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L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung BebauungsplanNorm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Gemeinde F, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 5. Mai 1993, Zl. VIIa-310.28-1, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluß vom 26. März 1991 hat die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde beschlossen, eine Teilfläche der Grundstücke 558/1 sowie die Grundstücke 545/7 und 547 (Gebiet "M") von Freifläche/Landwirtschaft in Baufläche/Wohngebiet umzuwidmen. In der Vorbegutachtung hat die Raumplanungsstelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung die vorgesehene Umwidmung negativ beurteilt. Als Gründe wurden das Anreißen eines neuen Landwirtschaftsgebietes, die Ausbildung eines Zersiedlungskeiles in der Landschaft und die Verlegung des Siedlungsrandes nach Norden angeführt. Daraufhin hat die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde in ihrer Sitzung vom 27. April 1992 beschlossen, die etwas südwestlich der ursprünglich zur Umwidmung vorgesehenen Grundstücke liegenden Grundstücke Nr. 551/3 und 546 sowie den für eine Bautiefe notwendigen Teil des Grundstückes 558/1, von derzeit Freifläche/Landwirtschaft in Baufläche/Wohngebiet umzuwidmen. Die Gemeinde hat dem Ansuchen an die belangte Behörde, die beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 des Raumplanungsgesetzes aufsichtsbehördlich zu genehmigen, eine Stellungnahme des Dipl. Ing. R.F., Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Raumordnung, vom 4. Mai 1992 beigelegt, in der dieser zur Auffassung gelangt ist, daß die "nunmehrige Widmung" zu vertreten sei, weil sich der nunmehr gewidmete Bereich in einer, für die landwirtschaftliche Nutzung weniger wertvollen mittelsteilen Hanglage im unteren Randbereich der geschlossenen landwirtschaftlichen Betriebsfläche befinde, der gewidmete Bereich durch die bestehende Gemeindestraße erschlossen sei, eine entsprechende Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereits gegeben bzw. technisch leicht bewerkstelligt werden könne und entgegen der ursprünglichen geplanten Widmung die östliche Widmungsgrenze in einer in der Natur vorgegebenen Geländemulde in Fortsetzung der Siedlungsgrenze im unteren Bereich verlaufe. Die Gefahr einer Fortsetzung der Baulandwidmung sei nicht gegeben, da die vorhandene Geländemulde als östlicher Siedlungsrand festgelegt worden sei und die anschließenden Grundflächen nach Norden hin im Eigentum von E.K. stünden, dessen Baulandbedarf durch die vorliegende Widmung bereits gedeckt werde. Bei der jetzt geplanten Umwidmung liege die Widmungsgrenze nur um eine Bautiefe nach Norden verlegt und der künftige Siedlungsrand liege höhemäßig in einer Linie mit dem bestehenden Bauernhof. Dadurch sei eine klare Abgrenzung der Siedlung gegenüber den landschaftlichen Grundflächen in diesem Bereich gegeben.
Die belangte Behörde hat in einem Ermittlungsverfahren Stellungnahmen des Landeswasserbauamtes, der Agrarbezirksbehörde, des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz sowie der Raumplanung eingeholt und diese Stellungnahmen der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Das Landeswasserbauamt teilte mit, daß die Erschließung durch Wasser und Kanal grundsätzlich positiv beurteilt werden könne. Die Agrarbezirksbehörde hat in ihrer Stellungnahme vom 31. Juli 1992 ihre grundsätzlich negative Haltung aus landwirtschaftlicher Sicht, die bereits in einer Stellungnahme zum ersten Widmungsvorschlag geäußert wurde, aufrechterhalten. Sie führte aus, daß ein völlig neues Landwirtschaftsgebiet angerissen werde. Mit der gegenständlichen Umwidmung sollten zwei bis drei Bauplätze für die Söhne des Nebenerwerbslandwirtes E.K. auf der Ostseite des bestehenden Wohn- und Wirtschaftsgebäudes ausgewiesen werden. Östlich des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes sei aber eine Restfläche vorhanden, die für die Errichtung eines Doppelhauses genügen solle. Unter Einbeziehung eines Doppelhauses und eines entsprechenden Anbaus an den bereits vorhandenen Rohbau des Sohnes sei eine Möglichkeit gegeben, daß vier Söhne des E.K. ihren Baubedarf dort decken könnten, es sei daher die Notwendigkeit für die Ausweisung eines neuen Baugebietes östlich des Anwesens nicht mehr gegeben. Für die vorgesehene Umwidmung bestehe kaum Bedarf. Durch ein Anreißen eines neuen Landwirtschaftsgebietes könne eine Präjudizwirkung für spätere Umwidmungen erzielt werden.
