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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AltstadterhaltungsG Graz 1980 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der H und der E in G, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 15. April 1993, Zl. A 17-K-9.251/1992-5, betreffend eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Dr. R in G, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführerinnen insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 15. April 1992 beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz eingelangten Ansuchen beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Widmungsbewilligung für die Grundstücke Nr. 1856/1, 1856/4, 1856/3, 1855, 1857/3, 1857/1, 1859 und 1836 in EZ 614, 615, KG G. Als Verwendungszweck der vorgesehenen Bauten wurde "Wohn- und Bürohaus" angegeben. Die Beschwerdeführerinnen sind Eigentümerinnen der Liegeschaft EZ 616, Grundbuch Nr. 63.103 G, bestehend aus den Grundstücken 1860, 1862 und 1861 mit dem Haus H-Straße 10, das im Nordosten unmittelbar an das Widmungsareal anschließt. Einem städtebaulichen Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 1. Juni 1992 ist zu entnehmen, daß der Widmungsgrund gemäß Flächenwidmungsplan 1982 im Allgemeinen Wohngebiet mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 1,2 und gemäß dem Flächenwidmungsplan 1992 im Allgemeinen Wohngebiet ebenfalls mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 1,2 liegt. Diesem Gutachten zufolge ist der Gebietscharakter des Bereiches H-Straße/W-Gasse/J-Gasse/P-Straße von einer gründerzeitlichen Randbebauung in der Höhe von 3-4 Altgeschoßen, Vorgärten und einer Innenhofsituation als großräumigem Grünbereich geprägt. Die H-Straße stelle sich als einheitlich bebauter und gestalteter Straßenzug dar, ebenso gründerzeitlich sei die vornehme Wohnhäuserzeile entlang der P-Straße. Punktuell liege der Widmungsgrund im Kreuzungsbereich H-Straße-J-Gasse-P-Straße und sei mit einem dreigeschoßigen Altobjekt in offener Bebauungsweise - als Solitär - bebaut. Als Bebauungsweise wurde in diesem Gutachten die offene und geschlossene Bebauung (Endglied der geschlossenen Bebauung zu Grundstück Nr. 1861), sowie eine Bebauungsdichte von mindestens 0,6 und höchstens 1,8 der Nettobauplatzfläche vorgeschlagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Fortsetzung der geschlossenen Bebauungsweise erfordere einen dominanten Bebauungsabschluß als Endglied der geschlossenen Bebauung unter besonderer Berücksichtigung der städtebaulichen Einfügung auf dem Bauplatz im Kreuzungsbereich, die ein Pendant zur Eckbebauung W-Gasse-H-Straße darstellen solle. Die Festlegung des maximalen Bebauungsdichtewertes in der Altstadtschutzzone erfolge unter besonderer Berücksichtigung des Einfügungsgebotes einer Abschlußbebauung.
In einem Gutachten der Grazer Altstadtsachverständigenkommission vom 25. August 1992 wird ausgeführt, daß der erstellte Widmungsrahmen des Stadtplanungsamtes positiv begutachtet würde, da keine den Bestimmungen des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 widersprechende nachteilige Veränderung des Erscheinungsbildes zu erwarten sei. Die Widmungsfestlegungen ergäben eine Fortsetzung der geschlossenen Bebauung und einen dominanten Bebauungsabschluß als Endglied der geschlossenen Bebauung unter Berücksichtigung der städtebaulichen Einfügung.
