TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/27 93/05/0106

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Veröffentlicht am 27.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §6 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):93/05/0107 E 27. Oktober 1993

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1.)

der AH, 2.) des JD, 3.) der MD, 4.) der MG, 5.) der MB,

6.)

der GS und 7.) der JB, alle in W, alle vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992, Zl. MD-VfR - B XVI - 2/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der auf Grund eines Devolutionsantrages zuständig gewordenen Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992 wurde der Antrag der Beschwerdeführer "auf Überprüfung, ob die in der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig durchgeführten Abbruch-, Demontage- und Umbauarbeiten ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführt wurden, als unzulässig zurückgewiesen".

In der Begründung ihres Bescheides wies die Bauoberbehörde für Wien darauf hin, daß es sich bei der gegenständlichen Müllverbrennungsanlage Flötzersteig um eine ursprünglich nach der Bauordnung für Wien genehmigte Anlage handle. Nach der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Bestimmung des § 29 Abs. 1 Z. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes bedürfe jedoch nunmehr die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 t einer Genehmigung des Landeshauptmannes. Nach Mitteilung des Betreibers der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig, der Müllbeseitigung-Betriebsgesellschaft mbH, vom 10. Juni 1992 sei die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig eindeutig unter die zitierte Bestimmung des Abfallwirtschaftsgesetzes zu subsumieren. Es sei daher davon auszugehen, daß es sich bei dieser Anlage um eine solche im Sinne des § 29 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. handle und eine wesentliche Änderung der bereits errichteten und in Betrieb genommenen Müllverbrennungsanlage somit seit dem Inkrafttreten des § 29 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (1. Juli 1990) einer Genehmigung des Landeshauptmannes bedürfe. Nach der - gleichzeitig wirksam gewordenen - Verfassungsbestimmung des § 29 Abs. 13 leg. cit. sei für die Errichtung oder Änderung der im § 29 Abs. 1 genannten Anlagen eine baubehördliche Genehmigung nicht erforderlich. Die bautechnischen Bestimmungen der Bauordnung des jeweiligen Landes seien zu berücksichtigen. Im Hinblick auf diese Verfassungsbestimmung, wonach bei Vorliegen einer im § 29 Abs. 1 leg. cit. genannten Anlage die baubehördliche Bewilligungspflicht entfalle, sei davon auszugehen, daß nach der nunmehr maßgebenden Rechtslage für Baumaßnahmen betreffend die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig als Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 leg. cit. eine baubehördliche Genehmigung nicht - mehr - erforderlich sei. Die bautechnischen Bestimmungen der Bauordnung des jeweiligen Landes seien stattdessen im konzentrierten Genehmigungsverfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz zu berücksichtigen. Der Baubehörde komme demnach in bezug auf die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig seit dem Inkrafttreten des § 29 leg. cit. (1. Juli 1990) keine Zuständigkeit mehr zu. In diesem Zusammenhang sei noch anzumerken, daß sich die Bestimmung des § 44 Abs. 6 leg. cit., wonach anhängige Genehmigungsverfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften zu beenden seien, lediglich auf die Weitergeltung von Rechtsvorschriften des Bundes beziehe und eine entsprechende Übergangsregelung hinsichtlich der Weitergeltung von landesrechtlichen (Bau-)Vorschriften jedenfalls einer Verfassungsbestimmung bedurft hätte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 87/05/0201). Da somit seit dem Inkrafttreten des § 29 des Abfallwirtschaftsgesetzes am 1. Juli 1990 der Baubehörde hinsichtlich der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig keinerlei Zuständigkeit mehr zukommen könne, sei der gegenständliche, an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, als Baubehörde erster Instanz gerichtete, erwähnte Antrag wegen Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien als angerufene Behörde zurückzuweisen gewesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 19. März 1993, Zl. B 1654/92-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften bemängeln die Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde auf Grund einer Mitteilung des Betreibers der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig zwar davon ausgegangen sei, daß diese Anlage unter § 29 Abs. 1 Z. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes zu subsumieren sei, den Beschwerdeführern aber keine Gelegenheit gegeben habe, dazu Stellung zu nehmen.

Mit diesem Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen und von den Beschwerdeführern nicht einmal behauptet worden ist, daß die in Rede stehende Anlage nicht der zitierten Regelung des Abfallwirtschaftsgesetzes unterliegt. Es besteht daher kein Grund zu der Annahme, daß die belangte Behörde zu einem für die Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre, wenn sie ihnen Gelegenheit gegeben hätte, zu der erwähnten Mitteilung des Betreibers der Anlage Stellung zu nehmen. Ferner wäre von der Unzuständigkeit der belangten Behörde selbst dann auszugehen gewesen, wenn "hinsichtlich der

Müllverbrennungsanlage ... eine rechtskräftige Baugenehmigung

nach der WBO" nicht vorläge, weil dies an der Geltung der Verfassungsbestimmung des § 29 Abs. 13 leg. cit. nichts zu ändern vermöchte.

Im übrigen bestand für die belangte Behörde keine Verpflichtung, die Frage ihrer Zuständigkeit zum Gegenstand des Parteiengehörs zu machen, weil sich die Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG nur auf den als erwiesen angenommenen Sachverhalt, aber nicht dessen rechtliche Beurteilung bezieht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, auf S. 329 unter ENr. 7 zitierten hg. Entscheidungen).

Der belangten Behörde kann auch nicht angelastet werden, ein Recht der Beschwerdeführer "auf Wahrnehmung der sachlichen Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 AVG" verletzt zu haben, weil mit dieser Bestimmung dem Einschreiter kein Rechtsanspruch auf Weiterleitung oder Weiterverweisung unter Abstandnahme von der bescheidmäßigen Zurückweisung seines Antrages wegen Unzuständigkeit eingeräumt wird (vgl. die a.a.O. auf S. 86 unter ENr. 4 zitierten hg. Erkenntnisse). Auch wenn die belangte Behörde "erkannt" haben sollte, "daß ihrer Ansicht nach bewilligungspflichtige Änderungen vorliegen", kann ihr daher keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer vorgeworfen werden, wenn sie es unterlassen haben sollte, "den Landeshauptmann von Wien über diesen Sachverhalt" zu "unterrichten", und den Antrag der Beschwerdeführer nicht an die zuständige Behörde weitergeleitet hat.

Da die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides daher nicht vorliegt, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtliche WürdigungWeiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050106.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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