Der Amtssachverständige für Natur- und Landschaftsschutz erklärte in seiner Stellungnahme vom 22. Juli 1992, daß der gegenständliche Umwidmungsvorschlag nur eine geringfügige Verbesserung des ursprünglichen Vorschlages darstelle. Die nunmehr beantragte Umwidmung führe zu einem landschaftsbildlich deutlichen Ausufern des derzeit noch gut sichtbaren Siedlungsrandes. Besonders deutlich werde dies gerade vom Ortszentrum aus sichtbar. Die in der Stellungnahme des Dipl.Ing.R.F. vom 4. Mai 1992 beschriebene Geländemulde sei sehr flach und stelle in Zusammenhang mit der umliegenden Landschaft keinen deutlichen Siedlungsrand dar. Es sei somit auch keine deutliche Grenze für vielleicht spätere Umwidmungen gegeben. Insgesamt sei bei Bewilligung der beantragten Umwidmung ein Ausbruch aus dem jetzt noch gut vorhandenen Siedlungsrand gegeben. Aus landschaftsbildlicher Sicht sei daher die beantragte Umwidmung klar negativ zu beurteilen.
Der Amtssachverständige für Raumplanung führte in seiner Stellungnahme aus, daß durch die angestrebte Änderung in einen zusammenhängenden und durch die natürlichen Gegebenheiten eindeutig abgegrenzten Freiraum eingegriffen werde. Die im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsgrenze unterhalb der Straße orientiere sich eindeutig an den bestehenden topographischen Gegebenheiten, wie Geländerücken mit dazugehörigem, notwendigem Freiraum als Vordergrund (Mulde) mit geringen Baulandreserven. Oberhalb der Zufahrtsstraße in Richtung Sportgelände greife die Bebauung bzw. Bauflächenwidmung abrundend über die Zufahrtsstraße hinaus, überschreite aber nicht den Zufahrtsweg zum landwirtschaftlichen Anwesen K. Jede Baulandwidmung über die Straße hinaus würde das Anreißen eines neuen Landschaftsteiles bedeuten und somit den dominanten gegebenen Siedlungsrand wesentlich nach Norden - aber auch nach Osten - verlegen.
In ihrer Äußerung vom 18. November 1992 hat sich die beschwerdeführende Gemeinde auf ein wesentliches Entwicklungsziel des Leitbildes der Gemeinde berufen, wonach tatsächlich verfügbares Bauland durch eine aktive Bodenpolitik bei eindeutig nachvollziehbaren Bedarfsansprüchen unter Berücksichtigung eines möglichst sparsamen Grundverbrauchs bereit gestellt werden solle. Die von der Widmung betroffene Familie K. habe 5 Söhne im Alter von 18 - 27 Jahren. Das landwirtschaftliche Anwesen dieser Familie werde seit Jahrzehnten gepflegt und bewirtschaftet. Um eine Bewirtschaftung der Bergmähder in Zukunft zu sichern und eine Abwanderung zu vermeiden, sollten den jungen Menschen, wie im Leitbild vorgesehen, die benötigten Bauliegenschaften bereit gestellt werden.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die beantragte aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt. Zur Begründung führte die belangte Behörde - zusammengefaßt - aus, es werde ein neues Landwirtschaftsgebiet angerissen, ein Zersiedlungskeil gebildet und der deutlich sichtbare Siedlungsrand würde nach Norden verlegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerde waren u.a. zwei Bilddokumentationen, eine planliche Darstellung der beantragten Umwidmung des Dipl.Ing.R.F. sowie eine Ablichtung des Flächenwidmungsplanes angeschlossen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten einschließlich des Flächenwidmungsplanes mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des (Vorarlberger) Raumplanungsgesetzes, (RPG) LGBl. Nr. 15/1973 i.d.F. LGBl. Nr. 61/1988 von Bedeutung:
"§ 21
(1) Der Flächenwidmungsplan darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern
a)
bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder
b)
bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.
(2) Für das Verfahren bei Änderungen des Flächenwidmungsplanes gelten - ausgenommen im Fall des § 18 Abs. 2 - die Vorschriften des § 19 sinngemäß. ...."