Über das Widmungsansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für 15. Oktober 1992 anberaumt, zu der die Zweitbeschwerdeführerin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. Die Zweitbeschwerdeführerin sprach sich während dieser Verhandlung gegen die beabsichtigte Festsetzung der Bebauungsdichte von 1,8 und der Gebäudehöhe mit 17 m bzw. 19,50 m mit der Begründung aus, daß bestehende Gebäude geringere Höhen und Dichten aufwiesen. Aufgrund der Einwendungen der Zweitbeschwerdeführerin und anderer Anrainer wurde ein ergänzendes Gutachten des Stadtplanungsamtes eingeholt. In dem Gutachten vom 25. November 1992 führte der Vertreter des Stadtplanungsamtes zur Bebauungsdichte aus, es betrage die durchschnittliche Bebauungsdichte im Bereich der vorhandenen Blockrandbebauung 1,61, wenn sie mit der Bruttogeschoßfläche des Althausbestandes, mit einer Berücksichtigung von 0,75 x Geschoßfläche für die teilweise bereits ausgebauten, jedenfalls aber ausbaufähigen Dachgeschoße, ermittelt würde. Dabei ergäben sich z.B. Einzelwerte für H-Straße 18 von 3,41, H-Straße 14 von 1,52 und für H-Straße 10 von 1,02. Da hiebei jedoch die wesentlich größeren Geschoßhöhen der gründerzeitlichen Althäuser in die Berechnung einflössen, könne bei einem allfälligen Vergleich mit dem maximal zulässigen Bebauungsdichtewert des gegenständlichen Widmungsrahmens nur eine Aussage über die jeweils vorhandenen bzw. erzielbaren Bruttogeschoßflächen stattfinden, ein Vergleich, der wenig dazu diene, die tatsächlichen Baumassen gegenüberzustellen. Dies erfolge über eine Bebauungsdichteberechnung, in der fiktiv angenommen werde, daß die bestehenden Althäuser Neubau-Geschoßhöhen von 3 m aufwiesen. Bei dieser Berechnung könne im Bereich der vorhandenen Blockrandbebauung eine durchschnittliche Bebauungsdichte von 2,0 und Einzelwerte von 4,13 (H-Straße 18) ermittelt werden. Zusammenfassend zeige sich deutlich, daß die festgelegten städtebaulichen Werte dem Stadtteil entsprächen. Die bestehende Bebauung zeige eine Struktur, die als Blockrandbebauung dreiseitig angeordnet sei, wobei der Innenbereich nach Westen geöffnet sei. Dies U-förmige Situierung werde mit einem bestehenden "Kopfbau" und der Feuermauer des Hauses der Beschwerdeführerinnen Richtung Westen abgeschlossen. Im Bereich dieser Feuermauer sei es nun städtebaulich notwendig, ebenfalls ein die geschlossene Bebauung abschließendes Objekt als "Kopfbau" zu errichten, da das bestehende Gebäude der Baufläche 1855 als freistehender Solitär ausgebildet sei.
Dieses ergänzende Gutachten wurde der Zweitbeschwerdeführerin und anderen Anrainern zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1992 wies die Erstbeschwerdeführerin darauf hin, daß ihr die Ladung zur Verhandlung vom 15. Oktober 1992 deshalb nicht zugestellt wurde, da sie zu Unrecht an eine längst aufgegebene Adresse abgefertigt worden sei. Im übrigen brachten die Beschwerdeführerinnen vor, der Widmungsgrund liege ebenso wie ihr eigenes Gebäude nach dem Flächenwidmungsplan 1992 im Allgemeinen Wohngebiet, gleichzeitig in der Schutzzone II und III des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes. Für das Höchstmaß der Bebauungsdichte sei die Bebauungsdichteverordnung LGBl. Nr. 60/1987 maßgebend. Für allgemeine Wohngebiete sei gemäß § 2 dieser Verordnung ein Höchstmaß von 1,2 vorgesehen. Die vom Mitbeteiligten in seinem Ansuchen beantragte Bebauungsdichte von höchstens 1,8 überschreite wesentlich dieses Höchstmaß. Es sei richtig, daß gemäß § 3 der Bebauungsdichteverordnung die im § 2 angegebenen Höchstwerte dann überschritten werden könnten, wenn es aus "städtischen Bebauungsgründen" oder im Sinne des Ortsbildes notwendig sei. Dem Gutachten des Stadtplanungsamtes sei aber zu erwidern, daß von einem sogenannten Einfügungsgebot, d.h. der Notwendigkeit der Erhöhung der Bebauungsdichte keine Rede sein könne. Völlig wertlos sei die Berechnung einer angenommenen Errichtung von neuen Geschoßen mit Dachgeschoßausbau, denn bei der Beurteilung, ob tatsächlich