegitimiert.

3.3.3. Darüber hinaus muß aber auch ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin (und damit ihre Parteistellung bzw. Beschwerdelegitimation) als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 586/1 bejaht werden:

3.3.3.1. Das Tiroler Straßengesetz behandelt die Frage der Rechtsstellung der EIGENTÜMER VON GRUNDSTÜCKEN, über welche die geplante Interessentenstraße führen soll, nicht ausdrücklich. Nach den bei Gstöttner, Tiroler Straßengesetz (1989) abgedruckten Gesetzesmaterialien (vgl. das Vorwort, Seite 5 f) scheint der Gesetzgeber vom Regelfall ausgegangen zu sein, daß die Grundflächen, über welche die Straße führt, entweder im Eigentum der Interessenten oder der Gemeinde stünden (aaO, Seite 86 ff), d.h. eine Interessentenstraße in der Regel jene Grundstücke (auch) erschließt, über welche sie führt und (daher) Eigentümer der eigentlichen Straßenfläche (ohnehin) auch Erschließungsbegünstigter und (daher) Interessent ist (§ 20 Abs. 5 lit. a) oder die Straßenfläche im öffentlichen Gut steht (Gstöttner, aaO, 83). Dies findet auch in § 20 Abs. 5 lit. a seinen Ausdruck, wonach als Interessenten "die Eigentümer der durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstücke" in Betracht kommen.

3.3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in diesem Zusammenhang der Argumentation der belangten Behörde sowie der erstmitbeteiligten Gemeinde und der zweitmitbeteiligten Partei, daß die Inanspruchnahme von Grundflächen der Beschwerdeführerin noch nicht zu deren Stellung als Interessentin führe, sondern vielmehr ein "tatsächlicher verkehrsmäßiger Vorteil" durch die Interessentenstraße eintreten müsse (der hinsichtlich der Grundfläche der Beschwerdeführerin fehle, weil diese Grundfläche bereits anderweitig aufgeschlossen sei), nicht beizupflichten: Voraussetzung für die Bildung einer Straßeninteressentschaft (bzw. für die Erklärung eines Weges zum öffentlichen Interessentenweg) ist zwar das Vorliegen eines in § 16 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 umschriebenen Verkehrsinteresses, nicht jedoch, daß hinsichtlich jedes einzelnen Interessenten im Sinne des § 20 Abs. 5 ein solches (oder gar ein dringendes) Verkehrsinteresse in der Weise erforderlich wäre, daß das Grundstück ohne diese Interessentenstraße nicht aufgeschlossen wäre. Ein dringendes Verkehrsbedürfnis ist vielmehr (nur) als eine der alternativen Voraussetzungen für die (amtswegige) Bildung einer Straßeninteressentschaft mit Bescheid der Behörde (§ 20 Abs. 4 lit. a) erforderlich. Selbst bei der Bildung mit Bescheid über Antrag eines Interessenten (§ 20 Abs. 3) genügt es (u.a.), daß die Straße für alle einzubeziehenden Straßeninteressenten "einen verkehrsmäßigen Vorteil" bringt; da die Eigentümer "der durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstücke" gemäß § 20 Abs. 5 Interessenten sind und § 20 Abs. 3 (für die Bildung einer Interessentschaft über Antrag eines Interessenten) ZUSÄTZLICH einen verkehrsmäßigen Vorteil für die Interessenten verlangt, kann somit das Tatbestandsmerkmal der "Erschließung" im Sinne des § 20 Abs. 5 lit. a (anders als im Falle der Interessentenstellung eines begünstigten Unternehmens gemäß § 20 Abs. 5 lit. d, dessen Inhaber NICHT als Grundeigentümer erschließungsbegünstigt ist) nicht ohne weiteres mit dem Entstehen eines verkehrsmäßigen Vorteiles gleichgesetzt werden. Es ist daher (umsomehr) verfehlt, nur jene Grundstückseigentümer als Interessenten anzusehen, deren Grundstücke bisher (straßenmäßig) überhaupt nicht oder nur unzureichend aufgeschlossen sind. Es genügt vielmehr die Tatsache der "Erschließung" des Grundstückes, d. h., daß das betreffende Grundstück über den Interessentenweg erreicht wird und dadurch zumindest über die bisherige Aufschließung hinaus eine ZUSÄTZLICHE Erschließung eintritt. Das (unterschiedliche) Maß des Erschließungsinteresses im Verhältnis zu anderen Interessenten drückt sich lediglich im Beitragsanteil aus (§ 22 Abs. 2), berührt aber nicht die Interessentenstellung dem Grunde nach. Soweit daher die Interessentenstraße die Grundparzelle Nr. 586/1 der beschwerdeführenden Gemeinde (welche nicht im öffentlichen Gut steht) quert, erschließt sie dieses Grundstück der Beschwerdeführerin. Diese ist daher gemäß § 20 Abs. 5 lit. a Interessentin, weshalb ihr im Bewilligungsverfahren Parteistellung nicht nur als beitragspflichtige Gemeinde aus dem Grunde des § 18, sondern auch als Interessentin im Sinne des § 20 Abs. 5 zukam.

3.4. Aus diesen Überlegungen ergibt sich aber unmittelbar, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid dadurch in ihren Rechten verletzt wurde, daß die belangte Behörde den Interessentschaftsvertrag genehmigt hat, obwohl diesem nicht auch die beschwerdeführende Gemeinde als Vertragspartner angehörte, setzt doch die Bildung einer Straßeninteressentschaft durch schriftlichen Vertrag die Vereinbarung ALLER Interessenten voraus (§ 20 Abs. 1 lit. a). Es ist daher auf dem Boden der dargestellten Rechtslage unzulässig, mittels vertraglicher Bildung einer Straßeninteressentschaft Grundstücke in Anspruch zu nehmen, die durch den Weg erschlossen werden, ohne daß deren Eigentümer (oder sonstigen Berechtigten im Sinne des § 20 Abs. 5) als Interessenten in den Vertrag miteingebunden werden. Gegen den Willen eines solchen Interessenten ist vielmehr nur die Bildung einer Straßeninteressentschaft mit Bescheid möglich und zwar über Antrag eines Interessenten unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 oder von Amts wegen unter jenen des § 20 Abs. 4. Die Genehmigung eines Vertrages über die Bildung einer Straßeninteressentschaft entweder gegen den Willen oder unter Ausschluß eines Interessenten, von dem (mutmaßlich) eine Zustimmung nicht zu erhalten ist, verletzt diesen Interessenten daher in seinen Rechten.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung der Frage bedurfte, ob die übrigen Voraussetzungen für die Bildung einer Straßeninteressentschaft vorliegen, sowie ferner, ob - allenfalls - auch im Privateigentum stehende WEGPARZELLEN in eine Straßeninteressentschaft einbezogen werden dürfen, die dem öffentlichen Verkehr (noch) nicht gewidmet sind, und deren Eigentümer in Ermangelung einer sonstigen erschließungsbegünstigten Grundfläche als Interessenten nicht in Betracht kommen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993060017.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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