§ 19
....
(6) Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat nach Prüfung der gemäß Abs. 5 vorgelegten Äußerungen, Änderungsvorschläge und Stellungnahmen die Genehmigung durch Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan
a) den im § 2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,
...."
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen, daß eine Besichtigung bezüglich der von der beschwerdeführenden Gemeinde angestrebten Umwidmung im Ortsteil "M" stattgefunden hat, an der neben dem Bürgermeister je ein Vertreter der Agrarbezirksbehörde, der Agrarbezirksbehörde-Gemeindeentwicklung, ein Amtssachverständiger für Natur und Landschaftsschutz sowie zwei Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben.
Die belangte Behörde hat, gestützt auf die Gutachten der Amtssachverständigen, insbesondere des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz und der Stellungnahme der Agrarbezirksbehörde ausführlich dargelegt, daß die geplante Umwidmung den Zielen des § 2 des Raumplanungsgesetzes widerspricht und zwar insbesondere im Hinblick auf das landschaftsbildlich deutliche Ausufern des derzeit noch gut sichtbaren Siedlungsrandes, das besonders vom Ortszentrum aus sichtbar ist, und der Bildung eines Siedlungskeiles. Diese Feststellung ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes durchaus schlüssig und den beigelegten Bilddokumentationen zufolge auch zutreffend, da das von der Umwidmung betroffene Gebiet im Nordwesten einer Gemeindestraße liegt, die bisher einen natürlichen Abschluß für das Siedlungsgebiet (Bauland-Wohngebiet) gebildet hat. Südwestlich der von der Umwidmung betroffenen Fläche liegt nach wie vor eine als Freiland gewidmete Fläche (GP 545/4), sodaß entgegen der in der Stellungnahme des Dipl.Ing.R.F. vom 4. Mai 1992 geäußerten Ansicht mit der geplanten Umwidmung keine logische Abrundung des gegebenen Siedlungsrandes verbunden ist.
Die zwei bestehenden inselartigen Einzelwidmungen oberhalb der Gemeindestraße rechtfertigen nicht die Bildung eines neuen Siedlungskeiles, da diese inselartigen Einzelwidmungen keinen Zusammenhang mit dem relativ dicht bebauten Ortsgebiet aufweisen, dessen Rand nunmehr nach Norden verlegt werden soll, wobei, wie bereits ausgeführt, südlich der Gemeindestraße die Grundfläche 545/4 nach wie vor als Freiland gewidmet bleiben soll.
Zutreffend führt die beschwerdeführende Gemeinde aus, daß das raumplanerische Verhalten einer Gemeinde in seiner Gesamtheit zu würdigen sei. In diesem Zusammenhang weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß es selbstverständlich in aller Regel immer erst dann zu raumplanerischen Maßnahmen komme, wenn konkrete Bauwünsche von Grundeigentümern vorhanden seien. Bei Vorhandensein eines konkreten Baulandbedarfes habe die Gemeinde auch zu berücksichtigen, daß es zu einem ihrer Leitziele gehöre, der ortsansässigen jungen Generation durch Beistellung geeigneter Bauflächen einen Verbleib im Ort zu ermöglichen. Mit diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Gemeinde, daß nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan noch ausreichende Bauerwartungsflächen im Sinne des § 15 RPG ausgewiesen sind, die nicht nur wesentlich größer sind, als jene Grundflächen, die nunmehr zur Umwidmung vorgesehen sind, sondern auch mitten im Bauland-Wohngebiet liegen, sodaß mit deren Verbauung eine Baulücke geschlossen würde. Falls daher tatsächlich ein Bedarf an Bauland gegeben ist, so ist dieser zunächst aus den hiefür vorgesehenen Bauerwartungsflächen zu befriedigen. Die Sorge der beschwerdeführenden Gemeinde, die Jugend werde bei Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes zur "Landflucht" gezwungen, weil ja der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge dann der Landwirtschaft gar keine Flächen mehr entzogen werden dürften, erweist sich daher schon im Hinblick auf den vorgelegten Flächenwidmungsplan als unberechtigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob überhaupt der von der Gemeinde geltend gemachte Sachverhalt als wesentliche Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse im Sinne des § 21 Abs. 1 lit. b RPG gewertet werden könnte.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993060129.X00Im RIS seit
03.05.2001