ein Einfügungsgebot im Sinne des § 3 der Bebauungsdichteverordnung vorliege, müsse vom "Istzustand" ausgegangen werden. Dieser ergebe eine durchschnittliche Bebauungsdichte von bloß 1,38. Entschieden müsse auch dem Gutachten widersprochen werden, daß im Bereich der Feuermauer des Hauses der Beschwerdeführerinnen die städtebauliche Notwendigkeit bestünde, ein die geschlossene Verbauung abschließendes Objekt als "Kopfbau" zu errichten, mit der Begründung, daß das bestehende Gebäude am Nachbargrund (Baufläche 1855) als freistehender Solitär ausgebildet sei. Es sei nicht einzusehen, warum aus städtebaulichen Gründen einzelne Gebäude freistehend, somit nicht in geschlossener Verbauung errichtet seien, wenn sie in entsprechender Freifläche stünden und eine Reichenbildung somit nicht bestehen könne. Wesentlich sei aber, daß es der gesamte Widmungsgrund bei Bestehenlassen des sogenannten Solitärs ohne weiteres ermögliche, im Rahmen einer geschlossenen Verbauung ein Gebäude mit der beabsichtigten Gebäudehöhe an das Haus der Beschwerdeführerinnen auf dessen Breite anzubauen, wenn nur die Eigentumsverhältnisse, wie noch nachstehend ausgeführt werde, dies zuließen. Der vorhandene Widmungsgrund lasse ohne weiteres unter Einrechnung einer Bebauungsdichte im Rahmen der Bebauungsdichteverordnung die Errichtung eines solchen Gebäudes in der geplanten Höhe zu, wenn nicht weitere Gebäude am Widmungsgrund errichtet würden. Es sei aber offenbar die Absicht des Widmungswerbers, außer dem an das Haus der Beschwerdeführerinnen anschließenden Wohnhaus weitere Baulichkeiten auf dem Widmungsgrund zu errichten und nur deshalb werde die Bebauungsdichte von 1,8 angestrebt. Tatsächlich sei aber die geschlossene Verbauung gar nicht möglich, da die westseitige Feuermauer des Hauses der Beschwerdeführerinnen nicht bündig mit der Grundgrenze abschließe, sondern von der Grundgrenze etwas eingerückt sei. Der Grundstreifen zur Nachbargrenze sei seinerzeit vom Nachbarn durch die Errichtung von niedrigzonigen Garagen, die sich großteils auf Nachbargrund, zum Teil aber auf dem Grundstreifen der Beschwerdeführerinnen befänden, verbaut und dies ohne Einräumung eines Rechtes, somit rein prekaristisch ohne Entgelt gegen jederzeitigen Widerruf. Daraus folge aber, daß der Bau der mitbeteiligten Partei gar nicht bündig an die Feuermauer der Beschwerdeführerinnen angeschlossen werden könne und daher die aufgetragene geschlossene Verbauung unmöglich sei. Es müßten die Abstandsbestimmungen eingehalten werden, um eine verbotene Reichenbildung zu vermeiden.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 22. Jänner 1993 wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Partei unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen und bestimmten Auflagen bewilligt. Es wurde die offene Bebauungsweise, zum Grundstück Nr. 1861 die gekuppelte Bebauung festgesetzt; die Bebauungsdichte wurde mit mindestens 0,6, höchstens 1,8 der Bauplatzfläche festgelegt. Die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen und anderer Anrainer wurden als unbegründet abgewiesen.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid wiesen die Beschwerdeführerinnen neuerlich darauf hin, daß eine geschlossene Verbauung des Abrückens ihres eigenen Gebäudes von der Grundstücksgrenze nicht möglich und über die festgesetzte Bebauungsdichte rechtswidrig sei. Eine Notwendigkeit aus Gründen des Ortsbildschutzes sei im Hinblick auf die erhöhte Bebauungsdichte nicht gegeben. Am 18. März 1993 legten die Beschwerdeführerinnen ein Gutachten des Stadtbaumeisters Ing. K.K. vom 12. März 1993 vor, das nach Darlegung der vorhandenen bebauten Flächen im Gebietsbereich (Planquadrat H-Straße-J-Gasse-P-Straße-W-Gasse) eine tatsächliche derzeitige Bebauungsdichte von 1,39 ermittelt. Unter Berücksichtigung der verbauten Fläche des verbleibenden Objektes ("Solitärbau") der angestrebten gekuppelten Bebauung mit der H-Straße 10 und unter Einhaltung der notwendigen Abstände wurde bei einer fünfgeschoßigen Bebauung eine