TE Vfgh Erkenntnis 1991/6/10 B1388/90

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Veröffentlicht am 10.06.1991
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Vlbg GVG §1 Abs1 lita
Vlbg GVG §1 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur Entscheidung über die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs hinsichtlich eines nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücks

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 18.750,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer (österreichische Staatsbürger) beantragten am 10. Jänner 1990 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb des 1710 m2 großen Grundstückes Nr. 1542/2 KG Lustenau, zum Kaufpreis von S 2,736.000,--. Die (Vorarlberger) Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 23. März 1990 gemäß §5 Abs1 des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977, idF der Novelle LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG) die begehrte Genehmigung. Die Frage, ob das Grundstück ein "land- und forstwirtschaftliches" iS des §1 Abs1 lita und Abs2 Vlbg. GVG sei, wurde im erstinstanzlichen Bescheid nicht erörtert.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Darin führten sie u.a. aus, daß der vorgesehene Rechtserwerb nicht dem Vlbg. GVG unterliege. Sie begründeten dies damit, daß das Vertragsobjekt seit Jahrzehnten (mehr als 30 Jahre) nicht land- und forstwirtschaftlich genutzt werde; es sei seit Jahrzehnten von den Verkäufern (die den Aktenunterlagen zufolge Kaufleute sind) als Hausgarten genutzt und seit diesem Zeitpunkt ohne Unterbrechung mit dem Rasenmäher gemäht worden.

Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat nahm am 16.Oktober 1990 einen Lokalaugenschein vor; darin wird die Nutzung des Grundstückes wie folgt umschrieben:

"Anläßlich der Besichtigung des Grundstückes durch alle Mitglieder des Grundverkehrssenates wurde festgestellt, daß das gegenständliche Grundstück aus gutem Boden besteht, der derzeit als Rasen genutzt und jährlich mehrmals gemäht wird. Es stehen mehrere größere Obstbäume (ca. 10 Stück) darauf, Dipl.-Ing. G und Dipl.-Ing. J stellten auch fest, daß das Grundstück innerhalb eines Jahres als mehrmähdige Wiese genützt werden könnte."

Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat wies mit Bescheid vom 30. Oktober 1990 die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß §66 Abs4 AVG iVm §5 Abs1 Vlbg. GVG ab.

Die Frage, ob das Grundstück überhaupt vom Geltungsbereich des Vlbg. GVG erfaßt werde, wird im Berufungsbescheid bejaht:

"Das Kaufgrundstück ist zwar im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Lustenau als Baugebiet gewidmet. Auf dem Grundstück stehen jedoch mehrere Obstbäume. Es wird gemäht. Auch die Nachbargrundstücke an zwei Seiten des ungefähr quadratischen Kaufgrundstückes werden landwirtschaftlich genutzt.

Es ist daher davon auszugehen, daß es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs2 Grundverkehrsgesetz handelt, welches gemäß §1 Abs1 lita GVG den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes unterliegt."

Sodann wird begründet, weshalb nach Ansicht der Berufungsbehörde dem Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 Vlbg. GVG die Genehmigung zu verweigern sei.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Grundverkehrssenat als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift. Darin wird begehrt, die Beschwerde abzuweisen. Für die Frage, ob der Grunderwerb unter die Bestimmungen des Vlbg. GVG fällt, sei es unerheblich, ob die Betätigung eine landwirtschaftliche ist, die für die Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes relevant ist; erheblich sei lediglich, ob es sich um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück handelt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) In §1 Abs1 lita und Abs2 Vlbg. GVG werden jene Grundstücke bezeichnet, die den Bestimmungen über die Beschränkung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unterliegen:

"§1

(1) Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen

a) der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, sofern er nicht unter litb fällt,

b) der Verkehr mit Grundstücken, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.

