TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/21 93/02/0241

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Veröffentlicht am 21.10.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des W in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. August 1993, Zl. 19/118-1/1993, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Übertretung des Meldegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Erstbehörde wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Meldegesetzes bestraft. Die Strafverfügung wurde beim Postamt hinterlegt, der Beginn der Abholfrist war der 19. April 1993. Nach Auskunft des Postamtes wurde die Strafverfügung am 22. April 1993 vom Beschwerdeführer persönlich behoben. Am 25. Mai 1993 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Die Erstbehörde gab dem Antrag nicht Folge. In seiner Berufung verwies der Beschwerdeführer auf die eidesstättige Erklärung von Frau TD, wonach diese im Terminkalender für die Einbringung eines Einspruches den 26. April 1993 habe eintragen wollen, offensichtlich wegen Arbeitsüberlastung aber versehentlich den 26. Mai 1993 eingetragen habe. Der Beschwerdeführer führte hiezu aus, daß er sich 100 %ig auf TD habe verlassen können, da ihr ein derartiger Fehler in ihrer langjährigen Tätigkeit überhaupt noch nie passiert sei. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (§ 24 VStG) ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird in der zu § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (sowie zum wegen Identität des Begriffsinhaltes vergleichbaren § 46 Abs. 1 VwGG) ergangenen Rechtsprechung als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber, wenn er die im Verkehr mit Gerichten oder Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1992, Zl. 91/03/0345, und vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0122, 0222). Irrtümer und Fehler von Hilfskräften stehen einer Wiedereinsetzung nicht im Weg, wenn sie trotz Einhaltung der zumutbaren Kontrolle des Wiedereinsetzungswerbers geschehen. Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für ihn tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung eines Termines vorgekehrt hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten (vgl. neuerlich das eben zitierte Erkenntnis vom 21. Oktober 1992).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Strafverfügung selbst beim Postamt behoben, weshalb er - wie die belangte Behörde zutreffend bemerkt - den Inhalt des Poststückes kannte oder kennen mußte. Er hat im Verwaltungsverfahren nicht dargelegt, welche Maßnahmen er zur Kontrolle der Fristenwahrung getroffen hat. Noch in seiner Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer lediglich, er habe sich 100 %ig auf seine Bürokraft verlassen können. Die Feststellung der belangten Behörde, er habe keine Vorkehrungen gegen eine Fristversäumnis getroffen, hat der Beschwerdeführer nicht bekämpft. Geht man aber von dieser Feststellung aus, so ist der Beschwerdeführer der ihm zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht in Fristenfragen nicht einmal andeutungsweise nachgekommen und hat solcherart die eingetretene Säumnis nicht nur durch einen minderen Grad des Versehens verursacht.

Einer Einvernahme der Bürokraft des Beschwerdeführers bedurfte es nicht, weil die belangte Behörde ohnehin von der Richtigkeit des Wiedereinsetzungsvorbringens ausgegangen ist.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, im erstinstanzlichen Verfahren sei ein unzulässiger Formularbescheid erlassen worden, genügt der Hinweis, daß Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht der Bescheid der Erstbehörde, sondern der Bescheid der belangten Behörde ist.

Schließlich kann der Gerichtshof dem Beschwerdeführer auch nicht darin beipflichten, dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, über welche Berufung des Beschwerdeführers damit entschieden werde. Auch wenn es einen Bescheid der Erstbehörde vom selben Tag zur selben Zahl gegeben haben sollte, mit dem ein Einspruch vom 25. Mai 1993 zurückgewiesen wurde, ergibt sich aus der vorliegenden Bescheidbegründung hinreichend deutlich, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages abgewiesen hat. Dies ist sowohl der Wiedergabe des betreffenden Verwaltungsgeschehens als auch den Rechtsausführungen zu § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG als auch der Schlußfolgerung der belangten Behörde, es lägen keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, die Erstbehörde habe den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen, klar und eindeutig zu entnehmen.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020241.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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