erforderliche Bebauungsdichte von 1,19 ermittelt. In seiner Schlußfolgerung führte der Gutachter aus, die errechnete Bebauungsdichte von 1,19 ergebe sich im besonderen aus der gegebenen Bauplatzgröße, der Einhaltung der bauordnungsgemäßen Mindestabstände sowie aus der, dem Gutachten des Stadtplanungsamtes entsprechenden maximalen Gebäudehöhe. Die berechnete Bebauungsdichte von 1,19 nehme auch Rücksicht auf die bei Neubauten mit ca. 3 m Geschoßhöhen niedrigeren Höhen als bei Altbauten, sodaß neben dem dreigeschoßigen Haus H-Straße 10 ein fünfgeschoßiges, hofseitig sogar sechsgeschoßiges Gebäude als Berechnungsmodell herangezogen worden sei. Die so errechnete Bebauungsdichte von 1,19 entspreche auch der Bebauungsdichteverordnung sowie den Flächenwidmungsplänen 1982 und 1992, die eine maximale Bebauungsdichte für allgemeine Wohngebiete von 1,2 vorsähen. Eine Überschreitung nach § 3 der Bebauungsdichteverordnung sei daher nicht nur nicht notwendig, sondern aus städtebaulichen Gründen und im Sinne des Ortsbildschutzes sogar abzulehnen, da bei Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände eine höhere Bebauungsdichte nur über zusätzliche Geschoße erreicht werden könnte.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 15. April 1993 wurde der Berufung der Beschwerdeführerinnen gegen den Bescheid des Stadtsenates vom 22. Jänner 1993 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Festsetzung der gekuppelten Bebauungsweise zum Grundstück der Beschwerdeführerinnen ermögliche einen Bebauungsabschluß als Endglied der geschlossenen Bebauung in der H-Straße. Es sei der Fall, daß der Charakter des betreffenden Gebietes durch das Erscheinungsbild einer geschlossenen Bebauung gekennzeichnet werde, ungeachtet vorhandener Reichen dem Bestehen einer geschlossenen Bebauung bis zur Grundgrenze gleichzuhalten. Ein Bebauungsplan, durch welchen die Einhaltung eines Abstandes der Gebäude von der Grundgrenze angeordnet werde, bestehe nicht, sodaß die Festlegung einer gekuppelten Bauweise zum Grundstück der Beschwerdeführerinnen dem Gesetz entspreche, zumal die Beschwerdeführerinnen wegen des gesetzlichen Verbotes der Reichenbildung eine Erneuerung ihres Baubestandes nicht mehr in derselben Weise vornehmen könnten wie seinerzeit, sondern ebenfalls an die Grundgrenze des Widmungsgrundes anbauen müßten. Das im § 4 Abs. 1 der Bauordnung eingeräumte Wahlrecht, entweder an der gemeinsamen Grundgrenze zu "kuppeln" oder von dieser einen entsprechenden Abstand einzuhalten, sei für das Grundstück der Beschwerdeführerinnen im Jahre 1881 in Form einer geschlossenen Bauweise "verbraucht" worden. Durch die Bestimmungen des § 6 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes würden die Vorgaben der Bebauungsdichteverordnung und die darauf basierenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes verdrängt. Im Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes werde schlüssig und unter Berücksichtigung der kleinräumigen Umgebung dargelegt, daß die festgelegte Bebauungsdichte durchaus dem Charakter des Gebietes entspreche. Daran vermöge auch das von Beschwerdeführerinnen vorgelegte Gutachten des Stadtbaumeisters Ing. K.K. nichts zu ändern, da es sich bei der Festsetzung der Bebauungsdichte um eine Ermessensentscheidung handle und es das Wesen einer Ermessensentscheidung sei, daß ihr Inhalt gesetzlich nicht vorausbestimmt sei. Das Planungsermessen werde auf der Grundlage eines schlüssigen und vollständigen Sachverständigengutachtens ausgeübt, es sei daher die getroffene Entscheidung gesetzmäßig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch die Festsetzung der geschlossenen Bebauungsweise im Anschluß an ihr Grundstück sowie die festgesetzte Bebauungsdichte von 1,8 in ihren Rechten verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift ebenso wie die mitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 3 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, idf LGBl. Nr. 14/1989, ist über das Ansuchen um Erteilung einer Widmungsbewilligung