(2) Ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 lita ist, ist nicht nach der aus dem Grundsteuer- oder Grenzkataster ersichtlichen Benützungsart, sondern nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner tatsächlichen Verwendung zu beurteilen."

b) Wenn sich die Grundverkehrsbehörde eine Zuständigkeit zur Sachentscheidung über die Genehmigung eines Rechtserwerbes anmaßt, der nicht unter den Anwendungsbereich des GVG fällt, wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. zB VfSlg. 11 410/1987).

Primär ist also die - bereits im Berufungsverfahren strittige - Frage zu klären, ob der in Rede stehende Rechtserwerb durch Inländer der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Kaufobjekt ein "land- und forstwirtschaftliches Grundstück" iS des §1 Abs1 lita iVm §1 Abs2 Vlbg. GVG wäre.

Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmungen ist davon auszugehen, daß damit der Inländergrundverkehr mit Grundstücken nur dann verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen wird, wenn die Liegenschaften gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, das sind solche, auf denen Land- und Forstwirtschaft betrieben wird (vgl. zB VfSlg. 8257/1978, 9005/1981, 10 447/1985). Dies ist jedenfalls hinsichtlich solcher Grundstücke der Fall, die von einem Land- oder Forstwirt auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art genutzt werden. Hiebei ist es unerheblich, ob die Grundstücke im Eigentum dessen stehen, der sie nutzt, oder ob er sie aufgrund eines Pachtvertrages, einer Bittleihe oder aufgrund irgendeines anderen Rechtstitels nutzt.

Gleiches gilt aber auch für Grundstücke, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt werden.

Ob die Nutzung in einer für einen Land- oder Forstwirt signifikanten Weise erfolgt, ist vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welchen primären Verwendungszweck das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- und Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten, finden.

Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft im Sinne der vorstehenden Ausführungen betrieben wird. Um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, dürfen aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzung nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden; der Entfall der Widmung als land- und forstwirtschaftliches Grundstück darf nur so lange zurückliegen, als dies aus dem Zweck der Umgehungshandlung erklärbar ist (VfSlg. 7838/1976, 10 447/1985).

Wesentlich ist, ob das Grundstück tatsächlich land- und forstwirtschaftlich im erwähnten Sinn genutzt wird; unerheblich ist daher, ob es land- und forstwirtschaftlich nutzbar wäre.

c) Aufgrund der Ergebnisse des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nimmt der Verfassungsgerichtshof an, daß das ca. 1700 m2 große Kaufobjekt mitten im bewohnten Gebiet der Gemeinde Lustenau liegt und im Flächenwidmungsplan als Baugebiet gewidmet ist. Es handelt sich um eine Art Hausgarten, auf dem einige Obstbäume stehen. Das Gras wird von den bisherigen Eigentümern (die Kaufleute sind) mit einem Rasenmäher gemäht. Den Akten ist nicht zu entnehmen, daß die Liegenschaft früher von einem Landwirt genutzt wurde.

Unter diesen Umständen kann nicht davon die Rede sein, daß es ein landwirtschaftliches Grundstück iS der oben dargestellten Begriffsbestimmung ist. Wenn ein Garten, der nicht zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört, (mit einem Rasenmäher) gemäht wird, ist dies nicht als eine für einen Landwirt signifikante Nutzung zu werten, sondern als typische (Haus-)Gartenpflege. Auch wenn die Nachbargrundstücke an zwei Seiten tatsächlich landwirtschaftlich genutzt werden sollten (für diese im angefochtenen Bescheid enthaltene Behauptung fehlen im Verwaltungsakt allerdings die Belege), würde dies noch nicht nachweisen, daß das Kaufobjekt unter §1 Abs1 lita Vlbg. GVG fällt.

d) Die belangte Behörde hat somit eine ihr nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen und dadurch die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten (S 15.000,-- + 25 % Streitgenossenzuschlag) ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.125,-- enthalten.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit Grundverkehr, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1388.1990

Dokumentnummer

JFT_10089390_90B01388_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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