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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. März 1993, Zl. Fr 527/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 16. März 1993 wurde der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Unter einem wurde die von der Erstbehörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt und auf § 27 Abs. 3 FrG gestützt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß nach dem Abkommen zwischen Österreich und Tunesien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 254/1965, tunesische Staatsangehörige mit einem gültigen Reisepaß sichtvermerksfrei einreisen und sich drei Monate im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Der Beschwerdeführer sei am 10. Dezember 1992 mit einem gefälschten Reisedokument in das Bundesgebiet eingereist, er sei im Besitz eines Personalausweises. Die Ausweisung sei sohin gemäß § 17 Abs. 1 FrG zulässig. Von der Asylbehörde sei keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt worden. "Unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers" komme die Behörde zu dem Ergebnis, daß er noch nie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Seine Familie lebe in Tunesien. Durch das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers seien nicht nur österreichische strafgesetzliche Bestimmungen, sondern auch die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen des Paß- und Fremdenpolizeigesetzes verletzt worden. Da der Beschwerdeführer sich widerrechtlich im Bundesgebiet aufhalte, hier keiner Beschäftigung nachgehe und über keine Krankenversicherung verfüge, habe die Erstbehörde zu Recht von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen können, die die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung rechtfertige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.
Würde (unter anderem) durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, so ist zufolge des § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden keine Folge und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde mit der Maßgabe, daß die von der Erstbehörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung auf § 27 Abs. 3 FrG gestützt wird. Inwieweit dieser Ausspruch es dem Beschwerdeführer - wie er es in seiner Beschwerde behauptet - verwehrt, inhaltlich zum Spruch des Berufungsbescheides Stellung zu nehmen, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht dargelegt.
Die Beschwerde macht der belangten Behörde weiters zum Vorwurf, keine Stellung dazu zu nehmen, daß behauptetermaßen eine Aufenthaltsberechtigung durch das Asylverfahren gegeben sei.
Hiezu ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß die belangte Behörde, ausgehend von der Feststellung der Erstbehörde, das Asylverfahren sei durch einen Bescheid vom 17. Dezember 1992 negativ abgeschlossen worden, in der Begründung ausgeführt hat, daß von der Asylbehörde dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung "erteilt" worden sei. Nach den vorliegenden Unterlagen (unter Einschluß der zur hg. Zl. 93/18/0182 vorgelegten, den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung nach § 54 FrG betreffenden Verwaltungsakten) hat nämlich die Asylbehörde erster Instanz mit ihrem den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid vom 17. Dezember 1992 einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Damit kam aber dem Beschwerdeführer im Grunde des § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 leg.cit. nicht zu. Daraus folgt, daß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991, in der Fassung des Art. II Z. 2, BGBl. Nr. 838/1992, der Erlassung des die Ausweisung des Beschwerdeführers im Instanzenzug aussprechenden Bescheides nicht entgegenstand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0251).
Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde weder zum Thema des Abschiebungsaufschubes noch zum Verbot der Abschiebung Stellung genommen habe, wozu sie verpflichtet gewesen wäre. Die belangte Behörde habe von Amts wegen die Gründe für einen Abschiebungsaufschub zu prüfen, weil ein durchsetzbarer Ausweisungsbescheid zufolge der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung vorliege.
Dieser Auffassung der Beschwerde ist nicht zuzustimmen. Das Vorliegen eines durchsetzbaren Ausweisungsbescheides für sich allein reicht noch nicht zur Vornahme der Abschiebung hin, sondern es muß noch einer der im § 36 Abs. 1 Z. 1 bis 4 genannten Gründe dazutreten. Im Verfahren über die Ausweisung hat die Behörde im Hinblick auf ein mögliches Verbot der Abschiebung gemäß § 54 Abs. 2 FrG den Fremden über eine allfällige Antragstellung in Kenntnis zu setzen. Über einen solchen Antrag ist in einem Verfahren gemäß § 54 FrG abzusprechen, keinesfalls jedoch im Verfahren über die Ausweisung. Nach den Verwaltungsakten wurde ein solcher Antrag vom Beschwerdeführer bereits vor der Entscheidung der Erstbehörde über die Ausweisung gestellt. Ob daher mit einer Abschiebung vorzugehen ist und gegebenenfalls in welches Land, ist somit nicht Gegenstand des Ausweisungsverfahrens gemäß § 17 FrG.
Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde zum Thema der Zulässigkeit der Ausweisung überhaupt nichts ausführe.
Hiezu festzuhalten, daß weder mit diesem noch mit einem anderen Beschwerdevorbringen die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei am 10. Dezember 1992 mit einem gefälschten Reisedokument eingereist, bestritten wird. Von daher gesehen ist mit der belangten Behörde in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 FrG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war aber auch kein rechtmäßiger im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 3 leg.cit., da dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukam.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, weder der widerrechtliche Aufenthalt noch die ihm vorgeworfenen, aber nicht bewiesenen Verfehlungen rechtfertigten eine Entziehung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 FrG, ist er darauf hinzuweisen, daß nur bei Vorliegen eines relevanten Eingriffes in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers zu prüfen ist, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist. Aus der Tatsache, daß die Familie des Beschwerdeführers in Tunesien lebt und daß er sich selbst erst seit kurzem in Österreich aufhält, ergibt sich, daß ein relevanter Eingriff durch die Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliegt. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0251).
Nach Meinung des Beschwerdeführers sei nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde zum Schluß komme, daß die Erstbehörde zu Recht von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen habe können, die die Aberkennung einer aufschiebenden Wirkung der Berufung rechtfertige.
Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung aus, daß die Erstbehörde deshalb zu Recht von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen habe können, die die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gerechtfertigt habe, weil der Beschwerdeführer sich widerrechtlich im Bundesgebiet aufhalte, hier keiner Beschäftigung nachgehe und über keine Krankenversicherung verfüge.
Auf Grund des Beschwerdevorbringens und der Aktenlage ist nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung seiner Beschwerde durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in seinem Recht verletzt war, lag doch in diesem Zeitpunkt der angefochtene (rechtskräftige und vollstreckbare) Bescheid vor und waren nach der Aktenlage in der Zeit der Wirksamkeit des Ausspruches nach § 27 Abs. 3 FrG gegen den Beschwerdeführer keine darauf beruhenden Maßnahmen gesetzt worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zlen. 92/18/0321 bis 0331).
Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180226.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
16.04.2010