grundsätzlich eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung durchzuführen. Hiebei sind die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61 BO) sinngemäß anzuwenden. Nach § 3 Abs. 2 BO ist eine Widmungsbewilligung zu erteilen, wenn - unter anderem - die im Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127 in der jeweils geltenden Fassung, genannten Voraussetzungen für eine Widmung vorliegen. In Schutzzonen nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980, LGBl. Nr. 17 (GAEG), in seiner jeweils geltenden Fassung, finden die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes 1974 nur insoweit Anwendung, als das GAEG nicht abweichende Regelungen trifft. Nach § 3 Abs. 3 BO sind in der Widmungsbewilligung u.a. die Bebauungsweise sowie die Bebauungsdichte festzusetzen. Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Einwendungen sind in der Folge unter den lit. a bis k taxativ aufgezählt. Lit. c normiert ein subjektiv-öffentliches Interesse auf Einhaltung der Bestimmungen über das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen (§ 3 Abs. 3 BO), lit. d regelt ein Nachbarrecht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Abstände (unter anderem § 4 BO). Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz BO müssen Gebäude entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Gemäß dem letzten Satz des zweiten Absatzes des § 4 BO sind Reichen, das sind Gebäudeabstände von weniger als 2 m, verboten.
§ 4 Abs. 1 BO kennt nur zwei Alternativen: Entweder das Aneinanderbauen von Gebäuden oder das Errichten von Gebäuden in einem ausreichenden Abstand. Die BILDUNG von Reichen ist gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz BO ausdrücklich verboten. Im Beschwerdefall besteht kein Bebauungsplan, durch den die Einhaltung eines Abstandes der Gebäude von den Grundgrenzen angeordnet wird. Nach dem Befund des Gutachtens des Stadtplanungsamtes, dem das Privatgutachten des Ing. K.K. in dieser Hinsicht nicht entgegentritt, wird der Gebietscharakter der H-Gasse durch das Erscheinungsbild einer geschlossenen Bebauung gekennzeichnet. Das Haus der Beschwerdeführerinnen schließt mit einer Feuermauer diese geschlossene Bebauung ab; im Kreuzungsbereich befindet sich sodann ein "Solitärbau". Zutreffend durfte die belangte Behörde aufgrund der vorliegenden Gutachten davon ausgehen, daß die Errichtung eines "Kopfbaues" im Anschluß an die bestehende geschlossene Verbauung und Verdeckung der bisher freiliegenden Feuermauer des Gebäudes der Beschwerdeführerinnen einen günstigen Einfluß auf das Stadtbild entfalten wird, zumal der geplante dominante Bebauungabschluß als Endglied der geschlossenen Bebauung unter besonderer Berücksichtigung der städtebaulichen Einfügung erfolgt. Im Hinblick darauf, daß das von der Widmung betroffene Grundstück in der Altstadt, Schutzzone II und III liegt, ist gemäß § 6 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 (GAEG 1980), LGBl. Nr. 17, beim Wiederaufbau abgebrochener Bauten sowie bei der Verbauung von Baulücken oder sonst unverbauter Grundstücke den Bauten eine solche äußere Gestalt zu geben, daß sich diese dem Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles einfügen; dasselbe gilt für Bauveränderungen sowie für Zu- und Umbauten bestehender Bauten.
Durch die sachlich begründete Festsetzung der geschlossenen Bebauung im Anschluß an ihre Liegenschaft wurden die Beschwerdeführerinnen daher in keinem Recht verletzt; daran ändert auch das Argument der Beschwerdeführerinnen nichts, daß ihr eigenes Gebäude (H-Gasse 10) einen kleinen Abstand zur Grundgrenze einhält. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 1991, Zl. 90/06/0057, zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausgeführt, daß in einem derartigen Fall die Reiche nur wegen des Altbestandes der beschwerdeführenden Anrainer auf deren Grund bis zu einem allfälligen Neubau entstehe, was aber auf die Zulässigkeit der geschlossenen Bauweise auf der Nachbarliegenschaft keinen Einfluß habe.
Dem Nachbarn kommt nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung zwar kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Festlegung einer bestimmten Bebauungsdichte zu, wohl aber auf gesetzmäßige Handhabung des der Behörde zukommenden Planungsermessens, wozu auch die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der der für die Ermessensübung erforderlichen Grundlagen gehört (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. März 1992, Zl. 91/06/0029, sowie vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0100 mit zahlreichen Hinweisen). Gemäß § 23 Abs. 13 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung LGBl. Nr. 39/1986 hat die Landesregierung durch Verordnung für Baugebiete gemäß Abs. 5 entsprechend ihrem Gebietscharakter für die Bebauungsdichte Mindest- und Höchstwerte festzulegen. Abs. 14 dieser Bestimmung normiert, daß die in den anderen Landesgesetzen für die Erhaltung von historisch, städtebaulich und archetektonisch bedeutsamen Ortsteilen getroffener Bestimmungen unberührt bleiben. Gemäß § 2 Abs. 2 lit. b der Bebauungsdichteverordnung LGBl. Nr. 60/1987 beträgt der zulässige Mindest- und Höchstwert der Bebauungsdichte für das allgemeine Wohngebiet 0,1 bis 1,2. Nach § 3 Abs. 1 dieser Bebauungsdichteverordnung können in Gebieten, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung überwiegend bebaut sind, die in § 2 Abs. 2 angegebenen Höchstwerte der Bebauungsdichte überschritten werden, wenn dies aus städtebaulichen Gründen oder im Sinne des Ortsbildschutzes notwendig ist (z.B. Wiedererrichtung, Einfügung in die umgebende Bebauung bei Baulücken usw.). Gemäß § 3a BO i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 43/1992, besteht zwar bis zum Ausmaß der im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Bebauungsdichte kein Planungsermessen der Behörde im Widmungsverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 93/06/0169), wohl aber - weiterhin - dann, wenn diese Höchstwerte in Anwendung des § 3 Abs. 1 der Bebauungsdichteverordnung überschritten werden sollen und diese Überschreitung an sich zulässig ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 28. April 1988, Zl. 86/06/0259, ausgesprochen, daß die im § 23 ROG 1974 getroffenen Regelungen und die in ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen nur insoweit Anwendung finden, als nicht die in anderen Landesgesetzen für die Erhaltung von historisch, städtebaulich und archetektonisch bedeutsamen Ortsteilen getroffenen Bestimmungen davon abweichende besondere Regelungen treffen. Die Bestimmungen des § 6 GAEG 1980 stellten eine derartig abweichende Regelung dar. Die Vorgaben der Bebauungsdichteverordnung und die sich darauf gründenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes seien somit dann nicht anzuwenden, wenn dadurch den Bestimmungen des GAEG 1980 nicht Rechnung getragen werden könne.
Wie bereits ausgeführt, normiert § 6 GAEG 1980, daß sich Bauvorhaben in Schutzzonen in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtbildes einzufügen haben. Nur dann, wenn dem Gebot des GAEG nach Einfügung in das Stadtbild durch Anwendung der nach dem Flächenwidmungsplan höchstzulässigen Bebauungsdichte nicht Rechnung getragen werden könnte, dürfen diese Höchstwerte der Bebauungsdichteverordnung und der sich darauf gründenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes, die für das hier festgesetzte "Allgemeine Wohngebiet" eine Bebauungsdichte von maximal 1,2 festsetzen, gemäß § 3 Abs. 1 der Bebauungsdichteverordnung überschritten werden. Eine derartige Schlußfolgerung läßt sich aber weder dem Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 1. Juni 1992, vom 25. November 1992, noch dem Gutachten der Grazer
Altstadtsachverständigenkommission vom 25. August 1992 entnehmen. Das zuletzt genannte Gutachten vom 25. August 1992 enthält keinerlei Hinweise darauf, weshalb eine Festsetzung eines Bebauungsdichtewertes von 1,8 erforderlich sein sollte, um eine städtebauliche Einfügung zu gewährleisten. Auch das Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 1. Juni 1992 ist in bezug auf die Festlegung des Bebauungsdichtewertes nicht nachvollziehbar, da sich die diesbezügliche Begründung auf die "besondere Berücksichtigung des Einfügungsgebotes einer Abschlußbebauung" beschränkt. Dem Gutachten vom 25. November 1992 kann nun zwar in bezug auf die Bebauungsdichte entnommen werden, daß die durchschnittliche Bebauungsdichte im Bereich der vorhandenen Blockrandbebauung 1,61 beträgt, wenn die teilweise bereits ausgebauten jedenfalls aber ausbaufähigen Dachgeschoße berücksichtigt werden. Weiters ergibt sich aus diesem Gutachten, daß dann, wenn für die bestehenden Althäuser fiktive Neubaugeschoßhöhen von 3 m angenommen werden, eine durchschnittliche Bebauungsdichte von 2,0 m ermittelt werden kann. Die Zulässigkeit einer derartigen Fiktion kann im Beschwerdefall schon deshalb dahingestellt bleiben, da selbst unter der Annahme, daß im Beurteilungsgebiet eine durchschnittliche Bebauungsdichte von 2,0 vorliegt, diesem Gutachten nicht entnommen werden kann, daß eine Einfügung eines neuen Bauvorhabens in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles ausschließlich bei Einhaltung einer Bebauungsdichte von 1,8 möglich ist. Wie sich aus § 23 Abs. 12 dritter Satz ROG ergibt, hat die Gemeinde bei Festsetzung der Bebauungsdichte "auf die jeweils vorgesehene Nutzung sowie auf die sich aus der Festlegung der Bebauungsdichte ergebenden Folgen für die Verkehrserschließung einschließlich der Vorsorge für den ruhenden Verkehr sowie die Versorgung durch öffentliche Einrichtungen und Anlagen Bedacht zu nehmen". Diese Grundsätze sind auch bei der Festlegung der Bebauungsdichte in Ausübung des Planungsermessens im Einzelfall zu beachten.
Die Bebauungsdichte wird gemäß § 2 Abs. 1 der Bebauungsdichteverordnung durch die Verhältniszahl ausgedrückt, die sich aus der Teilung der Gesamtfläche der Geschoße durch die zugehörige Bauplatzfläche ergibt. Daraus ergibt sich zunächst, daß die Bebauungsdichte (anders als die Festlegung von Bebauungsgrad und höchstzulässiger Gebäudehöhe) zwar unter infrastrukturellen Gesichtspunkten bedeutsam, jedoch nur von geringer Aussagekraft und damit Einflußmöglichkeit in bezug auf die städtebauliche Gestaltung ist, wenngleich ihr ein solcher Einfluß (vor allem in Kombination mit der Festlegung der Gebäudehöhe, wie § 23 Abs. 12 vorletzter Satz ROG zeigt) nicht zur Gänze abgesprochen werden kann. Dabei ist z.B. an die Einflußnahme auf die Anzahl der Geschoße mit Rücksicht auf die umgebende Bebauung zu denken. Es ist daher nicht von vornherein auszuschließen, daß im Beschwerdefall die im Sinne des § 6 Abs. 1 GAEG erforderliche Einfügung in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles eine größere Bebauungsdichte, als gemäß § 2 Abs. 2 lit. b der Bebauungsdichteverordnung und im Flächenwidmungsplan 1992 mit maximal 1,2 zulässig wäre, bedingt. Ausführungen dahingehend, weshalb die zu errichtenden Gebäude aus städtebaulichen Gründen bestimmte Gesamtflächen aufweisen müßten (oder dürften), können auch dem zuletzt genannten Gutachten vom 25. November 1992 nicht entnommen werden. Da die Vorgaben der Bebauungsdichteverordnung und die sich darauf gründenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes aber nur dann nicht anzuwenden sind, wenn dadurch den Bestimmungen des GAEG 1980 nicht Rechnung getragen werden und dazu dem Amtsgutachten nichts entnommen werden kann, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wenn sie in Verkennung der diesbezüglichen Voraussetzungen von der Zulässigkeit der Festsetzung einer höheren Bebauungsdichte als 1,2 ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993060118.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.12.2010